Mit Urteil vom 20.07.2010 (I-25 U 11/10) hat das OLG Köln die Berufung der beteiligten Versicherung gegen ein Urteil des Landgerichts Bonn vom 23.03.2010 (13 O 287/09) zurück gewiesen. Der 25. Zivilsenat bestätigt die Abfuhr gegenüber der Fraunhofer Tabelle und bestätigt die Anwendung der Schwacke-Liste.
Aus den Entscheidungsgründen:
I.
Die klagende Autovermietung macht gegenüber der Beklagten aus abgetretenem Recht restliche Mietzinsansprüche aus 26 Verträgen geltend, die aus Anlass der Vermietung von Fahrzeugen nach einem Unfall entstanden sind. Die Fahrzeuge der Schädiger waren sämtlich bei der Beklagten versichert; die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Während die Klägerin ihrer Abrechnung den sogen. gewichteten (Modus-)Normaltarif nach dem Schwacke Automietpreisspiegel 2008 (im Folgenden; Schwacke AMS) – mit einem pauschalen Aufschlag von 20 % – zugrunde legt, ist nach Auffassung der Beklagten die Verwendung des Schwacke AMS ungeeignet. Für die Berechnung des zu ersetzenden Mietpreises sei vielmehr der durch das Fraunhofer Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation erstellte „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ (im Folgenden: Fraunhofer MMD) zu verwenden.
Das Landgericht hat der Klage zum überwiegenden Teil stattgegeben, wobei es von der Anwendbarkeit des Schwacke AMS ausgegangen ist. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Streitig ist im Berufungsverfahren die Frage, ob der vom Landgericht in seinem Urteil zugrunde gelegte Schwacke AMS eine geeignete Grundlage für die Schadensberechnung darstellt. Mit dem Landgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass der Schwacke AMS eine geeignete Grundlage für die Schadensschätzung der erforderlichen Mietwagenkosten darstellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug. Diese Ausführungen werden durch das Berufungsvorbringen nicht erschüttert.
Das Ermessen kann im Rahmen des § 287 ZPO in zulässiger Weise dahin ausgeübt werden, dass der vom Schädiger dem Geschädigten zu ersetzende „Normaltarif“ für Mietwagenkosten auch auf der Grundlage des Schwacke AMS im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermittelt wird. Das kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr ernstlich zweifelhaft sein (vgl. zuletzt: Bundesgerichtshof, Urt. v. 9.3.2010 – VI ZR 6/09; Urt v. 19.1. 2010 – VI ZR 112/09 = VersR 2010, 494, vom 2. 2.2010 – VI ZR 7/09 = VersR 2010, 683 und 2.2.2010 – VI ZR 139/08 – VersR 2010, 545, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (vgl. Bundesgerichtshof v.11. 3. 2008 – VI ZR 164/07-VersR 2008, 699, 670; v. 14. 10. 2008 – VI ZR 308/07 – VersR 2008, 1706, 1708 und v. 2. 2. 2010 – VI ZR 7/09 -VersR 2010, 683). Solche konkreten Mängel legt die Beklagte hier nicht dar.
Soweit die Beklagte generell anführt, der Fraunhofer MMD sei wegen der anonymisiert erhobenen Daten allein für eine Schadensberechnung geeignet, vermag der Senat ihr nicht zu folgen. Er befindet sich damit in Übereinstimmung mit der o. a. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die auch von den meisten Senaten des Oberlandesgerichts Köln geteilt wird (vgl. u. a. OLG Köln, Urt. v. 23.2.2010 – 9 U 141/09; Urt. v. 22.12.2009 – 15 U 98/09 – NZV 2010, 144; Beschl. v. 12.5.2009 – 11 U 219/08; Beschl. v. 20.4.2009 – 13 U 6/09).
Weder der Schwacke AMS noch der Fraunhofer MMD gehen methodisch von einem falschen Ansatz aus. Der – nicht unbeachtliche – Umstand, dass dem Schwacke AMS im Gegensatz zum Fraunhofer MMD keine anonymen Befragungen zugrunde liegen, macht ihn deswegen nicht ungeeignet. Insoweit bietet der Fraunhofer MMD durch seine anonyme Erhebung der Daten durch telefonische Befragung oder per E-Mail zwar einen Vorteil, weist aber andererseits auch Nachteile auf, die in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass der Fraunhofer MMD keineswegs als geeignetere oder gar einzig geeignete Grundlage angesehen werden kann. So liegen der Erhebung des Fraunhofer MMD Preise mit einer gewissen Vorbuchzeit zugrunde, die nicht selten günstiger sind als Soforttarife. Da ein Unfallgeschädigter aber nicht im Vorhinein weiß, wann er einen Unfall haben wird und in der Regel ein kurzfristiger Ersatz notwendig ist, weist diese Erhebung insoweit Schwächen auf. Hinzu kommt, dass der Fraunhofer MMD zum weit überwiegenden Teil nur sechs Internetanbieter erfasst. Darüber hinaus sind die Ergebnisse weniger ortsnah als bei dem Schwacke AMS, weil sich die Ergebnisse auf eine zweistellige Zuordnung von Postleitzahlen beschränken, während dem Schwacke AMS Ermittlungen in dreistelligen Postleitzahlgebieten zugrunde liegen. Gerade dies ist aber auch ein wesentlicher Faktor, wie der Bundesgerichtshof (vgl. NJW 2006, 2320) vergleichbar im Zusammenhang mit der Ermittlung des Restwertes von Unfallfahrzeugen immer wieder betont hat, mit der Folge, dass sich der Geschädigte nur auf den allgemein zugänglichen regionalen Markt verweisen lassen muss. Der Schwacke AMS berücksichtigt im Übrigen alle möglichen Preisbestandteile, also auch Zuschläge bei der Anmietung aus Anlass eines Unfalls, die – gerichtsbekannt – in der Praxis tatsächlich verlangt werden.
