Mit Urteil vom 14.11.2008 (1 C 215/08) hat das Amtsgericht Karlsruhe-Durlach die Volksfürsorge Deutsche Sachversicherung AG zur Zahlung weiterer 825,24 € zzgl. Zinsen verurteilt. Chancenlos blieb die Fraunhofer Tabelle, zur Anwendung kam die Schwacke-Liste.
Aus den Urteilsgründen:
Der Mietpreis ist in voller Höhe erstattungsfähig.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann der regelmäßig zu erstattende Normaltarif auf der Grundlage des Schwacke-Automietpreisspiegels gemäß § 257 ZPO geschätzt werden, vgl. Urteil zuletzt Urteil des BGH vom 24.06,2008, VI ZR 234/07. Der BGH betont in diesem Zusammenhang, dass der Tatrichter bei der Schätzung des Normaltarifs besonders frei sei.
Die Kritik der Beklagten an dem Schwacke-Automietpreisspiegels veranlasst das Gericht nicht, von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen.
Der Verweis auf den Mietpreisspiegel des Fraunhofer Instituts überzeugt nicht. Denn zum einen beruhen die Angaben des Fraunhofer Instituts auf Datenerhebungen im Zeitraum Ende Februar bis Anfang April 2008, also einem Zeitraum nach der streitgegenständlichen Ersatzwagenanmietung, zum anderen hat das Gericht Zweifel an der Repräsentativität der Erhebung des Fraunhofer Instituts, da – anders als bei Schwacke – nur wenige Autovermieter nach ihren Preisen befragt wurden. Ferner gibt die Schwacke-Liste einen präziseren Aufschluss über die Mietwagenpreise im jeweils relevanten Markt, da sie zwischen den einzelnen PLZ-Gebieten differenziert, wo hingegen die Fraunhofer-Liste in nur zweistellige PLZ-Gebiete gegliedert ist.
Die Klägerin bzw. Zedentin muss sich nicht entgegenhalten lassen, dass sie lediglich Anspruch auf Erstattung eines unter dem Normaltarif liegenden Mietwagenpreises habe.
Auf das Angebot der Beklagten vom 30.11.2007 auf Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zu einem Tagessatz von € 68,00 musste der Zedent nicht eingehen. Zwar muss der Geschädigte wegen der ihm obliegenden Schadensgeringhaltungspflicht auf günstigere Angebote, die ihm vonseiten der gegnerischen Haftpflichtversicherung unterbreitet werden, grundsätzlich eingehen. Dies gilt aber nur dann, wenn ihm dieses Angebot vorliegt, bevor er das Ersatzfahrzeug angemietet hat. Angebote dagegen, die ihm – wie vorliegend – erst unterbreitet werden, nachdem er bereits einen Ersatzwagen angemietet hat, muss er nicht mehr annehmen. Denn eine derartige Verpflichtung, die damit verbunden wäre, das zunächst angemietete Fahrzeug zurückzugeben, würde die Schadensminderungspflicht des Geschädigten überspannen und unberücksichtigt lassen, dass es ihm als Herr des Restitutionsverfahrens grundsätzlich frei steht, welches Ersatzfahrzeug er anmietet, solange der Normaltarif nicht überschritten wird.
Der Zedent kann auch nicht auf die günstigeren Tarife der Vermieter Sixt und Hertz verwiesen werden. Denn dies würde voraussetzen, dass dem Zedenten vor der Anmietung des Ersatzfahrzeugs bei der Klägerin überhaupt die Verpflichtung oblag, sich nach günstigeren Mietfahrzeugen zu erkundigen. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Geschädigte nicht verpflichtet, bei Anmietung eines Ersatzfahrzeugs den denkbar günstigsten Tarif in Anspruch zu nehmen und zuvor eine Art Marktforschung zu betreiben. Eine solche Erkundigungspflicht ist nur gegeben, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des Tarifs haben muss, was sich insbesondere aus dessen Höhe ergeben kann, vgl. Urteil des BGH vom 13.06.2006, NJW 2006.2631; Urteil des BGH vom 09.05.2006, NJW 2006, 2106 f..
In dem Urteil vom 09.05.2006 hat der BGH eine solche Erkundigungspflicht angenommen. Dort lag es aber so, dass der in Anspruch genommene Tarif um ein Vielfaches über dem Normaltarif lag (nach Schwacke geschätzter Normaltarif betrug € 1.337,00, der in Rechnung gestellte Tarif dagegen € 3.020,92).
Da vorliegend aber der in Rechnung gestellte Tarif sogar unterhalb des zu schätzenden Normaltarifs liegt (s.u.), bestand für den Zedenten keine Veranlassung, sich nach günstigeren Tarifen umzusehen. Es kann ihm deshalb auch nicht entgegen gehalten werden, dass die Firmen Sixt oder Hertz günstigere Angebote bereit gehalten hätten.
