…und weil das Ruhrgebiet so viel zu bieten hat, stelle ich noch ein Urteil aus Duisburg ein. Es geht, wie soll es anders sein, wieder um restliche Sachverständigenkosten. Die zum Schadensersatz verpflichtete Kfz.-Haftpflichtversicherung ist, wie soll es anders sein, wieder die HUK-Coburg. Wann lernen die Verantwortlichen in Coburg denn endlich, dass die Sachverständigenkosten als Schadensposition des Geschädigten zum erforderlichen Wiederherstellungsaufwand gehören, und zwar in der geltend gemachten Höhe, da der Geschädigte die Höhe der Kosten selbst nicht beeinflussen kann (BGHZ 115, 364, 369; BGHZ 160, 377ff; BGH DS 2006, 193; Wortmann DS 2010, 102 ff.)? Wenn die HUK-Coburg meint, die Sachverständigenkosten seien überhöht, dann muss sie sich den eventuellen Bereicherungsanspruch gemäß § 812 BGB abtreten lassen, und dann im Wege des Regresses direkt gegen den Sachverständigen vorgehen, wobei dann allerdings die Darlegungs- und Beweislast den Versicherer trifft. Auch das unsubstantiierte Bestreiten der Aktivlegitimation ist mehr als bedenklich. Zunächst zahlt die HUK-Coburg an den Geschädigten wie an einen Eigentümer und im Prozess bestreitet sie seine Eigentümerstellung. Das Gericht hat zu Recht das Verhalten als widersprüchlich bezeichnet. Lest selbst und schreibt Eure Meinung.
AMTSGERICHT DUISBURG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
35 C 1990/10
In dem Rechtsstreit
des Herrn … ,
Klägers,
gegen
1. Frau … ,
2. HUK Coburg Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand, Friedrich- Wilhelmstr. 18, 47303 Duisburg,
Beklagten,
hat das Amtsgericht Duisburg
im vereinfachten schriftlichen Verfahren nach Sachlage am 4.10.2010
durch die Richterin am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 287,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.2.2010 zu zahlen.
Die Beklagten werden weiter verurteilt, als Gesamtschuldner den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit in Höhe von 30,94 Euro freizustellen. Wegen des weitergehenden Freistellungsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen
Auf die Abfassung des Tatbestandes wurde gemäß § 313 a ZPO verzichtet.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Die Klage ist bis auf einen geringfügigen Teil betreffend den geltend gemachten Freistellungsanspruch begründet.
I. Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung von restlichem Schadensersatz in Höhe von 287,49 Euro aus §§ 7 I, 18 StVG, 115 VVG, 249, 426, 421 BGB.
Die 100 % ige Haftung der Beklagten aus dem Verkehrsunfallereignis vom 1.2.2010 auf der Jägerstraße 93 a, Duisburg, ist in Bezug auf den Haftungsgrund unstreitig.
Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagten hätten auf die Kosten für die Erstellung eines privaten Sachverständigengutachtens (Rechnung des Ingenieurbüros für Kraftfahrzeugtechnik … vom 4.2.2010 über 462,99 Euro brutto) 287,49 Eur zu wenig gezahlt, ist sein Anliegen in vollem Umfang berechtigt, mit der Folge, dass die Beklagten, gesamtschuldnerisch haftend, auch zur Zahlung des Restbetrags in der eingeklagten Höhe verpflichtet sind.
a) Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger aktiv legitimiert ist. Das Bestreiten seiner Eigentümerstellung durch die Beklagten im jetzigen Verfahren ist vor dem Hintergrund, dass sie vorgerichtlich Teilregulierungen auf verschiedene Schadensposten, auch die geltend gemachten Gutachterkosten, vorgenommen haben, ohne das Eigentum anzuzweifeln und vor dem Hintergrund, dass Gründe für die nunmehr erhobenen Zweifel nicht vorgetragen werden, widersprüchlich und damit unbeachtlich. Im Übrigen erfasst der Schutzbereich des § 7 I StVG auch die Rechtsgüter des rechtmäßigen Besitzers. Der Kläger ist unstreitig Besitzer und hat als solcher, als der in seinem Nutzungsrecht beeinträchtigte Besitzer, das Gutachten in seinem Namen in Auftrag gegeben. Die Forderung des Gutachters nach vollständigem Ausgleich seiner Rechnung belastete damit unmittelbar sein Vermögen.
Der Kläger ist auch Inhaber der betreffenden Forderung. Die Vereinbarung, wonach er sämtliche Ansprüche aus dem Unfall zunächst an den Sachverständigen … abgetreten hatte (Vereinbarung vom 4.2.2010 ), war hinfällig, nachdem der Sachverständige bestätigt hat, dass er den gekürzten Betrag in Höhe der Klageforderung vom Kläger erhalten hat (Schreiben vom 17.8.2010). In der Bestätigung liegt zugleich die konkludente Rückabtretung des Anspruchs auf Zahlung des restlichen Sachverständigenhonorars, da mit der Zahlung des Restbetrags an den Sachverständigen der Sicherungszweck erfüllt war.
b) Die Höhe des insgesamt geforderten Sachverständigenhonorars ist üblich und angemessen, § 249 BGB.
