Das LG Bonn hat mit Urteil vom 29.01.2008 (8 S 195/07) auf die Berufung der Klägerin das Urteil des AG Siegburg abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin über die durch das Urteil des Amtsgerichtes Siegburg bereits zuerkannten 464,06 € nebst 81,43 € vorgerichtliche Anwaltskosten hinaus weitere 880,11 € nebst Zinsen sowie weitere 20,94 € vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Beklagten als Gesamtschuldner. Die Revision wird nicht zugelassen.
Aus den Gründen:
Die Klägerin macht gegen die Beklagten restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 04.04.2006 auf der L-Straße in U. ereignete. Es kam zur Kollision des von der Beklagten zu 1. geführten und bei der Beklagten zu 3. haftpflichtversicherten Fahrzeuges mit dem amtl. Kennzeichen SU-…. und dem der Klägerin gehörenden und von dem Drittwiderbeklagten N. geführten Fahrzeug mit dem amtl. Kennzeichen K-….. Die Beklagte zu 1. hatte zunächst die I-Straße befahren und war dann in die L-Straße abgebogen.
Der Drittwiderbeklagte hatte zu diesem Zeitpunkt in der L-Straße angehalten, um rückwärts in eine vor dem Haus Nr. 100 befindliche Parklücke zu fahren. Streitig zwischen den Parteien ist, ob das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision noch gestanden hat oder bereits rückwärts gefahren ist. Vorgerichtlich hatten die Beklagten 416,05 € gezahlt. Die Klägerin hat folgende Schadensersatzansprüche geltend macht:
1. Fahrzeugschaden netto = 1.382,00 €
2. Sachverständigenkosten brutto = 353,22 €
3. allgemeine Kostenpauschale = 25,00 €.
Die Beklagten haben 30 % des nach einem Prüfbericht zu Grunde gelegten Schadens gezahlt:
1. Fahrzeugschaden netto (Berechnung Referenzfirma) = 1.062,35 €
2. Sachverständigenkosten netto = 304,50 €
3. allgemeine Kostenpauschale = 20,00 €.
Hiervon 30 % = 416,05 €.
Das Amtsgericht Siegburg hat der Klage in Höhe von 464,06 € stattgegeben. Dabei hat das AG eine hälftige Schadensteilung angenommen. Die Klägerin begehrt mit der Berufung die ihr durch das AG nicht zugesprochenen weiteren Schadenersatzpositionen. Die Beklagten haben beantragt, die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung das Urteil des AG Siegburg aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit sie zur Zahlung eines über 277,38 € hinausgehenden Betrages verurteilt wurden. Nach Hinweis der Berufungskammer in der mündlichen Verhandlung haben die Beklagten die Anschlussberufung zurückgenommen. Mit der Zurückverweisung tragen die Beklagten weiterhin vor, die Klägerin müsse sich bei fiktiver Abrechnung im Rahmen der Schadensminderungspflicht auf die von ihnen benannte in der Nähe liegende kostengünstigere Fachwerkstatt, die in der Lage sei, eine gleichwertige Reparatur zu erbringen, verweisen lassen. Darüber hinaus entfielen bei fiktiver Abrechnung der UPE-Aufschlag des Hersteller und die Verbringungskosten.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht ein über den bereits zugesprochenen Betrag hinausgehender Schadensersatzanspruch in Höhe der weiteren 880,11 € gegen die Beklagten zu. Der Unfall ereignete sich bei dem Betrieb beider unfallbeteiligter Fahrzeuge. Der Beweis der Unabwendbarkeit ist keiner der Parteien gelungen… Gegenüber der erheblichen Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten zu 1. tritt die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges zurück. Die Beklagte zu 2. haftet gem. § 3 PflVG als Gesamtschuldnerin neben der Beklagten zu 1. und in gleicher Höhe. Der ersatzfähige materielle Gesamtschaden der Klägerin beläuft sich auf 1.760,22 €. Da von der Beklagtenseite 416,05 € bereits vorgerichtlich gezahlt wurde und in erster Instanz weitere 464,06 € zugesprochen worden sind, verbleibt der zu erstattende Restschaden in Höhe von 880,11 €. Die Klägerin hat dabei gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung von restlichen fiktiven Reparaturkosten in Höhe von 691,00 €. Sie kann ihrer Schadensberechnung die durch das Sachverständigengutachten bezifferten Reparaturkosten in Höhe von 1.382,00 € zu Grunde legen. Nach schadensrechtlichen Grundsätzen ist der Geschädigte sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei. Dies gilt auch für fiktive Reparaturkosten. Entsprechend diesen Grundsätzen hat der BGH in seiner Porsche-Entscheidung (NJW 2003, 2086) festgestellt, dass der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu Grunde legen darf. Der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken-und freien Fachwerkstätten einer Region repräsentiere als statistisch ermittelte Rechengröße nicht den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag. Bei der von der Beklagten benannten Fachwerkstatt handelt es sich nicht um eine markengebundene Werkstatt und damit nicht um eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit. Der Einwand der Beklagten, die geschädigte Klägerin müsse sich auf die ohne weiteres zugänglichen günstigeren Stundenverrechnungssätze der genannten Fachwerkstatt verweisen lassen, ist im Ergebnis nicht anders zu beurteilen, als der Versuch, gegenüber einer fiktiven Abrechnung auf Reparaturkostenbasis mit den Stundenverrechnungssätzen von markengebundene Fachwerkstätten den Geschädigten auf den Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller Werkstätten einer Region verweisen zu wollen. Würde man der Klägerin als Geschädigten bei der Abrechnung fiktiver Reparaturkosten nur Ersatz der bei Ausführung der Arbeiten in einer sonstigen günstigeren Fachwerkstatt anfallenden geringeren Kosten zubilligen, würde man unangemessen in die freie Dispositionsbefugnis des Geschädigten eingreifen. Der Geschädigte würde danach trotz einer möglichen fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis auf die Abrechnung der möglichen Kosten in einer bestimmten Werkstatt beschränkt, auch wenn er sein Fahrzeug gar nicht repariert, sondern veräußern würde. So wird der Grundsatz des Schadensersatzrechtes unterlaufen, dass der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens ist. Im Ergebnis würde danach hinsichtlich der Höhe der ersatzfähigen Reparaturkosten differenziert werden, je nachdem, ob bzw. wie der Geschädigte das Fahrzeug reparieren läßt (LG Mainz Urteil vom 31.05.2006 -3 S 15/06-; LG Bochum Urteil vom 09.09.2005 -5 S 79/05-). Aus diesem Grund sind auch die Aufschläge für die UPE und die fiktiven Verbringungskosten von der Beklagten zu ersetzen.
Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Erstattung der restlichen Gutachterkosten in Höhe von 176,61 €. Soweit der Geschädigte statt der Naturalrestitution Geldersatz begehrt, umfasst dieser auch die Umsatzsteuer, wenn diese tatsächlich anfällt, § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB.
Die Auslagenpauschale von 25,00 € hält die Kammer für angemessen.
Der Berufung war daher in vollem Umfange Erfolg beschieden. Die Beklagten war kostenpflichtig zu verurteilen. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges. Ebenso die Erstattungsverpflichtung der vorgerichtlichen nicht anrechenbaren Anwaltskosten.
Für die Zulassung der Berufung bestand keine Veranlassung.
So das überzeugende Urteil des Landgerichtes Bonn.
Hi Willi Wacker,
wieder ein schön begründetes Fachwerkstattlohn-Urteil. Weiter so, damit die Urteilslisten wachsen.
Ein schönes Wochenende
Siegfr. Sturm
Es kommt noch schöner vom Landgericht Bonn,
5 S 96/08, Urteil vom 20.08.2008.
Vorinstanz: Amtsgericht Euskirchen, 13 C 189/07
Leitsätze:
Der Geschädigte muss sich nicht auf die günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mit der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des Schädigers durch einen Partnervertrag verbundene – auch markengebundene – Fachwerkstatt verweisen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
K.-H.W.
Urteil ist schon unterwegs zu Captain Huk
Hallo K.-H.W.,
Danke für den Hinweis auf LG Bonn – 5 S 96/08 -, wir werden das Urteil nach Eingang hier einstellen.
MfG
Willi Wacker