AG Wesel verurteilt beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Urteil vom 28.09.2010 (4 C 164/10) hat das AG Wesel die beteiligte Versicherung  zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 971,76 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht legt den Normaltarif der Schwacke-Liste zugrunde und lehnt die Anwendung der Fraunhofer Tabelle ab.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist weit überwiegend begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz gemäß den §§ 7 Abs. 1.17 Abs. 1.18 StVG, 115 VVG, 398 BGB in Höhe von 971,76 €.

Die Klägerin ist zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs aufgrund der erfolgten Abtretung aktivlegitimiert.

Gemäß § 249 Abs 2 Satz 1 BGB kann die Klägerin von der Beklagten die Mietwagenkosten als „erforderlichen Herstellungsaufwand“ ersetzt verlangen.

Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. u.a. BGH, NJW 2006, 2621, BGH NJW 2007, 1122 ff.) kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. von dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Dabei kann der Geschädigte grundsätzlich von mehreren auf dem ortlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen. Dies entspricht dem Wirtschaftlichkeitsgebot, das der Geschädigte auch bei anderen Kosten der Wiederherstellung und in Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst vornimmt, im Rahmen des Zumutbaren beachten muss. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es zulässig, zur Bestimmung des zur Schadensbeseitigung objektiv erforderlichen Tarifs in Ausübung tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf das gewichtete Mittel des „Schwacke-Automietpreis-Spiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädiglen zurückzugreifen (BGH, Urteil vom 09.05.2006, VI ZR 117/05,   juris. Rn 9; vgl. auch den Beschluss des 5. Senats vom 13.01.2009, VI ZR 134/08).

Im vorliegenden Fall hält das Gericht die Ausgabe 2006 des Schwacke-Automietpreis-Spiegels (vgl. Bl. 10 d. A. ) für eine geeignete Schätzungsgrundlage im Sinne des § 287 ZPO. Dies gilt auch unter Berücksichtigung, dass die Geschädigte den Wagen der Klägerin im Jahr 2009 mietete Aufgrund der fortschreitenden Preisentwicklung kann sich dies rechnerisch nur zu Gunsten der Beklagten auswirken.

Die von der Beklagten gegen die Anwendbarkeit des Schwacke-Automietpreis-Spiegels erhobenen allgemeinen Bedenken teilt das Gericht nicht. So ist die Annahme, der Mietpreisspiegel enthalte enorme Preissteigerungen, die auf unredliches Verhalten der Mietwagenunternehmen zurück zu führen seien, nicht nachvollziehbar. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2008, 1519; NJW 2009, 58) ist es nicht Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzungsgrundlage nachzugehen. Einwendungen gegen die Grundlage der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Tabellen wie der Schwacke-Liste, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, das sich geltend gemachte Mängel auf den zu entscheidenden Fall ausgewirkt haben. Dies ist hier nicht der Fall. Die Beklagte behauptet lediglich allgemein, dass die befragten Autovermieter bewusst höhere Preise genannt und so eine von Schwacke nicht überprüfte Preisanhebung veranlasst hatten. Dass andere Erhebungen zu anderen Ergebnissen als der Schwacke-Automietpreis-Spiegel gelangt sein mögen, genügt nicht, um Zweifel an der Richtigkeit der Schwacke-Liste zu rechtfertigen.

Soweit die Beklagte die Studie des Fraunhofer-Instituts anführt, ist nicht ersichtlich, dass die von den Versicherern in Auftrag gegebene Untersuchung auf überzeugendere Weise zu verlässlicheren Schätzungsgrundlagen gekommen ist (so auch OLG Köln, Beschluss vom 12 05.2009 – 11 U 219/08, LG Bonn, Beschluss vom 21.01.2010 – 8 S 274/09; LG Bonn NZV2010, 245, 246 f; LG Köln, Urteil vom 25.05.2009 – 20 O 108/09). Dies gilt v.a. angesichts des Umstands, dass der Untersuchung des Fraunhofer-Instituts 2 Ziffern der Postleitzahl zugrunde liegen. während die Erhebungen von Schwacke auf 3 Postleitziffern beruhen und damit breiter gestreut sind. Zudem basiert die Studie des Fraunhofer-Instituts zum weit überwiegenden Teil auf den Angaben von lediglich 6 Internetanbietern. Bei der Statistik des Fraunhofer Instituts wurde darüber hinaus eine Vorbuchungsfrist von 1 Woche unterstellt. Da längere Vorbuchungsfristen bei Unfallersatzwagen eher selten sein dürften, erscheint es sachgerechter bei der Preisnachfrage auf Preise abzustellen, die bei einer sofortigen Anmietung zu zahlen wären.

Die Bestimmung des objektiv erforderlichen Tarifs kann offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war Denn dann war ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht möglich (vgl. LG Bonn, NVZ 2010, 245, 246) Darüber hinaus muss der objektiv erforderliche Tarif nicht bestimmt werden, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zu einem solchen Tarif nach den konkreten Umständen nicht möglich war, da ein solcher Tarif eben nicht zugänglich war. Beide dieser Fälle liegen hier nicht vor. Auf einen objektiv nicht erforderlichen Tarif im Sinne der letzten Variante beruft sich die Klägerin nicht. Für die Zugänglichkeit eines niedrigeren Tarifs im Sinne der ersten Variante und damit für das Mitverschulden der Geschädigten, das der Klägerin zuzurechnen wäre, fehlt es an hinreichend einzelfallbezogenem Vortrag der Beklagten.