Der Schädiger ist zur Erstattung des Sachverständigenhonorars gehalten, soweit dieser einen Sachverständigen zur Feststellung des Schadensumfangs beauftragen durfte und er im Verhältnis zum Sachverständigen zur Zahlung des Honorars nach § 632 II BGB in ortsüblicher Höhe verpflichtet ist. Dabei muss der Sachverständige seine Honorarrechnung in der Bandbreite des üblicherweise Verlangten und regelmäßig bezahlter Beträge halten. Bei der Ermittlung der üblichen Vergütung kann das Gericht eine Schätzung vornehmen, § 287 ZPO, um den regelmäßig angemessenen Betrag zu ermitteln.
Der hier berechnete Begutachtungsaufwand in Höhe von insgesamt 462,99 Euro bewegt sich angesichts der Höhe der ermittelten Reparaturkosten (1.472,02 Euro brutto) innerhalb des üblichen und angemessenen Aufwandes.
Insbesondere liegt das Grundhonorar mit 264.- Euro netto im Rahmen der von der BVSK- Honorarbefragung 2008/2009 (Befragung zur Höhe des üblichen Kfz- Sachverständigenhonorars durch den Bundesverband der freiberuflichen unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V., aufgeführt unter www.bvsk-2009.de) ermittelten Richtbeträge. Diese Befragung, an der 617 Büros des BVSK, bzw. 85 % seiner aktiven Mitglieder, teilgenommen haben, spiegelt in etwa die durchschnittlichen Honorare der Sachverständigen aus dem Zeitraum 2008/2009 wieder und stellt eine geeignete Schätzgrundlage dar (vgl. LG Dortmund, Urt. v. 5.8.2010 – 4 S 11/10 -, BeckRS 2010, 1944).
Bei einer Schadenshöhe von bis zu 1.487,50 brutto bzw. 1 250.- Euro netto liegt der Honorarkorridor, in dem 40 bis 60 % der Mitglieder des BVSK abrechnen, zwischen 229.- Euro netto und 270.- Euro netto für das Grundhonorar (Spalte HB III). Es ist daher auch vor dem Hintergrund der zwischen dem Zeitpunkt der Befragung und dem Unfallzeitpunkt eingetretenen Preissteigerung nicht zu beanstanden, wenn der Sachverständige, vorliegend ein Grundhonorar in Höhe von 264.- Euro netto verlangt hat. Demgegenüber ist das „Gesprächsergebnis BVSK- HUK-Coburg/ Bruderhilfe vom 1.11.2009″ (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 12.8.2010, ), welches deutlich niedrigere Honorare ausweist, keine geeignete Schätzgrundlage. Es ist bereits nicht erkennbar, wer an diesem Gespräch teilgenommen hat und dass das Gesprächsergebnis in irgendeiner Weise ein repräsentatives Umfrageergebnis für alle in der ganzen Bundesrepublik ansässigen Sachverständigen darstellen könnte. Bei dem Gesprächsergebnis handelt es sich eher um eine Art Maßstab, an dem sich die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) bei der Prüfung der Sachverständigenhonorare orientieren können. Der Kläger ist jedoch nicht Mitglied der Bruderhilfe und auch nicht aus anderen Gründen an dieses Gesprächsergebnis gebunden. Aus der Bereitschaft der Beklagten zu 2), bestimmte Pauschalhonorare zu zahlen, lassen sich keine Rückschlüsse auf die Ortsüblichkeit eines Honorars ziehen. Solange aber nicht – etwa durch weitere repräsentative Umfragen – festgestellt wird, dass sich die Preise der Gesprächsergebnisse Bruderhilfe mittlerweile durchgesetzt haben, kann nicht festgestellt werden, dass diese Sonderkonditionen den üblichen und angemessenen Preisen entsprechen.
Die Höhe der Netto – Nebenkosten ist ebenfalls nicht unangemessen.
Die pauschalen Fahrtkosten von 15.- Euro liegen deutlich unterhalb des Korridors HB III, in dem 40 bis 60 % der Mitglieder abrechnen (18,06 Euro bis 23,46 Euro). Ohne Erfolg greifen die Beklagten im Übrigen den Umstand an, dass sich der Sachverständige … überhaupt zu dem klägerischen PKW begeben hat, um ihm zu besichtigen. Ob ein Wagen fahrbereit ist oder nicht, kann nämlich ein Laie nicht unbedingt selbst ermessen. Der Kläger durfte deshalb durchaus die Besichtigung durch den Sachverständigen veranlassen, um zunächst dessen Urteil zur Fahrbereitschaft und Verkehrstauglichkeit des PKW abzuwarten.