Aus den vorgenannten Gründen vermag der Senat nicht der teilweise vertretenen Auffassung (z. B. OLG Köln [6. ZS] NZV 2009,145; OLG München r+s 2008, 439; OLG Jena r+s 2009, 40) zu folgen, dass der Fraunhofer MMD besser oder gar allein geeignet sei.
Keinen Bedenken begegnet schließlich, dass das Landgericht im Rahmen des § 287 ZPO bei seiner Berechnung des „Normaltarifs“ als Schätzungsgrundlage den „Modus“ als den am häufigsten genannten Mietpreis innerhalb des maßgebenden Postleitzahlenbezirkes als überwiegend wahrscheinlich angesehen hat (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil v. 2.2.2010 – VI ZR 139/08 – a.a.O., Rn. 29).
Der vom Landgericht hierauf in Einzelfällen vorgenommene Aufschlag in Höhe von 20 % begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Die Beschränkung der Prüfung darauf, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, dient nicht nur dem Interesse des Geschädigten, um für ihn bestehenden Dariegungs- und Beweisschwierigkeiten zu begegnen. Diese Art der Prüfung gewährleistet vielmehr auch, dass die erforderlichen Mietwagenkosten nach einem Unfall anhand objektiver Kriterien ermittelt werden, ohne dass es für die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auf die konkrete Situation und Kalkulation des einzelnen Vermieters ankommt (BGH VersR 2008, 1370, 1371). Ob und in welchem Umfang sich die unfallspezifischen Faktoren Kosten erhöhend auswirken, ist vom Tatrichter erforderlichenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen gem. § 287 ZPO. zu schätzen (BGH VersR 2010, 683ff). Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich einen Aufschlag auf den Normaltarif für die Inanspruchnahme unfallbedingter Mehrleistungen – wie insbesondere die Vorfinanzierung – pauschal von 20 % als angemessen angesehen (vgl. BGH EBE/8GH 2010, 188-190 sowie BGH VersR 2008, 1370, 1371).
An dem vorstehenden Ergebnis ändern auch die weiteren Ausführungen der Beklagten nichts, der Geschädigte laufe Gefahr, bei einem überhöhten Tarif einen Teil des vertraglichen Mietzinsanspruchs vom Schädiger nicht ersetzt zu bekommen, diesen aber an den Vermieter als seinen Vertragspartner zahlen zu müssen. Dies mag zutreffen, soweit nicht im Verhältnis Geschädigter – Vermieter Letzterer sich im Verhältnis zum Geschädigten mit dem gerichtlich als zutreffend anerkannten Beträgen begnügt. Diese Folge ist aber Ausfluss der allgemeinen Vertragsfreiheit und kann auch nicht durch die Anwendung des Fraunhofer MMD vermieden werden, weil der Geschädigte bei Anmietung – also im Vorhinein! – nicht wissen kann, ob der mit dem örtlichen Vermieter vereinbarte Mietzins dem -s.o.- nicht unproblematisch ermittelten Betrag nach dem Fraunhofer MMD entspricht. Die Argumentation der Beklagten führt, konsequent zu Ende gedacht, insoweit dazu, dass ein Geschädigter stets nur Schadensersatz gem. § 249 Abs. 1 BGB verlangen sollte, wenn er irgendwelche Nachteile vermeiden will.
Ebenfalls zu berücksichtigen sind im konkreten Fall bei entsprechender Veranlassung die tatsächlichen Kosten für einen Zusatzfahrer sowie Zustellen und Abholen (vgl. BGH EBE/BGH 2010, 188-190). Das gilt in gleicher Weise für die Kosten von Navigationsgeräten und Anhängerkupplungen, soweit diese im verunfallten Fahrzeug zur Verfügung standen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Soweit brandaktuell das OLG Köln, der 25. Zivilsenat.