In einem Hinweisbeschluss vom 24.07.2006 (1 U 80/06) hat das OLG Frankfurt am Main dem beklagten Land Hessen die Rücknahme der Berufung empfohlen.
Aus dem Beschluss:
Nach Einschätzung des Senats dürfte die Berufung des beklagten Landes keinen Erfolg haben. Denn der Klägerin stehen aus abgetretenem Recht Mietwagenkosten jedenfalls in der vom Landgericht ausgeurteilten Höhe zu.
Auf der Grundlage der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zu den im landgerichtlichen Urteil zitierten Entscheidungen außerdem noch Urt. v. 25.10.2005, NJW 2006, 360, Urteile vom 14.02.2006, NJW 2006, 1506 und 1508 sowie Urt. v. 04.04.2006, NJW 2006, 1726) ergibt sich Folgendes:
1. Auszugehen ist für die „Erforderlichkeit“ des Aufwandes zur Schadensbeseitigung gemäß § 249 BGB vom „Normaltarif“; höhere Kosten eines „Unfallersatztarifs“ erweisen sich als erstattungsfähig, sofern im Rahmen dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation besondere Leistungen erbracht wurden, die einen entsprechend höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen. Allerdings erweist sich der höhere Preis des Unfallersatztarifs insoweit als „erforderlich“, als der „Normaltarif“ nicht zugänglich war.
Hier haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2006 unstreitig gestellt, dass der Normaltarif der Klägerin für Nichtunfallsituationen 133 € netto pro Tag betrug. Der Senat entnimmt dem weiteren, auch außerprozessualen Vorbringen des Beklagten, dass dieser bereit war, nach dem Normaltarif der Klägerin abzurechnen. Legt man den genannten Wert für 10 Tage Mietzeit sowie den nicht bestrittenen Aufwand für Anliefern und Abholen von je 25,57 € netto zugrunde, ergibt sich ein Gesamtbetrag von 1.602,12 € brutto. Gezahlt hat der Beklagte bisher aufgrund einer Berechnung, die aus der Zeit vor Offenlegung des Normaltarifs der Klägerin stammt und die nicht im einzelnen Gegenstand des Verfahrens 1. Instanz geworden ist, lediglich 329,69 € plus 890,00 €, also 1.219,69 €. Demzufolge ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die Berufung im Umfang des Differenzbetrages von 1.219,69 € zu 1.602,12 €, also in Höhe von 382,43 € begründet sein könnte, zumal sich in der Berufungsbegründung zu diesem Teil der Mietwagenkosten keinerlei Ausführungen finden. Es verbleibt daher lediglich ein Betrag von 308,56 €, bei dem es sich um die 20 % plus MwSt handelt, um die das Landgericht einen höheren Unfallersatztarif nach seiner Schätzung (§ 287 ZPO) als gerechtfertigt angesehen hat. Diesen Betrag nimmt die Klägerin ausweislich ihrer Ausführungen in der Berufungserwiderung vom 07.07.2006 hin.
2. Die Ausführungen der Berufungsbegründung zur Frage, wie hoch eine „Vorfinanzierung“ durch die Klägerin im Rahmen des Unfallersatztarifs ausfallen könne, lassen außer Betracht, was das Landgericht schlagwortartig mit „Vorfinanzierung“ auf der Grundlage der Gegebenheiten des vorliegenden Falls gemeint hat. Es geht nicht nur um die „Vorfinanzierung“ im engeren Sinn für die Zeit, in welcher der Pritschenwagen vom Geschädigten gemietet war, also – so das Rechenbeispiel im Anschluss offenbar an einschlägige Literaturstimmen auf S. 2 des Schriftsatzes vom 18.07.2006 – darum, dass die Miete erst bei Rückgabe des Fahrzeugs und nicht bereits bei Andienung fällig sein sollte. Vielmehr besteht die zusätzliche Leistung der Klägerin gegenüber dem Normaltarif ausweislich des landgerichtlichen Urteils darin, dass sie die voraussichtlichen Mietkosten und insbesondere die Selbstbeteiligung finanziert, sie darüber hinaus auf die Hinterlegung einer Kaution verzichtet und wegen des Verzichts auf eine Sicherheitsleistung oder Barzahlung bei Beginn des Mietzeitraums das Risiko des Forderungsausfalls trägt. Diese zusätzliche Leistung hat das Landgericht auf 20 % des Normaltarifs geschätzt, wobei dahinstehen mag, ob die Zusatzleistung einschließlich dieses Risiko des Forderungsausfalls zutreffend geschätzt ist oder sich -was im Rahmen einer Schätzung noch hinzunehmen wäre – im oberen Bereich einer in Betracht kommenden Marge bewegt. Diese besondere Leistung ist auch entgegen den Ausführungen auf S. 2 de Berufungsbegründung als auf der Unfallsituation beruhend anzusehen. Denn dieses Risiko nimmt die Klägerin nur einem Unfallsgeschädigten ab, der aufgrund des Unfalls plötzlich ohne verkehrstüchtiges Fahrzeug dasteht; dagegen übernimmt sie dieses Risiko beim Normaltarif gegenüber dem Mieter eines Fahrzeugs nicht, sondern hier muss der Mieter vorauszahlen oder Sicherheit leisten, wenn er – um im Beispiel der Berufungsbegründung zu bleiben -sich aus freien Stücken entschließt, etwa für einen Wochenendausflug einen größeren Wagen zu mieten – oder er muss auf die Anmietung des Fahrzeugs verzichten, was von einem Unfallgeschädigten nicht verlangt werden kann.