Nicht zu beanstanden sind ferner die Fotokosten. Der Sachverständige berechnete 8 Fotos zu je 2,40 Euro und liegt damit noch innerhalb der Bandbreite des Korridors der Spalte HB III (1,96 Euro für das Grundhonorar bis 2,46 Euro). Bei den Kosten für den 2. Fotosatz, die mit 0,60 Euro pro Foto ausgewiesen sind, liegt der Sachverständige sogar deutlich unterhalb des Korridors nach HB III (1,06 Euro bis 2,07 Euro).
Soweit der Kläger die Erstattung der Positionen Porto- und Telefonkosten (34,27 Euro), Auslagen / Nebenkosten (20,70 Euro) und EDV- Kosten (31,10 Euro) verlangt, ist Folgendes festzustellen: Nach HB III liegt der Höchstbetrag des Korridors für Porto-und Telefonkosten bei 23,12 Euro. Schreibkosten, die hier nicht als solche abgerechnet worden sind, aber ersichtlich unter „ Auslagen“ und „EDV“ fallen, hätten vorliegend nach HB III mit 3,40 Euro- pro Seite – x 8 Seiten = 27,20 Euro und mit 1,71 Euro – pro Kopie – x 8 Kopien = 13,68 Euro abgerechnet werden dürfen. Die vom Sachverständigen … insgesamt berechneten Kosten für Telefon, Porto und Schreibauslagen liegen mit 86,07 Euro nur unerheblich über den nach HB III ausgewiesenen Werten von insgesamt 64.- Eur. Bei einer Gesamtbetrachtung des verlangten Honorars spielt es vor dem Hintergrund, dass sich das Grundhonorar noch im Rahmen des Korridors der Spalte HB IN bewegt, keine Rolle, dass bei einzelnen Nebenkosten, die Korridore der Spalte HB III geringfügig überschritten werden. Ein Gutachten wird stets als Einheit in Auftrag gegeben, und es wäre schlicht unzumutbar, von dem Geschädigten zu verlangen, bei seiner Wahl nach den richtigen Sachverständigen eine genaue Prüfung der etwaig anfallenden Nebenkosten vorzunehmen.
Ohne Erfolg machen die Beklagten ein Missverhältnis zwischen dem Grundhonorar und den abgerechneten Nebenkosten, die hier ca. 47,38 % des Grundhonorars ausmachen, geltend. Es liegt auf der Hand, dass ein gewisser Grundstock an Nebenkosten immer anfällt, unabhängig von der Höhe des Grundhonorars und dass deshalb der Prozentsatz der Nebenkosten bei wie hier geringeren Reparaturwerten, bezogen auf das Grundhonorar, höher ausfallen kann als bei größeren Schadensbeträgen.
II. Der Zinsanspruch aus der Hauptforderung folgt aus §§ 280 I, II, 286, 288 I, 247 BGB.
III. Die Klägerin hat ferner unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens einen Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 32,50 Euro gemäß §§ 280 I, II, 286 I BGB. Eine Zuerkennung der Freistellung von Rechtshängigkeitszinsen hieraus war nicht zuzusprechen, weil nicht ersichtlich ist, dass ihr anwaltlicher Vertreter seinen Anspruch mittlerweile rechtshängig gemacht hat.
IV. Die Ansprüche auf Zinszahlung folgen aus §§ 291, 288 I, 247 BGB.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II Ziff. 1 ZPO. Die Entscheidung betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 11, 713 ZPO. Der Ausspruch betreffend die Nichtzulassung der Berufung beruht auf §§ 511 I, IV Nr. 1 ZPO.
Streitwert: 287,49 Euro
So die Richterin der 35. Zivilabteilung des AG Duisburg, die das Gesprächsergebnis des BVSK mit der HUK-Coburg – wie andere Gerichte auch – nicht als Schätzgrundlage nach § 287 ZPO ansieht, weil es eine Sonderkondition darstellt.
Endlich hat eine Richterin mal geschnallt, wie es laufen muss und hat sich nicht an der Nase herumführen lassen. Erst im vorgerichtlichen Verfahren an den Antragsteller teilweise zahlen und dann, wenn er klagt, seine Anspruchsberechtigung bestreiten. Geht´s noch? Widersprüchlicher geht´s nimmer. Gut, dass die Richterin darauf nicht reingefallen ist.
Im Übrigen hat die Richterin auch recht, wenn sie im Urteil angibt, dass die Sachverständigenkosten in der geltend gemachten Höhe zu erstatten sind und dass das Gesprächsergebnis BVSK/HUK-Coburg keine Schätzgrundlage ist.
Was mir dann nicht gefällt ist, dass sie dann die Kosten an der Honorarbefragung misst. Da hätte sie meines Erachtens angeben müssen, dass der Kläger keinen Einfluß auf die Höhe der Kosten hatte und dass damit die Kosten insgesamt auszugleichen sind. Sie sind in voller Höhe erforderlicher Wiederherstellungsaufwand.
Gruß
Norbert Nordmeier