Das OLG Köln hat mit Urteil vom 18.08.2010 (5 U 44/10) auf die Berufung der beklagten Versicherung das Urteil des LG Aachen vom 11.03.2010 (12 O 457/09) geändert. Dennoch muss die beklagte Versicherung die Kosten der Berufung tragen. Das OLG Köln erklärt die Anwendung der Schwacke-Liste durch das LG Aachen für rechtsfehlerfrei, der Bezug auf Dr. Zinn und Fraunhofer kann eine Fehlerhaftigkeit im konkreten Fall nicht nachweisen und ist damit zu vernachlässigen.
Aus den Urteilsgründen:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. In der Sache hat sie teilweise Erfolg. Die von der Klägerin aus abgetretenem Recht geltend gemachten und dem Grunde nach unstreitig von der Beklagten erstattungspflichtigen Mietwagenkosten sind lediglich in Höhe von 6.161,30 € nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit begründet.
1.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer, hier die Beklagte, gemäß § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Für den Ersatz von Mietwagenkosten bedeutet dies, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs innerhalb eines gewissen Rahmens grundsätzlich nur die Erstattung des günstigeren Mietpreises als zur Herstellung objektiv erforderlich verlangen kann (st. Rspr. vgl. nur BGH NJW2009, 58 ff. m.w.N.).
a) Die Klägerin hat den unfallbedingten Schaden wegen Mietwagenkosten der jeweiligen Geschädigten auf der Grundlage des „Normaltarifs“ gemessen an dem Schwacke-Automietpreisspiegel berechnet. Der Senat sieht wie das Landgericht in dem Schwacke-Automietpreisspiegel eine geeignete Schätzgrundlage i.S.d. § 287 ZPO. Die von der Beklagten vorgebrachten Bedenken an der grundsätzlichen Eignung des Schwacke-Automietpreisspiegels vermag der Senat nicht zu teilen. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass – wie hier – der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO der „Normaltarif grundsätzlich auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermitteln kann (vgl. nur BGH VersR 2010, 683 m.w.N.; BGH, Urteil vom 18.05.2010 – VI ZR 293/08 -). Klargestellt hat der Bundesgerichtshof indessen auch, dass eine Schätzung aufgrund anderer Listen und/oder Tabellen, wie etwa dem Mietpreisspiegel des Fraunhofer Instituts oder eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Listen, ebenfalls nicht rechtsfehlerhaft ist (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.2010 – VI ZR 293/08 -). Entscheidend kommt es nur darauf an, ob mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass die geltend gemachten Mängel der jeweils beanstandeten Schätzungsgrundlage sich, auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfange auswirken (BGH, a.a.O.).
Derartige konkrete Tatsachen hat die Beklagte nicht hinreichend dargelegt. Denn Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den zu entscheidenden Fall bezogen sind. Daran fehlt es hier.
Zweifel ergeben sich nicht schon aus den von der Beklagten vorgetragenen gerichtlichen Sachverständigengutachten über die Höhe ortsüblicher Mietwagenkosten in diversen sonstigen Regionen Deutschlands aus dort geführten Rechtsstreitigkeiten, weil diese mangels räumlichen und – zumindest teilweise – zeitlichen Bezugs ohne Aussagekraft für die im Streitfall zu treffende Entscheidung sind (vgl. OLG Köln, RuS 2008, 528 ff.). Es ist auch nicht Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nachzugehen (vgl. etwa BGH NJW 2008, 2910 ff.). Daher sind auch Einwendungen gegen die Methodik einer als Schätzgrundlage in Frage kommenden Übersicht nur dann beachtlich, wenn zugleich dargetan ist, dass sie sich auf den zu entscheidenden Einzelfall auswirken. Damit aber steht schon im Ausgangspunkt das Gutachten von Prof. Dr. Klein vom 10.05.2007 (Bl. 148 ff. GA) einer Heranziehung des Schwacke-Automietpreisspiegel nicht entgegen, weil dieses sich allein mit dessen allgemeinen Erhebungs- und Auswertungsmethoden kritisch auseinandersetzt, ohne zugleich Anhaltspunkte für deren fehlende Eignung in den vorliegenden Einzelfällen zu bieten (vgl. OLG Köln, RuS 2008, 528 ff.). Gleiches gilt für die Studie von Holger Zinn „Der Stand der Mietwagenpreise in Deutschland im Sommer 2007“. Ohne dass aus den von der Beklagten vorgelegten Auszügen die Methodik dieser Erhebung erkennbar wäre, sind die dort erfolgten Preisabfragen nämlich nur auf ein äußerst kurzes Zeitintervall bezogen und ist die räumliche Erfassung infolge der Einteilung Deutschlands in nur in fünf Großräume sehr grobmaschig, so dass die ermittelten Daten für den einschlägigen „Großraum West“ nicht ohne weiteres für die hier berührten Gebiete aussagekräftig sind (vgl. OLG Köln, RuS 2008, 528 ff.).
