Der 13. Zivilsenat des OLG Hamm hat durch Beschluss über die sofortige Beschwerde der verklagten Haftpflichtversicherung gegen die Kostenentscheidung aus dem Urteil der 1. Zivilkammer des LG Essen vom 09.04.2008 (1 O 310/07) durch Beschluss vom 06.10.2008 auf Kosten der beklagten Versicherung zurückgewiesen (13 W 30/08).
Aus den Gründen:
Der Kläger war am 16.06.2007 in einen Verkehrsunfall verwickelt, den sein Unfallgegner, dessen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer die Beklagte ist, allein schuldhaft verursacht hatte. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Nach dem Unfallereignis ließ der Kläger sein beschädigtes Fahrzeug zunächst begutachten und sodann reparieren. Die vom Sachverständigen kalkulierten und vom Kläger für die Instandsetzung des Pkw aufgewendeten Reparaturkosten beliefen sich auf 16.384,09 €. Der Wiederbeschaffungswert des Fährzeugs betrug 13.235,29 €, der Restwert 8.699,00 €. Die Beklagte leistete vorprozessual am 16.07.2007 an den Kläger eine Zahlung in Höhe von 4.536,29 €, nachdem sie zuvor bereits einen Teilbetrag von 264,71 € gezahlt hatte. Die Erbringung weiterer Leistungen lehnte die Beklagte in dem Schreiben vom 07.09.2007 mit der Begründung ab, der Kläger könne zunächst lediglich den Wiederbeschaffungsaufwand ersetzt verlangen.
Es bestehe zwar grundsätzlich eine Bereitschaft zur Zahlung des rechnerisch korrekt ermittelten Differenzbetrages zwischen dem bereits jetzt gezahlten Betrag und den vollen Reparaturkosten. Diese hänge allerdings davon ab, dass das klägerische Integritätsinteresse durch eine Weiternutzung des Fahrzeugs über einen Zeitraum von wenigstens 6 Monaten nach Eintritt des Schadensfalles nachgewiesen werde. Da sich der Unfall am 16.06.2007 ereignet habe, sei frühestens am 16.12.2007 eine endgültige Schadensregulierung möglich. Bis zu diesem Zeitpunkt komme eine Regulierung über den bereit erstatteten Wiederbeschaffungsaufwand nicht in Betracht. Unter dem 05.11.2007 hat der Kläger Klage erhoben. Die Beklagte hat sich gegen die Klage unter Bezugnahme auf ihre bereits vorprozessual vertretene Rechtsauffassung verteidigt. Insbesondere hat sie darauf hingewiesen, dass die geltend gemachte Klageforderung, die zwar rechnerisch richtig sei, aber noch nicht fällig sei. Am 24.01.2008 hat die Beklagte an den Kläger auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch weiteren Betrag in Höhe von 11.583,09 € gezahlt. Der Kläger hat daraufhin die Klage in Höhe von 264,71 € zurückgenommen und den Rechtsstreit im Übrigen in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung mit Ausnahme der vom Kläger beanspruchten Zinsen und der geltend gemachten Freistellung hinsichtlich der vorgerichtlich angefallenen Anwaltsgebühren angeschlossen. Das Landgericht Essen hat mit Urteil vom 09.04.2008 die Kosten des Rechtsstreits insgesamt der Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Auferlegung der Kosten auf die Beklagte dem billigem Ermessen entspreche, da diese ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach unterlegen gewesen wäre. Die Klage auf Ersatz der den Wiederbeschaffungswert übersteigenden Reparaturkostenbetrag entsprechend der Fa. Mercedes L. AG sei im Zeitpunkt der entsprechenden Zahlung begründet gewesen. Für die Beklagte habe keine Berechtigung bestanden, den vollständigen Ausgleich der Forderung über den Zeitraum von 6 Monaten abhängig zu machen. Der Kläger hat durch die Durchführung der Reparatur gezeigt, dass er das Fahrzeug weiterhin auch über einen Zeitraum von 6 Monaten weiter nutzen will. Nach Durchführung der Reparatur habe der Kläger Anspruch auf volle Erstattung der entstandenen Reparaturkosten gehabt. Schon durch die Beauftragung der ordnungsgemäßen Reparatur, deren Durchführung, der Bezahlung der Reparaturrechnung und durch die sich daran anschließende Weiterbenutzung hat der Kläger sein Integritätsinteresse, auf welches abzustellen sei, hinreichend zum Ausdruck gebracht.
