Mit Datum vom 23.09.2010 (7 O 535/10) hat das LG Chemnitz die Concordia Versicherungs-Gesellschaft aG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 858,90 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht hält im konkreten Fall die Anmietung zu einem Unfallersatztarif für gerechtfertigt, die Fraunhofer Liste wird abgelehnt. Weiter spricht das Gericht die Kosten einer anwaltlichen Einholung einer Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung zu.
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Landgericht Chemnitz ist sachlich gem. § 72 I i.V.m. § 23 GVG zuständig.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichtes folgt aus § 32 ZPO.
Die Kammer entscheidet durch den originären Einzelrichter gem. § 348 I Satz 1 ZPO.
Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
1. Dem Kläger stehen weitere Schadensersatzansprüche in Höhe von EUR 856,90 im Hinblick auf die aufgewendeten Mietwagenkosten zu.
Der Geschädigte kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer den erforderlichen Herstellungsaufwand gem. § 249 BGB ersetzt verlangen. Im Hinblick auf die Mietwagenkosten betrifft dies diejenigen Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei „nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann.“ (BGH VI ZR 117/05),
Bei der Bemessung des notwendigen Aufwands ist, auch dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf die besondere Situation des Unfallgeschädigten abzustellen, so dass sich ein etwaiger Schematismus in der Beurteilung des Sachverhaltes verbietet.
a) Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte noch am Unfalltag ein Ersatzfahrzeug benötigte. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtes, dass in einer solchen Situation der Geschädigte auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Schadensgeringhaltung oder des Wirtschaftlichkeitsgebotes gehalten ist, sich nach der Marktgerechtigkeit des ihm angebotenen Tarifes zu erkundigen. Etwas anderes mag dann gelten, wenn dem Geschädigten bereits aus einem vorangegangenen Unfall vergleichbare Mietpreise bekannt sind oder aber ihm aufgrund der Höhe des Tarifes Zweifel an der Marktgerechtigkeit kommen müssen.
Liegen diese Ausnahmefälle, für die der Schädiger darlegungs- und beweisbelastet ist, nicht vor, so darf der Geschädigte, der sich plötzlich und unerwartet und unverschuldet der für ihn wichtigen Mobilität beraubt sieht, berechtigterweise im Vertrauen auf die Seriosität seines Vertragspartners (hier des von ihm ständig in Anspruch genommenen Autohauses) für einen bestimmten Übergangszeitraum ohne Erkundigung nach vergleichbaren Angeboten zu dem angebotenen Tarif anmieten.
Diese besondere Notsituation des Geschädigten dauert dabei im Normalfall nicht länger als 3 Tage an.
Für einen Zeitraum von 3 Tagen kann der Kläger Mietwagenkosten nach dem geltend gemachten Tarif verlangen.
b) Für den Zeitraum ab dem xx.xx.2010 trifft den Kläger grundsätzlich eine Erkundigungspflicht nach der Marktgerechtigkeit des angebotenen Preises. Tut er dies nicht, verstößt er gegen seine Verpflichtung zur Schadenegeringhaltung und ist, soweit ihm ein anderer Tarif auf dem örtlich relevanten Markt zugänglich gewesen wäre, auf diesen zu verweisen.
Der Kläger hat sich vorliegend nicht erkundigt: diese fehlende Erkundigung ist jedoch nach Überzeugung des Gerichtes nicht schadensursächlich geworden. Selbst wenn der Kläger sich im Internet nach vergleichbaren Angeboten im näheren Umkreis erkundigt hätte, so hätte er ohne Weiteres festgestellt, dass freie Autovermietungen im näheren Umkreis nicht existieren. Unbestritten hat der Kläger vorgetragen, dass der einzige Anbieter derjenige ist, der letztlich das Fahrzeug an sein Autohaus vermittelt hat. Existieren jedoch am örtlich relevanten Markt – auf den der BGH zutreffenderweise in regelmäßiger Rechtssprechung abstellt – kein anderweiten Vermieter, so wird die unterlassene Erkundigung des Klägers in keinster Weise ursächlich im Hinblick auf die Höhe der Mietwagenkosten.
Die Beklagten können in diesem Zusammenhang auch nicht auf das Gutachten des Fraunhofer Institutes abstellen. Wie bereits in der mündlichen Verhandlung vom xx.xx.2010 dargestellt ist das Gericht der Auffassung, dass das Gutachten nicht verwertbar ist. Während nämlich der Bundesgerichtshof etwa darauf abstellt, dass hinsichtlich der Marktüblichkeit der angebotenen Preise auf den örtlich relevanten Markt abzustellen ist, weshalb es für die Frage der Preisfeststellung nicht auf den Wohnort des Geschädigten, sondern auf den Ort ankommt, an dem dor Anmietbedarf entsteht, enthält das Gutachten des Fraunhofer Institutes ein dermaßen großes Erhebungsraster, dass letztlich nicht feststellbar ist, ob auf dem für den Geschädigten relevanten Markt – hier vorliegend der Großraum ……. – tatsächlich zu den im Gutachten angegebenen Preisen ein Ersatzfahrzeug hätte angemietet werden können. Wie sich aus der einschlägigen Internetrecherche vielmehr ergibt, existiert ein anderer Anbieter als der vom Kläger in Anspruch genommene in diesem Raum nicht.
