AG Hannover entscheidet zur Nachbesichtigung (Urteil vom 10.12.2010 -408 C 5293/10-).

Hier noch ein Urteil zur „Nachbesichtigung“ durch den Versicherer.
Grundsätzlich wurde vom Gericht eine Nachbesichtigung verneint. Das VVG gibt keine Anspruchsgrundlage.

Amtsgericht
Hannover

Geschäfts-Nr.:
408 C 5293/10

Im Namen des Volkes
Schluss-Urteil
In dem Rechtsstreit

des Herrn

Kläger

gegen

Beklagte

hat das Amtsgericht Hannover im Verfahren gem. § 495 a ZPO am 10.12.2010 durch den Richter am Amtsgericht …

für Recht erkannt:

1.) Die Beklagte wird über das Teil-Anerkenntnisurteil vom 28.10.2010 hinaus verurteilt, Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.090,94 € seit dem 22.11.2009 zu zahlen sowie vorgerichtliche Kosten von 272,87 €.

2.) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den dem Kläger weiter entstehenden Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 22.11.2009 zu ersetzen.

3.) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5.) Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt: bis zum 28.10.2010 auf 2.500,00 €, danach auf „bis 600,00 €‘.

Von der Darstellung des

Tatbestandes

wird gemäß § 313 a ZPO Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist auch über das Teil-Anerkenntnis hinaus begründet. Der Kläger hat seinen Schaden anhand des Gutachtens … vom 25.11.2009 plausibel und nachvollziehbar dargelegt, was nicht zuletzt aus dem Gutachten … vom 04.10.2010 folgt, das ja auch ohne Nachbesichtigung des klägerischen Citroen Xantia … zu denselben Ergebnissen gelangte.

Die Zinsen und Kosten des Rechtsstreits muss die Beklagte tragen, weil sie Anlass zur Klage gegeben hat. Unstreitig ist zwar, dass der Kläger dem Ansinnen der Beklagten, ihr das Fahrzeug zur Inaugenscheinnahme vorzustellen, damit sie einen ihrer Haussachverständigen mit der Prüfung der am klägerischen Fahrzeug vorhandenen Schäden auf deren Kompatibilität mit dem Unfallhergang überprüfen lassen könne, nicht entsprochen hat. Dem allerdings musste der Kläger auch nicht entsprechen.

Nach 119 Abs. 3 VVG n. F. hatte die Beklagte zwar das Recht, vom Kläger Auskunft zu verlangen, soweit dies zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich war. Der Kläger war danach zur Vorlegung von Belegen nur insoweit verpflichtet, als ihm die Beschaffung billigerweise zugemutet werden könnte. Bereits nach dem Gesetzestext schuldete der Kläger daher allenfalls die Vorlegung von Belegen und nicht etwa die Vorstellung des Fahrzeugs zu einer Besichtigung durch Beauftragte der Beklagten. Es ist zwar zutreffend, dass eine solche Verfahrensweise einen unfallgeschädigten Kraftfahrzeugeigentümer in der Regel nicht über Gebühr belasten dürfte, andererseits ist eine solche Verpflichtung vom Gesetzestext nicht gedeckt und schuldet der Geschädigte auch keine Begründung dafür, warum er davon absehen will, zumal dass Risiko, dass er in einem möglicherweise folgenden Zivilprozess seinen Schaden nicht gerichtsfest belegen kann, ohnehin bei ihm verbleibt. Im vorliegenden Fall ist es so gewesen, dass der Kläger der Beklagten ein mit Lichtbildern des Fahrzeugs und aller daran festgestellten Schäden versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen überlassen hat, in welchem nicht nur die Schäden beschrieben sind, sondern auch deren genaue Lage am Fahrzeug und ihr Umfang, ferner die zur Beseitigung erforderlichen Arbeiten.

Die Überlassung eines beschädigten Gegenstandes zu Prüfungszwecken ist etwas grundsätzlich anderes als die Vorlegung von Belegen. Bereits insoweit macht das Gesetz allerdings Einschränkungen, indem diese Pflicht ihre Grenze an der Zumutbarkeit findet.

Ein von der Beklagten mit der Prüfung des von dem Kläger vorgelegten Gutachten befasster „Haussachverständiger“ hätte nach Auffassung des Gerichts im Wesentlichen die Feststellungen treffen können, die auch der gerichtlich beauftragte Sachverständige getroffen hat.

Durch die Zahlung nach Vorliegen des Gutachtens … hat sich die Beklagte freiwillig in die unterlegene Position begeben, obwohl sie offenbar nach wie vor, nämlich mit Schriftsatz vom 16.11.2010 (Bl. 88 der Akte) der Auffassung ist, „Aus diesem Grund war die Nachbesichtigung zwingend erforderlich, da entsprechender ausreichender Reparaturnachweis bisher nicht vorgelegt worden ist“.

Da auch der Gutachter … keine Nachbesichtigung vorgenommen hat, „…Auf’eine Besichtigung des hier in Rede stehenden Pkw Citroen Xantia des Klägers wurde verzichtet, da dieses gem. Akteninhalt zwischenzeitlich vollständig repariert wurde. Die Beurteilung der dokumentierten Schäden im Heckbereich des Fahrzeugs erfolgte daher anhand der vom Sachverständigen … im Rahmen der Fahrzeugbesichtigung angefertigten Lichtbilder…“ hätte die Beklagte schon deutlich früher zahlen können und müssen, wenn ihr “Haussachverständiger“ so verfahren wäre, wie Monate später der Gutachter …

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 286, 288, 291, 247, 849 BGB, 91, 708 Nr. 11, 711, 7.13 ZPO.

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Eine Antwort zu AG Hannover entscheidet zur Nachbesichtigung (Urteil vom 10.12.2010 -408 C 5293/10-).

  1. RA Alexander Jaeger sagt:

    Das Urteil des Amtsgerichts Hannover halte ich im Ergebnis für zutreffend. Die Auslegung des § 119 VVG überzeugt ebenfalls. Das Gericht übersieht jedoch, dass sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Befugnis des Versicherers den Schaden zu überprüfen direkt aus dem gesetzlichen Schuldbeitritt (§ 115 VVG; § 3 PflVG a. F.) ableiten lässt (vgl. BGH, VersR, 1984, 79, 80 = zfs 1984, 83). Da aber offenbar keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens vorlagen, konnte das Amtsgericht nicht anders entscheiden. Weitergehende Überlegungen zum Besichtigungsrecht des Kfz-Haftpflichtversicherers habe ich in einem Aufsatz angestellt, der gerade im ersten Heft der Zeitschrift Versicherungsrecht (VersR 2011, S. 50 ff.) erschienen ist.

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