Aus den von der Beklagten vorgelegten Angeboten von Vermietstationen der Firmen Sixt, Europcar und Avis in Aachen (Bl. 171 ff. GA) ergeben sich ebenfalls keine gewichtigen Bedenken gegen die Eignung des Schwacke-Automietpreisspiegel als Schätzungsgrundlage. Dabei kommt es entgegen den Ausführungen des Landgerichts zwar nicht darauf an, ob diese Angebote „annahmefähig“ sind. Die Beklagte macht insoweit zu Recht geltend, dass dies nur den Gesichtspunkt berührt, ob den Geschädigten günstigere Angebote zugänglich waren. Entscheidend ist indes, dass den von der Beklagten vorgelegten „Screenshots“ der jeweiligen (Internet-) Angebote nicht zu entnehmen ist, dass diese Angebote, mit der hier tatsächlich erfolgten Anmietsituation vergleichbar sind. Aus den „Screenshots“ ergeben sich jeweils nur die vom Zeitpunkt her willkürlich gewählte Anmietdauer, die Fahrzeugklasse, ein Preis sowie das Erfordernis der Vorfinanzierung bzw. des Einsatzes einer Kreditkarte. Schon Letzteres ist den Geschädigten nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht ohne weiteres zumutbar. Den Angeboten ist auch nicht zu entnehmen, ob für sie etwa eine Vorbuchungsfrist erforderlich ist oder ob bzw. in welchem Umfang die Kaskoversicherung enthalten ist. Die Höhe etwaiger Nebenkosten erschließt sich ebenfalls nicht. Ob abgesehen davon die Mietbedingungen im Übrigen vergleichbar sind, ist den Angeboten ebenfalls nicht zu entnehmen. Lediglich der Umstand, dass die Mietpreise dieser Angebote eher den Erhebungen des Fraunhofer Instituts entsprechen als denen des Schwacke-Automietpreisspiegels, veranlasst den Senat nicht zu einer weiteren Sachaufklärung. Insbesondere kommt die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht in Betracht, weil dies vor dem Hintergrund des unzureichenden Vortrages der Beklagten zu einer unzulässigen Ausforschung führen würde.
Schließlich führt auch der weitere Einwand der Beklagten ins Leere, die Klägerin und andere in der Region ansässige Mietwagenunternehmen vermieteten an Selbstzahler üblicherweise zu Tarifen, wie sie von ihr angeführt würden und die weit unter den in der Schwackeliste verzeichneten Tarifen lägen. Dieser Einwand ist gemäß § 531 Abs. 2 ZPO verspätet, aber auch unsubstantiiert. Die dazu von der Beklagten angebotene Beweiserhebung würde wiederum zu einer unzulässigen Ausforschung führen.
b) Ist es daher im Rahmen des § 287 ZPO nicht zu beanstanden, dass bei der Berechnung des Normaltarifs als Schätzungsgrundlage der „Modus“ als der am häufigsten genannte Mietpreis innerhalb des maßgebenden Postleitzahlenbezirks nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel als überwiegend wahrscheinlich angesehen worden ist, kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin ihrerseits etwa die Erhebungen des Fraunhofer Instituts zu erschüttern vermochte oder hat darlegen können, dass den Geschädigten günstigere Angebote nicht zur Verfügung standen. Denn dem Geschädigten ist ein Tarif grundsätzlich in der Höhe zu ersetzen, der zur Schadensbehebung erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist. Das ist hier der von der Klägerin geltend gemachte Tarif auf der Grundlage des Schwacke-Automietpreisspiegel. In diesen Fällen ist nur ausnahmsweise nach § 254 BGB ein niedrigerer Schadensersatz zu leisten, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Normaltarif in der konkreten Situation „ohne weiteres“ zugänglich war (vgl. BGH NJW 2008, 2910 ff.). Dies hat nach allgemeinen Grundsätzen der Schädiger, d.h. hier die Beklagte, darzulegen und zu beweisen. Hierfür reichen freilich die von der Beklagten vorgelegten Gutachten, Erhebungen und Angebote aus den oben dargelegten Gründen ebenfalls nicht aus.