Gegen diese Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie vertritt weiterhin die bereits vorgerichtlich und aber auch im Rechtsstreit geäußerte Rechtsauffassung, dass der Kläger bis zum Ablauf der 6-Monats-Frist sein Integritätsinteresse nicht nachgewiesen habe, so dass die Klage der Abweisung habe unterfallen müssen. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, bleibt in der Sache allerdings ohne Erfolg. Die Kostenentscheidung des Landgerichtes Essen vom 09.04.2008 ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass hinsichtlich des für erledigt erklärten Teiles der Klage die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen der Beklagten aufzuerlegen waren, weil diese den Rechtsstreit ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses verloren hätte. Dabei kommt es auf die Frage, ob der Kläger bereits vor Ablauf der 6-Monats-Frist sein Integritätsinteresse durch die Beauftragung und Bezahlung der vollständig und fachgerecht ausgeführten Reparatur belegt hat, nicht an. Der Senat folgt insoweit der Auffassung, dass die vom BGH geforderte Nutzungsdauer von 6 Monaten ab dem Unfallgeschehen lediglich ein Beweisanzeichen für die Weiternutzungsabsicht des Geschädigten ist, nicht aber eine Fälligkeitsvoraussetzung für den klägerischen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten inklusive der lntegritätsspitze darstellt. Eine andere Bewertung ließe sich weder mit den allgemeinen Grundsatz des Schadensrechtes in Übereinstimmung bringen, noch kann sie aus den Entscheidungen des BGH vom 23.05.2006 und 13.11.2007 hergeleitet werden. Zu berücksichtigen ist aber, dass nach der Rechtsprechung des BGH im Falle der Weiternutzung des verunfallten Fahrzeuges der Restwert lediglich einen hypothetischen Rechnungsposten darstellt, der sich in der Schadensbilanz nicht niederschlagen darf, wenn und solange der Geschädigte ihn nicht realisiert (BGH, Urteil vom 23.05.2005 –VI ZR 192/05-). Unter Zugrundelegung dessen ist der klägerische Anspruch auf Ersatz der vollen Reparaturkosten inklusive der lntegritätsspitze bereits mit Durchführung und Bezahlung der Reparatur fällig geworden (vgl. Kiel, Urteil vom 03.04.2008 -10 S 65/07-; LG Bonn Urteil vom 07.11. 2007 -1 0 214/07; Elsner, jurisPR-VerkR l/2007 Anm. 6). Der Kläger war auch nicht daran gehindert, die Klageforderung bereits vor Ablauf der 6-Monats-Frist gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Es hätte sich für ihn allenfalls die Verpflichtung ergeben können, den über den Wiederbeschaffungswert hinausgehenden Betrag an die Beklagte zurückzuzahlen, wenn er das Fahrzeug letztlich doch weniger als 6 Monate gehalten hätte, weil dann ab dem Zeitpunkt der vorzeitigen Veräußerung sein Integritätsinteresse nicht mehr feststellbar gewesen wäre und deswegen der Restwert des Pkw bei der Schadensbilanz doch noch konkret hätte eingestellt werden müssen…..
Dass vorliegend auf Seiten des Klägers von vornherein ein lntegritätsinteresse bestand, steht fest, nachdem dieser sein repariertes Fahrzeug über einen Zeitraum von 6 Monaten nach dem Unfallgeschehen hinaus genutzt hat. Dass der Kläger dieses Integritätsinteresse nicht schon bei Klageerhebung ausreichend hat nachweisen können, ist nicht von BeIang. Eine zeitweise Beweisnot der klagenden Partei steht der Fälligkeit eines begründeten Anspruchs nämlich nicht entgegen (vgl. OLG Nürnberg DAR 2008, 27 f). Nach alledem war der klägerische Anspruch auf Ersatz der vollen Reparaturkosten schon zum Zeitpunkt der Klageerhebung begründet und fällig.
So die überzeugenden Ausführungen des 13. Zivilsenates des OLG Hamm.
Solche klaren Entscheidungen kann es nicht genug geben. Mehr davon, Willi Wacker!