Nach Überzeugung des Gerichts ist vorliegend weiter ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif gerechtfertigt
Nach der Rechtsprechung des BGH verstößt ein Geschädigter nicht stets gegen die Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn er einen Mietwagen zu einem über dem Normaltarif liegenden Unfallersatztarif anmietet. Dies gilt u.a. dann, wenn die Besonderheiten des Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa Vorfinanzierung, das Risiko des Ausfalts mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenuntemehmen, etc.) einen gegenüber dem Normaltarif höheren Tarif rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und deshalb zur Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 BGB erforderlich sind. Dabei ist nicht erforderlich, dass der bei der Schadensberechung besonders freie Tatrichter für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung des Unfallersatztarifs die Kalkulation des konkreten Unternehmens in jedem Fall nachvollzieht. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifischen Leistungen bei der Anmietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei auch ein pauschaler Aufschlag in Betracht kommt, vgl. u.a. Urteil des BGH vom 26.06.2007, NJW 2007,2916 f..
Vorliegend wurde von der Klägerin vorgetragen, dass derartige unfallbedingte Mehrleistungen angefallen sind, etwa Vorfinanzierungskosten, erhöhtes Forderungsausfallrisiko aufgrund fehlender Sicherheiten, wie bspw. die sonst übliche Zahlung per Kreditkarte oder die Hinterlegung einer Kaution, erhöhter Personal- und Verwaltungsaufwand durch Bereitstellung eines 24-Uhr-Services, gesteigerte Vorhaltekosten durch einen 10-Klassen-Fuhrpark.
Das Gericht trägt diesem Mehraufwand dadurch Rechnung, dass es im Rahmen der Schadensschätzung einen pauschalen Aufschlag von 20 % auf den Normaltarif vornimmt, vgl. auch Urteil des OLG Karlsruhe vom 18-09.2007, Az.: 13 U 217/06,
Dieser Aufschlag ist auch vor dem Hintergrund des Einwands der Beklagten, der Zedent habe über eine Kreditkarte verfügt, die er hätte einsetzen müssen, gerechtfertigt. Denn es kommt nicht darauf an, ob der Mehraufwand im konkreten Einzelfall erforderlich gewesen ist, es ist vielmehr eine generelle Betrachtungsweise geboten, d.h, der Aufschlag ist dann gerechtfertigt, wenn der Vermieter allgemein bei der Vermietung aufgrund Unfalls mehr Aufwendungen hat als bei sonstigen Vermietungsgeschäften. Überdies ändert der Einsatz einer Kreditkarte nichts an den Mehrleistungen „erhöhter Personal- und Verwaltungsaufwand durch Bereitstellung eines 24-Uhr-Services“ und „gesteigerte Vorhaltekosten durch 10-Klassen-Fuhrpark„.
Der regelmäßig vorzunehmende Abschlag von 5 % aufgrund ersparter Eigenaufwendungen entfällt vorliegend, da der Zedent ein um 2 Klassen niedrigeres Ersatzfahrzeug angemietet hat, vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, § 249, Rd.-Nr, 32.
Neben dem Mietwagentarif sind noch sogenannte Nebenkosten zu berücksichtigen, vorliegend Vollkaskoversicherung, Winterausstattung sowie Zubringung und Abholung. Auch diese können nach der Schwacke-Liste gemäß § 287 ZPO geschätzt werden.
Ein Geschädigter kann jedoch zur Vermeidung einer Besserstellung Nebenkosten nur dann verlangen, als diese auch tatsächlich erbracht worden sind, und auch nur in der Höhe, die tatsächlich in Rechnung gestellt worden ist, vgl. Urteil des OLG Köln vom 02.03.2007, NZV 2007, 199 ff,.
Danach ergibt sich vorliegend nachstehender erstattungsfähige Mietpreis:
– 2 x Wochentarif (Schwacke-Modus) a € 632,50 = € 1265,00
– 2 x Tagestarif (Schwacke-Modus) a € 11S = € 230,00
– 20 %iger Aufschlag * € 299,00
– 2 x Wochentarif Vollkasko (Schwacke-Modus) a € 156,00 = € 312,00
– 2 x Tagestarif Volikasko (Schwacke-Modus) a € 26,00 = € 52,00
– 16 Tage Winterausstattung (Re.-betrag, da unterhalb
Schwacke-Tarif = € 175,93
– Zubringung/Abholung (Schwacke-Tarif) = € 50,00
Gesamt: €2.383,93
Da die streitgegenständliche Mietwagenrechnung unterhalb dieses Betrags liegt (€ 2.119,96) ist sie in voller Höhe zu erstatten. Abzüglich der vorgerichtlich bereits bezahlten € 1.294,72 steht damit der Klagebetrag von € 825,24 noch zur Zahlung offen.
Soweit das AG Karlsruhe-Durlach in einer sehr nachvollziehbaren Argumentation, insbesondere was die Ablehnung der Fraunhofer Tabelle angeht.