Mit Urteil vom 23.01.2007 (Gesch.-Nr.: VI ZR 243/05) hat der BGH u.a. Stellung bezogen zu folgenden Themenkreisen:
„Zu den Anforderungen an die Feststellung, ob ein vom Geschädigten beanspruchter Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich ist und ob dem Geschädigten ein Normaltarif ohne weiteres zugänglich war.“
Aus dem Urteil:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bayreuth vom 16. November 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand:
Der Kläger macht gegen den beklagten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer Ansprüche auf Ersatz restlicher Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall vom 15. Dezember 2004 geltend, bei dem der Pkw des Klägers Mercedes C 220 CDI beschädigt wurde. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte für den entstandenen Schaden in vollem Umfang eintrittspflichtig ist. Streitig ist lediglich, in welcher Höhe Mietwagenkosten zu erstatten sind.
Auf Vermittlung seiner Reparaturwerkstatt mietete der Kläger vom Unfalltag bis zum 28. Dezember 2004 ein Ersatzfahrzeug bei der Firma U. GmbH zum Tagesmietpreis von 169,00 € an. Es handelte sich um einen „Unfallersatztarif“. Der Vermieter stellte einen Gesamtbetrag von 3.357,04 € in Rechnung. Die Abrechnung beinhaltet unter anderem den Nettobetrag von 2.366,00 € Grundmiete für 14 Tage im „Unfallersatztarif“ zum Tagespreis von 169,00 €.
Die Beklagte erstattete dem Kläger vorgerichtlich Mietwagenkosten in Höhe von nur 1.259,76 €. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem Mietpreis für 14 Tage von 726,00 € netto im sog. „Normaltarif“, zu dem unstreitig ein Fahrzeug der Gruppe 6 in Bayreuth hätte angemietet werden können, den Haf-tungsfreistellungskosten in Höhe von 308,00 € und den Zustellkosten in Höhe von 52,00 € zuzüglich 16% Mehrwertsteuer. Mit der Klage verlangt der Kläger Zahlung des Differenzbetrages von 2.014,94 €.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger nicht dargetan, dass die von ihm geltend gemachten Mietwagenkosten „erforderlicher“ Aufwand zur Schadensbeseitigung im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB sind. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass der „Normaltarif“ für Selbstzahler in Bayreuth für die Mietzeit nur 726,00 € netto betragen hätte. Der „Unfallersatztarif“ mit 2.366,00 € netto übersteige den „Normaltarif“ für Selbstzahler damit um mehr als das Dreifache und damit erheblich. Um zu beurteilen, ob dieser Preis dennoch mit Rücksicht auf die Unfallsituation aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt sei, müssten die Betriebskosten des Vermieters und die Risiken, die er im Unfallersatzwagengeschäft einkalkuliere, offen gelegt werden. Der Kläger habe insoweit weder in erster Instanz noch im Berufungsverfahren ausreichende Anknüpfungstatsachen vorgetragen. Die Frage der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung des gewählten „Unfallersatztarifes“ könne auch nicht dahinstehen. Der Kläger behaupte zwar, dass ihm ein „Normaltarif“ nicht zugänglich gewesen sei. Aber auch insoweit habe er erstinstanzlich nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, sondern sich lediglich pauschal auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen. Sein pauschales Vorbringen in zweiter Instanz, er habe sich den Normaltarif kurz vor Weihnachten nicht leisten können, sei überdies verspätet. Der Kläger könne sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass ihm die Unterschiede zwischen den verschiedenen Tarifen der Autovermieter nicht bekannt gewesen seien. Er habe aufgrund des Mietvertrages gewusst, welche Kosten anfallen würden. Eine laienhafte Wertung dahin, dass diese unverhältnismäßig hoch seien, sei ihm ohne weiteres möglich gewesen. Jedem wirtschaftlich denkenden Menschen hätte sich bei absehbaren Kosten von mehr als 3.000 € die Frage aufgedrängt, ob es nicht „billiger geht“ und er hätte ein Vergleichsangebot eines anderen Autovermieters eingeholt. Der Kläger könne sich nicht damit entlasten, dass er sich über die Kosten des Ersatzfahrzeuges keine Gedanken gemacht habe oder dass die Firma U. GmbH keinen günstigeren Tarif anbiete.
II.
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der – unbeschränkt zugelassenen – Revision nicht stand.
1. Rechtlich unzutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Frage, ob der höhere Preis nach dem Unfallersatztarif aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt sei, lasse sich nur dann beantworten, wenn der konkret gewählte Tarif des Vermieters daraufhin untersucht werde, ob in ihn typische unfallspezifische Leistungen einflössen, welche die Erhöhungen gegenüber dem Normaltarif rechtfertigten. Der erkennende Senat hat inzwischen entschieden, es sei nicht erforderlich, die Kalkulation des konkreten Vermieters nachzu-vollziehen, vielmehr habe sich die Prüfung darauf zu beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein den Mehrpreis rechtfertigten (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2005 – VI ZR 9/05 -VersR 2006, 133; vom 14. Februar 2006 – VI ZR 32/05 – VersR 2006, 564, 565; vom 14. Februar 2006 – VI ZR 126/05 – VersR 2006, 669, 670 und vom 4. April 2006 – VI ZR 338/04 – VersR 2006, 853, 854).