Der Erstattungsanspruch des Klägers ist auch nicht im Hinblick auf die Wiederbeschaffungsdauer lt. Gutachten zu kürzen. Der Kläger hat das Ersatzfahrzeug für 12 Kalenderlage angemietet; der Gutachter hat eine Wiederbeschaffungsdauer von 10 Werktagen ermittelt.
Auch die in Rechnung gestellten Winterräder sind erstattungsfähig. Der Kläger hat im geltend gemachten Zeitraum und in der Region, in der er wohnhaft ist und mit seinem Fahrzeug unterwegs ist, einen Anspruch auf Ausstattung des Fahrzeuges mit Winterrädern. Wenn die Autovermietung für die Umrüstung auf Winterräder einen Zuschlag erhebt, handelt es sich jedenfalls um erstattungsfähige Aufwendungen des Geschädigten.
c) Ein Abzug für ersparte Eigenkosten findet nicht statt; der Kläger hat unbestritten vorgetragen, dass das verunfallte Fahrzeug in die Mietwagenklasse 5 einzugruppieren sei, während ihm Kosten nur für ein Fahrzeug der Klasse 4 in Rechnung gestellt wurden.
Dem Kläger stehen damit die restlichen Mietwagenkosten in Höhe von EUR 858,90 zu.
2. Die Kosten für den Tankservice und Zulassungsservice in Höhe von EUR 20,51 sind nicht erstattungsfähig. Die Beklagten verweisen zu Recht darauf, dass unter Zugrundelegung der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes es sich um Auwendungen handelt, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten nicht aufgewendet hätte.
Im Umfang von EUR 20,51 war die Klage deshalb abzuweisen.
3. Dem Kläger stehen weitere Rechtsanwaltskosten für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von EUR 28,62 zu. Die Kürzung der Beklagten resultiert aus dem Umstand, dass diese einer geringeren Gegenstandswert zugrunde gelegt hat. Unter Berücksichtigung der dem Kläger Anstehenden berechtigten Schadensersatzansprüche von über EUR 7.000.00 ist die Gebührenabrechnung der klägerischen Prozessbevollmächtign nicht zu beanstanden; dem Kläger waren deshalb weitere EUR 28,62 zuzusprechen.
Die Kosten der Deckungszusage sind nach Auffassung des Gerichtes ebenfalls erstattungsfähig.
Zum einen sind vorliegend die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Hierzu gehört, dass der Beklagte zu 1) keine Angaben zur Haftpflichtversicherung machte und die ursprünglich vom Zentralruf der Autoversicherer angegebene Haftpflichtversicherung mitteilte, dass der Vertrag gekündigt sei. Auch die dann letztlich mit einer Verzögerung von 5 Wochen ermittelte richtige Haftpflichtversicherung war offensichtlich nicht geneigt, den bislang von Ihrem Versicherungsnehmer verursachten Verzug in der Regulierung der berechtigten Schadensersateansprüche des Klägers durch zügige Bearbeitung zu reduzieren. Wenn der Kläger in dieser Situation zur Sicherung der Kosten einer gerichtlichen Inanspruchnahme eine Deckungszusage seine Rechtsschutzversicherung einholt, handelt es sich um zweckentsprechende Maßnahmen der Rechtsverfolgung, die, unabhängig davon, ob die Beklagten zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Regulierung in Verzug waren oder nicht, jedenfalls erstattungsfähig sind (siehe zur Erstattungsfählgksit im Falle des Verzuges Landgericht Berlin 42 O 162/09). Insoweit die Beklagten erstmals mit Schriftsatz vom 19.08.2010 bestritten haben, dass die Deckungszusage erst im Zusammenhang mit der Klagerhebung eingeholt wurde, ist dieser Vortrag verspätet. Der Kläger hat bereite mit Schriftsatz vom xx.xx.2010 vorgetragen, dass die Einholung der Deckungszusage erst im Zusammenhang mit der beabsichtigten Klagerhebung erfolgt sei. Der verspätete Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom xx.xx.2010 war im Hinblick auf § 296 I ZPO nicht zuzulassen, da, insoweit es auf die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Einholung der Deckungszusage etwa auf den Verzug des Haftpflichtversicherers mit der Regulierung ankäme, eine Beweisaufnahme erforderlich wäre. Diese wurde jedoch den im Übrigen entscheidungsreifen Rechtsstreit verzögern, ohne dass seitens der Beklagten dargetan ist, wieso sie erst 4 Monate nach Zugang des Schreibens vom xx.xx.2010 den Sachvortrag des Klägers bestritten haben.
4. Der Kläger kann darüber hinaus aus dem regulierten Betrag in Höhe von EUR 6.966,85 Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. §§ 288 I,291 BGB für den Zeitraum xx.xx. – xx.xx.2010 verlangen.
Hinsichtlich des Resthauptbetrages steht dem Kläger der Zinsanspruch gem. § 288 l BGB ab dem xx.xx.2010 zu.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 II ZPO. Das Unterliegen des Klägers ist mit EUR 20,51 so geringfügig, dass es quotal nicht ins Gewicht fällt und die Kosten des Verfahrens damit den Beklagten als Gesamtschuldner aufzuerlegen waren.
Soweit das LG Chemnitz.
Und schon wieder ein Landgericht, das die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung zur Zahlung der Rechtschutzanfragekosten verurteilt. Nach meiner Liste liegen damit bereits 14 Landgerichtsurteile und 17 Amtsgerichturteile vor. Das LG Chemnitz sieht im obigen Fall die Rechtschutzanfragekosten sogar als adäquat kausale Schadensersatzforderung an.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker