Schadenmanagement-Stratego

Meine Gratulation an die Sachverständigenschaft: Die BGH-Urteile, die das Entgelt des Sachverständigen zunächst an der Üblichkeit, erst im zweiten Schritt nach der Billigkeit zu bestimmen verlangen, sind ein wichtiger Schritt. Die Durchsetzbarkeit der „üblichen“ Forderungen wird damit extrem erleichtert. Bei den Autovermietern stellte das BGH-Urteil von 1996 auf die „Üblichkeit“ ab, verstärkt beispielsweise durch OLG Düsseldorf, NJW-RR 2001, 132 mit einigen – unveröffentlichten – Ausführungen zu „Üblichkeit“ und „Taxe“.

Im Kampf gegen das „aktive Schadenmanagement“ sind folgende Überlegungen anzustellen:

These: Das „aktive Schadenmanagement“ verstößt gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Um die o.g. These zu beweisen, müssen wir zunächst unser Augenmerk auf die Frage lenken, wie „Marktinformation“ von einem „Direktvermittlungsangebot“ zu unterscheiden ist. Der Haftpflichtversicherer darf dem geschädigten Dritten „Marktinformationen“ erteilen.

Bekanntlich schließt der Haftpflichtversicherer mit „begünstigten“ Anbietern bilaterale Abkommen, um, auch für durch seine Versicherungsnehmer geschädigte Dritte, Ersatzleistungen günstig einzukaufen. Dem Geschädigten wird nicht selten vom gegnerischen Versicherer angeboten, eine Dienstleistung zu einem derartig bilateral ausgehandelten Preis „zu vermitteln“. Verweigert sich der Geschädigte diesem „Angebot“, sieht sich er sich anschließend bei den Regulierungsverhandlungen mit Dumpingpreisen, die „üblicherweise“ auf dem Markt nicht zu erhalten sind, konfrontiert. Der Versicherer indes zieht sich auf die Position zurück, er habe lediglich „Marktinformation“ erteilt.

Das Angebot des Versicherers muß also trefflich als „sittenwidrig“, nämlich als Verstoß gegen das UWG, gebrandmarkt werden. Dies kann nur gelingen, wenn wir sichere Kriterien formulieren, die das „Direktvermittlungsangebot“ vom „Marktangebot“ scheiden helfen. Hier nun weisen – für Sachverständige – die BGH-Urteile X ZR 80/05 und X ZR 122/05 in die richtige Richtung: „Marktangebot“ ist der für die vereinbarte Leistung „übliche“ Modus und „übliche“ Preis. Deutlich unterschreitende Angebote sind ein Indiz für – sittenwidrige – „Direktvermittlung“.

Bei Autovermietern liegt das Problem ähnlich: Der Preis der Anmietung eines Fahrzeuges richtet sich maßgeblich nach den Konditionen für die Zugänglichkeit, beispielsweise der Höhe der gestellten Vorauszahlung, ob eine Kreditkarte vorgelegt werden kann und ob der Mietzeitraum im voraus verbindlich und minutengenau festgelegt wird. Erbietet der Versicherer eine Anmietung zu identischen Zugangs-Konditionen, aber einem deutlich das Marktniveau unterschreitenden Preis, liegt ein Indiz für eine „Direktvermittlung“ vor.

Aus dem Indiz muß dann prozessual der Beweis angetreten werden: Auf dem freien und unverfälschten Markt sind – ohne die Vermittlung des Versicherers – deutlich günstigere Angebote als das vom Geschädigten gewählte nicht erreichbar. Beweis: wie auch immer (als Autovermieter lege ich zum Nachweis der üblichen Konditionen AGB und Anmietbedingungen der großen Wettbewerber sowie Preislisten vor). Im Ergebnis muß das Angebot des Versicherers als ein „Direktvermittlungsangebot“ erkennbar sein.

Warum ist das Erbieten einer „Direktvermittlung“ ein Verstoß gegen das UWG?

Zunächst einmal sucht der Versicherer den Absatz von Dienstleistungen im „eigenen“ Interesse zu Gunsten eines Dritten – dem „begünstigten“ Wettbewerber – zu fördern, es handelt sich also um eine Wettbewerbshandlung. Dabei bedient er sich mehrerer, den Tabestandskatalog des „unlauteren Wettbewerbs“ erfüllenden, Methoden: Er suggeriert dem Geschädigten, daß jener verpflichtet sei, das Angebot anzunehmen, weil er sonst mit Regulierungskürzungen zu rechnen habe. Damit wird die rechtliche Unkenntnis des Geschädigten ausgenutzt. Er wird unter Druck gesetzt. Der Werbecharakter der Aussagen wird verschleiert. Die Aussagen sind sachlich falsch, daher irreführend. Andere Anbieter derselben Leistung werden behindert. Gegebenenfalls werden ihre Preise als „übersetzt“ verunglimpft, ihre Leistungspolitik – wahrheitswidrig – herabgesetzt.

Der Schadensersatz ist weitgehend unabhängig von der bezogenen Ersatzleistung („Dispositionsfreiheit“, „abstrakte Bestimmung des Schadens“). Der Geschädigte darf die Entschädigung in Geld verlangen und frei, also auch sachfremd, verwenden. Diese Freiheit wird dem Geschädigten abgeschnitten (§ 3 Nr. 1 PflVG), auch indem der Versicherer „gestaltend“ in fremde Rechtsangelegenheiten eingreift (Art. 1 § 1 RBerG). Damit wird gegen marktordnende und verbraucherschützende Normen zu Lasten gesetzeskonformer Wettbewerber verstoßen.

Auf „bilateralen Abkommen“ gegründete Preis- und Konditionengestaltungen sind Verabredungen zwischen zwei Unternehmen, die das dem Verbraucher zugängliche Angebot verfälschen. Damit ist der Verbotstatbestand des § 1 GWB (nach der 7. GWB-Novelle) erfüllt, der im übrigen nicht davon abhängig ist, ob die angegriffene Vereinbarung dem Verbraucher zukommt oder belastet.

Der Versicherer darf den Geschädigten auch nicht anrufen, nämlich unzumutbar belästigen, um ihm die Vermittlung von Leistungen anzupreisen.

Der prozessuale Einwand des marktunterbietenden Preises ist nichtig, soweit sein Zustandekommen auf ein gesetzliches Verbot zurückzuführen ist (RBerG, GWB wohl auch RDG wegen des Verbraucherschutzinteresses), dürfte daneben, wenn nicht sittenwidrig, so zumindest rechtsmißbräuchlich sein.

Soweit meine aktuellen Überlegungen. Für Anregungen, insbesondere in dem heiklen Sachbereich, wie man nämlich einem Doofen eindringlich beibringt, das „Marktangebot“ vom „Direktvermittlungsangebot“ zu trennen, wäre ich sehr dankbar.

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Eine Antwort zu Schadenmanagement-Stratego

  1. Boris Schlüszler sagt:

    Versuch einer Definition:

    Die „Direktvermittlung“ ist die durch den Versicherer kontrollierte Vermittlung einer Ware oder Leistung, die zu den erbotenen Eigenschaften auf dem freien, unverfälschten Markt ohne die Vermittlungstätigkeit des Versicherers dem Adressaten nicht erreichbar ist.

    Es ist vorderhändig zu überprüfen, ob die mittels „Direktvermittlung“ erbotene Ware oder Leistung dem Adressaten auch ohne die Vermittlung des Versicherers marktzugänglich ist. Dabei ist der Begriff der Eigenschaften der Ware oder Leistung – also insbesondere, nicht aber abschließend, die in Aussicht gestellten Modalitäten, Bedingungen, Konditionen unter den herrschenden Umständen und der Preis – im vorliegenden Zusammenhang in Anlehnung an den entwickelten Eigenschaftenbegriff der Richtlinie 97/55/EG wider die irreführende Werbung zu verstehen, das heißt, daß zum Zwecke der Überprüfung alternativer Zugänglichkeitsmöglichkeiten alle wesentlichen, relevanten, nachprüfbaren und typischen Eigenschaften und der Preis der Ware oder Leistung berücksichtigt werden müssen (§ 6 Rn 97-100; Richtlinie 97/55/EG Art 3a Absatz 1 Lit c: „sie vergleicht objektiv eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften dieser Waren und Dienstleistungen, zu denen auch der Preis gehören kann“).

    Das Ziel der „Direktvermittlung“ ist es, den marktüblichen Preis zu marktüblichen Konditionen für eine Ware oder Leistung zugunsten des Versicherers zu verfälschen (vgl. „Carpartner“).

    Insoweit ist die „Direktvermittlung“ von der Information über Marktpreise und -gepflogenheiten zu scheiden: Die Erteilung von Information eröffnet dem Informierten bei Wahrung seiner Entscheidungsfreiheit die Möglichkeit, die offenbarten Möglichkeiten unabhängig von der Mitwirkung des Informanten wahrzunehmen. Dagegen verweist die „Direktvermittlung“ auf „Angebote“, die ausschließlich durch die Vermittlung des Versicherers erreicht werden können. Alternative Wege des Zugangs zu einer Ware oder Leistung mit identischen Eigenschaften existieren im unverfälschten Markt nicht.

    Das mit der „Direktvermittlung“ verfolgte Geschäft ist wettbewerbswidrig, weil …

    Wie ist die Meinung der SV und RAe? Ist diese Definition a) tragfähig und b) ergebnisleitend?

    Also, für Autovermieter müsste das jedenfalls funktionieren.

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