Danach überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegung des Klägers, indem es konkrete Angaben zu dessen Kalkulation des Unfallersatztarifs fordert. Dies stellt auch die Revisionserwiderung nicht in Abrede. Soweit sie meint, der Vortrag des Klägers sei insoweit gleichwohl als unzureichend anzusehen, kann dem nach dem jetzigen Verfahrensstand nicht gefolgt werden. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 29. September 2005 eine Stellungnahme des Autovermieters vorgelegt (GA I 134 ff.), die sich u.a. mit den Faktoren befasst, die nach seiner Meinung den Aufschlag auf den Normaltarif rechtfertigen. Diese mag als unzureichend erscheinen, weil sie – wie die Revisionserwiderung geltend macht – keinerlei Zahlenmaterial enthält und deshalb nicht erkennbar ist, inwieweit der im vorliegenden Fall weit über dem Normaltarif liegende Unfallersatztarif durch die aufgeführten kostenerhöhenden Umstände gerechtfertigt sein könnte. Zu berücksichtigen ist indes, dass sich das Berufungsgericht – von seinem rechtlichen Ausgangspunkt konsequent – mit den in der Stellungnahme erwähnten Faktoren für einen erhöhten Tarif nicht im Einzelnen auseinandergesetzt hat. Zudem ist die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht bereits am 26. Oktober 2005 geschlossen worden. Die zuvor zitierten Urteile des erkennenden Senats, in denen die Anforderungen an den Vortrag der Parteien bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art präzisiert worden sind, konnten aus zeitlichen Gründen in den Tatsacheninstanzen noch nicht berücksichtigt werden. Insoweit ist den Parteien Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag zu ergänzen.
Zwar macht die Revisionserwiderung im Ansatz mit Recht geltend, der Revisionsbegründung sei nicht zu entnehmen, was, vom richtigen rechtlichen Ansatz ausgehend, ergänzend vorgetragen worden wäre. Doch kann dem Kläger in Anbetracht der auch über den Zeitpunkt der Revisionsbegründung hinaus andauernden Fortentwicklung der Rechtsprechung zu den Unfallersatztarifen ein ergänzender Vortrag vor dem Tatrichter nicht ohne Verkürzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör abgeschnitten werden.
2. Auch soweit das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers dazu, dass ihm ein Normaltarif nicht zugänglich gewesen sei, für unzureichend hält, kann das angefochtene Urteil mit der gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben.
Für die Frage der Zugänglichkeit ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen. Nach den vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätzen (vgl. Urteile BGHZ 163, 19, 24 f.; vom 25. Oktober 2005 – VI ZR 9/05 – aaO; vom 14. Februar 2006 – VI ZR 126/05 – aaO; vom 9. Mai 2006 – VI ZR 117/05 – VersR 2006, 986; vom 13. Juni 2006 – VI ZR 161/05 -VersR 2006, 1273) kommt es insbesondere für die Frage der Erkennbarkeit der Tarifunterschiede für den Geschädigten darauf an, ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs haben muss, die sich insbesondere aus dessen Höhe ergeben können. Dabei kann es je nach Lage des Einzelfalls auch erforderlich sein, sich nach anderen Tarifen zu erkundigen und gegebenenfalls ein oder zwei Konkurrenzangebote einzuholen. In diesem Zusammenhang kann es auch eine Rolle spielen, wie schnell der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug benötigt. Allein das allgemeine Vertrauen darauf, der ihm vom Autovermieter angebotene Tarif sei „auf seine speziellen Bedürfnisse zugeschnitten“, rechtfertigt es dagegen nicht, zu Lasten des Schädigers und seines Haftpflichtversicherers ungerechtfertigt überhöhte und nicht durch unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters gedeckte Unfallersatztarife zu akzeptieren.
Die Revision macht insofern mit Erfolg geltend, der Kläger habe bereits in der Klageschrift ausgeführt, dass er der Empfehlung seiner ihm vertrauten Mercedeswerkstatt gefolgt sei, weil er das Mietfahrzeug umgehend nach dem Unfall am 15. Dezember 2004 habe anmieten müssen, die Unterschiede zwischen einem „Normaltarif“ und einem „Unfallersatztarif“ seien ihm nicht bekannt gewesen, der Unfall habe sich kurz vor den Weihnachtsfeiertagen ereignet, der Kläger habe aus beruflichen Gründen dringenden Bedarf gehabt, umgehend ein Fahrzeug zu erhalten.
Dem angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, dass es diesen Vortrag umfassend in Betracht gezogen hat. Zum erstinstanzlichen Vortrag ist ausgeführt, der Kläger habe sich lediglich pauschal auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens bezogen. Lediglich auf den Vortrag des Klägers, ihm seien die verschiedenen Tarife der Autovermieter nicht bekannt gewesen, geht das Berufungsgericht sodann noch näher ein.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Kenntnisnahme des Klägervortrags zu einer abweichenden Beurteilung gelangt wäre oder den Kläger, soweit dieser einen dringenden Bedarf aus beruflichen Gründen geltend gemacht hat, zumindest zu einer näheren Darlegung, gegebenenfalls, soweit die Beklagte bestritten haben sollte, unter Beweisantritt aufgefordert hätte.
Soweit die Ausführungen des 6. Senats des BGH.