3. Im Übrigen wäre die Berufung wegen des erwähnten überschießenden Betrages von 308,56 € auch dann unbegründet, wenn man den vom Landgericht angenommenen 20%igen Aufschlag auf den Normaltarif nicht als gerechtfertigt ansehen wollte. Denn dann wäre nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu prüfen, ob dem Geschädigten der Normaltarif zugänglich war. Eine solche Zugänglichkeit scheitert hier aber daran, dass ihm nicht zumutbar war, die beim Normaltarif erforderliche Sicherheit durch Vorauszahlung der voraussichtlichen Mietkosten und einer Kaution zu leisten. Zwar mag es sein, dass ein Geschädigter, wie der BGH in seiner neuesten Rechtsprechung angenommen hat, im Rahmen seiner Schadensge-ringhaltungspflicht verpflichtet sein kann, zur Finanzierung des Mietwagens eine Kreditkarte oder EC-Karte einzusetzen. Über eine solche verfügte der Geschädigte aber, wie das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise (§ 529 ZPO) aufgrund der Beweisaufnahme festgestellt hat, nicht. Zwar gibt der Beklagte zu erwägen, dass möglicherweise die erforderliche Sicherheit durch eine Barzahlung hätte geleistet werden können. Einen solchen Weg hält der Senat aber bei einem Betrag von 2.000 -3.000 €, um den es hier geht, im Tatsächlichen nicht für zumutbar. Der Unfall ereignete sich an einem Freitag, wobei dahinstehen kann, ob dies am späten Vormittag oder am frühen Nachmittag war. Der Geschädigte benötigte ein Ersatzfahrzeug für den beschädigten und mit den zerstörten Heckleuchten links (vgl. die vom Beklagten überreichten Lichtbilder) nicht mehr verkehrszugelassenen Pritschenwagen, den er ausweislich der Beschriftung des beschädigten Fahrzeugs als Arbeitsfahrzeug in seinem Handwerksbetrieb verwendete. Er brauchte also umgehend ein Ersatzfahrzeug, dass er sich am darauf folgenden Montag morgen verschaffte. Auch die teilweise in der Literatur als Lösung angebotenen Möglichkeit, sich vom Versicherer eine Kostenzusage geben zu lassen, bestand für ihn nicht. Denn da es sich bei dem Pkw, mit dem der Unfall verursacht wurde, um ein Behördenfahrzeug des Landes Hessen handelte, bei dem – wie gerichtsbekannt ist – Schäden nicht durch eine Versicherung, sondern durch das Land Hessen selbst reguliert werden, war ein Ansprechpartner zeitnah, d.h. bis zum notwendigen Anmieten eines Ersatzfahrzeugs für den Handwerksbetrieb am darauf folgenden Werktag nicht erreichbar, so dass dahinstehen kann, ob die zuständige Dienststelle des Landes ähnlich einer Versicherung eine sofortige Kostenübernahmeerklärung gegeben hätte.
4. Dagegen ist nicht ersichtlich, inwiefern es nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Verletzung von Aufklärungspflichten durch die Klägerin als Autovermieterin noch ankommen könnte; denn allein entscheidend ist nunmehr, ob Mietkosten nach dem Unfallersatztarif als „erforderlich“ anzusehen sind oder nicht (Greiner, ZfS 2006, 124, 129; Diederichsen, DAR 2006, 301, 310 re.Sp.; Wolff, ZfS 2006, 248, 231 li.Sp.).
5. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen stellt sich die Frage, ob die Berufung -zumal um weitere Kosten bei Durchführung der mündlichen Verhandlung zu vermeiden – nicht zurückgenommen werden soll.
Soweit das OLG Frankfurt/M.