c) Auf die ebenfalls in nicht zu beanstandender Weise durch Tarifkombination (Wochen- Dreitages- und Tagestarifen) ermittelten Mietwagenkosten hat das Landgericht ferner in den Fällen, in denen es zu einer sofortigen Anmietung des Fahrzeugs nach dem Unfall kam, zu Recht einen pauschalen Aufschlag von 20 % zugebilligt (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 09.03.2010 – VI ZR 6/09 – m.w.N.). Die Klägerin hat in ausreichendem Maße für die geltend gemachten einzelnen Anmietungsfälle allgemeine unfallspezifische Kostenfaktoren, wie etwa die Vorfinanzierung u.a. vorgetragen, die den Aufschlag rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 09.03.2010 –VI ZR 6/09 -; OLG Köln NZV 2007, 199 ff.), ohne dass die Beklagte dem noch entgegengetreten wäre.
d) Schließlich hat die Beklagte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich die Nebenkosten, wie vom Landgericht zuerkannt, zu erstatten. Dazu gehören auch die Kosten für einen zweiten Fahrer und die Zustell- und Abholkosten. Die Klägerin hat vorgetragen, dass in den Fällen, in denen die Kosten für einen zweiten Fahrer in Rechnung gestellt worden seien, auch das beschädigte Fahrzeug durch den zweiten Fahrer genutzt wurde. Das reicht für die Geltendmachung der Kosten im Rahmen des § 249 BGB aus, weil der Geschädigte grundsätzlich so zu stellen ist, als wenn der zum Ersatz verpflichtete Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 ZPO). Aus diesem Grunde sind auch die Zustell- und Abholkosten erstattungsfähig (vgl. auch OLG Köln NZV 2007, 199 ff.). Demgegenüber reicht der pauschale Vortrag der Beklagten, die Geschädigten seien auf diese Leistungen nicht angewiesen gewesen, für die Berücksichtigung als Einwand gemäß § 254 BGB nicht aus.
Darüber hinaus hat das Landgericht zwar auch im Ansatz gesehen, dass Nebenkosten zu erstatten sind, soweit sie tatsächlich angefallen und in Rechnung gestellt worden sind (vgl. OLG Köln NZV 2007, 199 ff.; OLG Köln NZV 2009, 447 ff.). Dies sieht die Klägerin selbst ebenso (vgl. Bl. 15 GA). Weder die Klägerin noch das Landgericht haben sich allerdings konkret damit befasst, in welcher Höhe Kosten tatsächlich abgerechnet wurden. Teils waren die tatsächlich abgerechneten Kosten nämlich niedriger als mit der Klage und gestützt auf den Schwacke-Automietpreisspiegel geltend gemacht.
Im Einzelnen sind dies folgende Kosten: (wird ausgeführt) …
Die tatsächlich berechneten Kosten belaufen sich (bei richtiger Berechnung) danach auf insgesamt 1.584,22 €, die geltend gemachten hingegen auf 1.948,00 €. so dass die zuerkannte Klageforderung um weitere 363,78 € zu reduzieren ist. Die begründete Klageforderung beträgt damit 6.070,45 € (6.434,23 € – 363,78 €).
Eine Verzinsung des der Klägerin danach zuzusprechenden Betrages von 6.070,45 € kommt, was der Senat gemäß § 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch ohne Rüge der Beklagten korrigieren darf, erst ab Rechtshängigkeit der Klage gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB in Betracht. Zum einen hat die Klägerin ihre mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf anderer Grundlage, nämlich gemäß dem Schwacke-Automietpreisspiegel völlig neu berechnet. Darüber hinaus befand sich die Beklagte mit der Erfüllung der von der Klägerin an sie weiter gereichten Mietwagenabrechnungen schon deshalb nicht gemäß § 286 Abs. 3 BGB nach Ablauf von jeweils 30 Tagen ab Zugang in Verzug, weil diese Vorschrift nur Entgeltforderungen erfasst, die bei richtlinienkonformer Auslegung (Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 „Zahlungsverzugsrichtlinie“) auf die Zahlung von Entgelt für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet sind. Zahlungsansprüche gegen Versicherungen (13. Erwägungsgrund der Zahlungsverzugsrichtlinie) sind hierin nicht einbezogen, auch Schadensersatzforderungen gehören nicht hierzu (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 69. Auflage 2010, § 286 Rn. 27 m. w. N.; OLG Köln NZV 2010, 144 ff.). Vor diesem Hintergrund bedurfte es der Mahnung oder eines dieser gleichgestellten oder sie ersetzenden Tatbestandes, um den Verzug der Beklagten zu begründen; derartige, den Verzugseintritt bereits vor der Klagezustellung herbeiführende Umstände sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Entscheidend kam es darauf an, ob die Beklagte mit konkreten Tatsachen aufgezeigt hat, dass sich die geltend gemachten Mängel des Schwacke-Automietpreisspiegels als Schätzungsgrundlage auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfange auswirken. Das sind Tatsachenfragen im Einzelfall.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 6.434,23 €,
Soweit das OLG Köln.