Mit Urteil vom 19.08.2010 (111 C 67/10) hat das Amtsgericht Bonn die Zurich Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 671,73 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht legt die Schwacke-Liste zugrunde und lehnt die Anwendung der Fraunhofer Tabelle ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist in vollem Umfange begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 671,73 EUR aus §§ 7, 18 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 VVG.
Bei der Geltendmachung von Mietwagenkosten gelten folgende Grundsätze:
Der Geschädigte kann vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung nach § 249 BGB als erforderlichen Wiederherstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.
Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst vornimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsatzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Mit anderen Worten müssen die Mietwagenkosten betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sein. Für die Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung der von dem Kläger verlangten weiteren Mietwagenkosten hat das Gericht anhand des Schwacke Automietpreisspiegels für das Jahr 2006 das gewichtete Mittel („Modus“) des sogenannten „Normaltarifs“ (gleich Tarif für Selbstzahler) ermittelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermitteln, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Für das Postleitzahlengebiet 415 und die Preisgruppe 5 ergeben sich unter‘ Zugrundelegung des gewichteten Mittels aus dem Schwacke Automietpreisspiegel 2006 folgende Bruttowerte:
Wochentarif 7 Tage: 507,00 EUR
Tarif Tag: 87,00 EUR
Zwischensumme. 594,00 EUR.
Im Wege der Vorteilsausgleichung hat sich der Kläger bereits einen Anteil von 10 % Eigenersparnis angerechnet und geht selber nur von einer Zwischensumme von 534,60 EUR aus Dies ist ein sogar noch geringerer Betrag, als wenn das Gericht die Werte aus der Schwacke Liste für die Fahrzeugklasse 4 gewählt hätte. Hinsichtlich der Nebenkosten ergeben sich laut Schwackeliste folgende Werte:
Haftungsbefreiung 1 Woche: 147,00 EUR
Haftungsbefreiung für 1 Tag: 24,00 EUR
Kosten für Zweitfahrer 8 Tage
á 15.00 EUR: 120,00 EUR
Zustellung und Abholung: 50,00 EUR
Summe: 875,60 EUR
abzüglich 16 % Umsatzsteuer
(gültig im Jahre 2006): 120,77 EUR
zuzüglich 19 % Umsatzsteuer
(gültig im Jahre 2009): 143,42 EUR
Summe: 898,25 EUR.
Für das Amtsgericht ist kein Grund ersichtlich, die Mietwagenforderung des Klägers ausschließlich auf der Grundlage der Fraunhofer-Marktpreisliste abzurechnen, die die Beklagte verwendet hat. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Bonn und fast aller Senate des Oberlandesgerichts Köln vertritt das Amtsgericht Bonn die Auffassung, dass der Frauenhofer-Mietpreisspiegel nicht so strukturiert ist, dass er als geeigneter oder als gar einzig geeignete Grundlage angesehen werden kann zur Berechnung von Mietwagenforderungen. Der Fraunhofererhebung liegen Preise mit einer gewissen Vorbuchzeit zugrunde, die nicht selten günstiger sind als Soforttarife. Da ein Unfallgeschädigter aber nicht im Vorhinein weiß, wann er einen Unfall haben wird und in der Regel ein kurzfristiger Ersatz notwendig ist, weist die Fraunhofererhebung in diesem Punkt Schwächen auf. Hinzu kommt, dass der Fraunhofer-Mietpreisspiegel zum weit überwiegenden Teil nur 6 Internetanbieter erfasst. Darüber hinaus sind die Ergebnisse weniger ortsnah als beim Schwacke -Automietpreisspiegel, weil sich die Ergebnisse- auf eine zweistellige Zuordnung von Postleitzahlen beschränken, während dem Schwacke Automietpreisspiegel Ermittlungen in dreistelligen Postleitzahlgebieten zugrunde liegen. Gerade dies ist aber auch ein wesentlicher Faktor, die der Bundesgerichtshof vergleichbar im Zusammenhang mit der Ermittlung des Restwertes von Unfallfahrzeugen immer wieder betont hat, mit der Folge, dass sich der Geschädigte nur auf den allgemein zugänglichen regionalen Markt verweisen lassen muss. Der Schwacke Automietpreisspiegel berücksichtigt im Übrigen alle möglichen Preisbestandteile als auch Zuschläge bei der Anmietung aus Anlass eines Unfalls, die – gerichtsbekannt – in der Praxis tatsächlich verlangt werden.
Darüber hinaus ist die klägerische Forderung auf Zahlung eines 20%igen Aufschlages ebenfalls begründet. Ein pauschaler Aufschlag ist in der Regel wegen der typischerweise bei einer Unfallersatzanmietung anfallenden Mehrkosten sowie der Risikoerhöhung für den Vermieter gerechtfertigt. Es muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines Unfallersatztarifs die Kalkulation des konkreten Unternehmens nicht nachvollzogen werden. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen. Dies ist im Hinblick auf das Betrugs- und Forderungsausfallrisiko, das Auslastungsrisiko, die notwendige Vorfinanzierung und die Notdienstkosten grundsätzlich und somit auch bei der im Unfallersatzwagengeschäft tätigen Firma X Autovermietung GmbH der Fall. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass im vorliegenden Fall solche Mehrkosten ausnahmsweise nicht angefallen sind. Hieran fehlt es jedoch.
Der 20%ige Aufschlag macht im entscheidenden konkreten Fall einen Betrag von 118,80 EUR aus.
Addiert zu der oben bereits errechneten Mietpreissumme von 898,25 EUR ergibt sich ein Gesamtbetrag von 1.017,50 EUR.
Da die Beklagte vorprozessual lediglich einen Betrag von 345,32 EUR gezahlt hat, steht dem Kläger ein Restbetrag von 671,73 EUR zu.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Denn die Beklagte befindet sich aufgrund der Zahlungsaufforderung des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 27.10.2009, die bereits als Mahnung aufzufassen ist und in welcher der Beklagten eine Zahlungsfrist bis zum 10.11.2009 gesetzt wurde, seit dem 12.11.2009 in Schuldnerverzug. Die Höhe des Zinssatzes ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.
üie Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
De Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Soweit das AG Bonn.