Die Geschädigte hat vorliegend nicht gegen ihre Pflicht zur Schadensminderung verstoßen, da sie ein Auto zum Unfallersatztarif gemietet hat, das gegenüber dem „Normaltarif“, der sich aus der Schwacke-Liste 2006 ergibt, teurer ist.

Der pauschale Zuschlag in Höhe von 20 % rechtfertigt sich daraus, dass bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen wegen vermehrter Beratungs- und Serviceleistungen, erhöhten Verwaltungsaufwands und Zinsverlusten aufgrund längerer Zahlungsfristen ein Aufschlag auf den Normaltarif geboten ist.

Die geltend gemachten Nebenkosten sind nicht zu beanstanden. Sie sind nicht konkret abzurechnen, sondern auf der Basis der Nebenkostentabelle zum Schwacke-Automietpreis-Spiegel zu ermitteln. Das Gericht ist der Auffassung, dass es nicht gerechtfertigt wäre, die Klägerin einerseits auf eine Abrechnung zu dem geringeren Normaltarif nach dem Schwacke-Automietpreis-Spiegel zu verweisen. andererseits aber anfallende Kosten fürZusatzleistungen nicht zu berücksichtigen

Soweit die Klägerin Kosten für die Haftungsbefreiung für die Dauer der Anmietung geltend macht, sind diese erstattungsfahig. Dies gilt unabhängig davon, ob das beschädigte Fahrzeug entsprechend versichert war oder nicht Denn der durch einen Unfall Geschädigte ist während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt (BGH, Urteil vom 12.02.2005 – VI ZR 74/04). Er hat regelmäßig ein schutzwürdiges Interesse daran, für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht selbst aufkommen 2u müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit höherwertiger sind als die beschädigten Fahrzeuge (OLG Köln, Urteil vom 18 03.2008 – 15 U 145/07. juris Rn 40).

Die Klägerin kann darüber hinaus den Aufpreis für Zusatzfahrer von der Beklagten ersetzt verlangen. Diese Kosten sind erforderlich im Sinne des § 249 Abs 2 BGB. Soweit die Beklagte bestreitet, dass der beschädigte Wagen von mehreren Mitarbeitern der Geschädigten gefahren wurde, ist ihr Vortrag nicht ausreichend Im Übrigen ist ihr Vortrag unerheblich.

Schließlich sind die Kosten für Zustellung und Abholung des Mietwagens der Klägerin zu erstatten. Es war der Geschädigten nicht zuzumuten, Zeit für eine umständliche Ermittlung anderer Fahrtmöglichkeiten aufzuwenden bzw. in die Eigenbeschaffung eines Mietfahrzeuges zu investieren und dafür finanziell in Vorleistung zu treten, um hierdurch die Kosten nur unwesentlich zu verringern

Das Gericht kommt gemäß § 287 ZPO zu dem Ergebnis, dass die Klageforderung von dem erstattungsfähigen Aufwand für den Mietwagen umfasst ist.

Ausgehend vom Normaltarif des Schwacke-Automietpreis-Spiegels 2006 beträgt der Modus, d.h. das gewlchtete Mittel, bei der Anmietung eines Fahrzeugs der Klasse A für eine Woche 477,00 € für das Postleitzahlgebiet 453. Da die Geschädigte ausweislich der Rechnung (Bl. 9 d. A.) den Wagen für 14 Tage gemietet hat (vom 08.10.2009 bis zum 21.10.2009) geht das Gericht für den Mietzeitraum von einem Betrag in Höhe von 954,00 € aus. Zuzüglich eines Aufschlags von 20 % kommt das Gericht zu einem Gesamtbetrag in Höhe von 1.144.80 €. Von diesem Betrag subtrahiert das Gericht 10 % wegen ersparter Eigenaufwendungen der Geschädigten und gelangt so zu einem Betrag in Höhe von 1.030,32 €. Ausgehend von diesem Betrag addiert das Gericht erstartungsfähige Nebenkosten in Höhe von insgesamt ca. 475,70 € (ca. 211. 76 € Haftungsbefreiung +  ca. 176,54 € Aufpreis für Zusatzfahrer + ca. 87,40 (= Zustellung und Abholung) und kommt zu einem Gesamtbetrag von 1.506,02 €. Diese Summe abzüglich bereits von der Beklagten gezahlter 417,76 € ergibt einen Endbetrag in Höhe von 1.088.26 €. Die Klageforderung in Höhe von 971,76 € wird von diesem Betrag umfasst.

II.

Die Zinsforderung ergibt sich aus den §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 3 ZPO. Zwar ist das Zugangsdatum der Rechnung nicht vorgetragen worden Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Rechnung vom 22.10.2010. auf die die Beklagte bereits einen Teilbetrag geleistet hat, ihr jedenfalls nach 3 Wochen zugegangen ist. Sie befand sich demnach seit dem 12.12.2009 in Verzug.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs 2 Nr 1, 708 Nr. 11. 711 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Soweit das AG Wesel.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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