Interessante Ausführungen und Erkenntnisse einer Staatsanwältin

So manche über die Zeit im Forum gestellte Frage findet nachfolgend eine Antwort. Z.B.: Wie ticken Manager und warum es Staatsanwälten so schwer fällt, bei Wirtschaftskriminalität die richtigen Ansätze zu finden.

Beim Lesen kann man meinen, den einen oder anderen bzw. das eine oder andere Unternehmen, von dem hier die Rede ist, zu kennen.

Quelle: Vereinigung Berliner Staatsanwälte e. V.

Autor: Vera Junker
Hier ein paar Auszüge:

Für mich gelten die Regeln nicht – Wenn Macher zu Kriminellen werden

II. Was kennzeichnet den typischen Wirtschaftskriminellen?

Angesichts der Vielgestaltigkeit der Wirtschaftskriminalität gibt es keinen typischen Wirtschaftskriminellen. Für die Gruppe der „Entscheider-Kriminellen“, die ich soeben umgrenzt habe, kann man aber bestimmte typische Tätermerkmale feststellen.

Die typischen Täter sind männlich (75%), gut ausgebildet (meist mit Studium), älter als 40 Jahre (ein erheblicher Teil sogar älter als 60 Jahre). Sie sind im Allgemeinen nicht vorbestraft, haben meist keine Schulden, haben gewisse Entscheidungsbefugnisse im Unternehmen, sind sehr ehrgeizig und kompetent in ihrem Fachgebiet. Sie investieren viel Zeit in ihren Beruf und werden von Kollegen oft als „äußerst korrekt“ beschrieben. Häufig sind sie im Unternehmen bereits längere Zeit beschäftigt (mindestens 6-10 Jahre). Sie legen Wert auf gesellschaftlichen Status und einen gehobenen (aber nicht protzigen) Lebensstandard. Sie leben meist in sog. „geordneten Verhältnissen“. Man kann sie also charakterisieren als den intelligenten, karriereorientierten, aber eher unauffälligen Aufsteigertyp. Ihre Unauffälligkeit ist das erste Hindernis auf dem Wege zu ihrer Entdeckung und zwar sowohl für das Unternehmen, in dem sie beschäftigt sind als auch für die Strafverfolgungsbehörden.

Wirtschaftstraftäter haben grundsätzlich legale Wertvorstellungen. Sie lehnen also das gesellschaftliche Wertesystem nicht ab, sind oft sogar sozial oder karitativ engagiert. Sie haben nur einen „blinden Fleck“ soweit es ihre wirtschaftliche Betätigung betrifft. In diesem Bereich ersetzen sie die gesetzlich verankerten Regeln durch eigene – zumindest dann, wenn sie bzw. ihr Unternehmen nicht selbst das Opfer sind.

Problematisch ist aber auch oft die Einstellung zu den Wirtschaftstraftätern selbst. Einerseits gibt es – wie bereits oben dargestellt – oft genug kein personifizierbares Opfer, das vor Gericht Auskunft geben könnte über die Auswirkungen der Tat oder es gibt nur ein geschädigtes Unternehmen, das eher widerstrebend Erkenntnisse über den Schadensumfang verlauten lässt. Andererseits ist uns der Angeklagte vom sozialen Staus her ähnlich oder übertrifft ihn – zumindest in Bezug auf seine finanziellen Verhältnisse – oft um ein Vielfaches. Er tritt gewandt auf, ist eloquent, hat gute Umgangsformen und – was nicht unwichtig ist – meist auch gute Verteidiger. All dies verfehlt leider oft genug nicht seine Wirkung. Auch bei den Gerichten ist zu bemerken, dass die Tatsache, dass der Angeklagte gerade keiner Randgruppe angehört, sondern – im Gegenteil- zu den so genannten „Leistungsträgern“ gehört, oft zu milderer Beurteilung der Taten und ihrer Motive führt.

……… 

IV. Haben Wirtschaftsstraftäter keine Werte?

Ein weiterer Vorwurf muss der Justiz selbst und ihrer Einstellung zu Wirtschaftsdelikten gemacht werden. Das Strafrecht und auch die in der Strafjustiz tätigen Staatsanwälte sind noch immer ausgerichtet auf das so genannte Kernstrafrecht, d. h. auf Mörder, Räuber, kleine Betrüger und Vergewaltiger. Dabei handelt es sich meist um eindeutig identifizierbare Randgruppen der Gesellschaft. Sie sind anders als wir, leben anders, sehen anders aus, kurz gesagt: sie sind deutlich abzugrenzen. Einige Kollegen und auch Richter äußerten mir gegenüber freimütig, dass sie sich für das Strafrecht entschieden hätten, weil sie sich in diesem Rechtsbereich gerade nicht mit filigranen Rechtsproblemen, komplexen wirtschaftlichen Zusammenhängen und insbesondere nicht mit Zahlen beschäftigen müssten.

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Eine Antwort zu Interessante Ausführungen und Erkenntnisse einer Staatsanwältin

  1. Freie Werkstatt sagt:

    Zitat Vera Junker:
    „Wirtschaftskriminalität ist ein Vergehen gegen die Wirtschaftsordnung. Sie führt dazu, dass die individuelle Verfolgung des Eigeninteresses nicht dem Wohl aller dient, sondern die Allgemeinheit schädigt.“

    Arbeit für die Staatsanwaltschaften ohne Ende?

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