Hallo Leute,
hier wieder ein Urteil aus Saarlouis für die, die im Urlaub sind und für die, die daheim geblieben sind. Aus den beiden vorangegangenen Kommentaren war ersichtlich, dass zumindest zwei unserer Leser sich im Ausland aufhalten, nämlich in Griechenland und den Niederlanden. Im vorliegenden Rechtsstreit war über abgetretene Sachverständigenkosten zu entscheiden. Bis auf die gekürzten Sachverständigenkosten hatte die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung den Schaden reguliert. Wer mag wohl die eintrittspflichtige Versicherung gewesen sein, die die Sachverständigenkosten nach eigenem Dafürhalten gekürzt hat? – Natürlich die HUK-Coburg. Aber auch in diesem Fall hat das Gericht der Coburger Versicherung gezeigt, wie ein Unfallschaden richtig, d.h. nach Recht und Gesetz zu regulieren ist. Dafür darf die HUK-Coburg dann auch wieder die Anwalts- und Gerichtskosten tragen. Das macht ein Mehrfaches der gekürzten Sachverständigenkosten aus. Jeder ernsthafte Geschäftsmann hätte nach der Wirtscfhaftlichkeit gefragt. Aber anscheinend gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot nach Ansicht der HUK-Coburg nur für den Unfallgeschädigten, nicht für den Versicherer. Ein merkwürdiges Verständnis von Recht und Gesetz. Lest aber selbst und gebt – auch aus dem Urlaub – Eure Meinungen ab. Denen, die im Urlaub weilen, wünsche ich noch einen schönen Urlaub.
Amtsgericht Saarlouis
Aktenzeichen: 28 C 1943/10 (70)
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
der Firma …
Klägerin
gegen
Firma HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand, Bahnhofsplatz 1, 96450 Coburg
Beklagte
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Saarlouis durch den Richter am Amtsgericht … im vereinfachten Verfahren gem. § 495a ZPO nach rechtlichem Gehör für die Parteien am 3. März 2011
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 265,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12.8.2010 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von netto 39,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.9.2010 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
(ohne Tatbestand gem. § 313 a ZPO)
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) ein Anspruch auf Ersatz restlicher Sachverständigerkosten in noch offener Höhe von 265,48 EUR zu, nachdem die Beklagte außergerichtlich auf diese Schadenposition lediglich Zahlung von 144,- EUR leistete. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach aufgrund des Verkehrsunfallereignisses vom 28.7.2010 in … ist zwischen den Parteien nicht im Streit.
Gegen die Abtretungsvereinbarung vom 2.11.2010, worin die Geschädigte ihre verbliebenen Schadenersatzansprüche „auf Erstattung der Gutachtenkosten“ (nicht mehr wie ursprünglich: „in Höhe der Gutachterkosten“) abgetreten hat, bestehen auch im Hinblick auf das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 15.10.2010 (13 S 68/10) keine Bedenken. Hiernach ist klargestellt, dass lediglich die Schadenposition „Gutachtenkosten“ abgetreten wird.
Die Sachverständigenkosten sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom Schädiger gemäß § 269 Abs. II BGB zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und damit als Begleitkosten zur Herstellung des Zustandes, der ohne Schädigung bestehen würde, erforderlich sind (BGH in NJW RR 1989, 953).
Maßgeblich hierfür ist, ob die angefallenen Sachverständigengebühren *[gemeint sind die Sachverständigenkosten; Anm. des Autors] Aufwendungen darstellen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen für zweckmäßig und notwendig erachten durfte.
Hierbei ist eine subjektbezogene Schadenbetrachtung vorzunehmen, d. h. es ist Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen, insbesondere auf seine individuellen Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ist der Geschädigte dabei grundsätzlich nicht zur Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Er ist vor Beauftragung eines Sachverständigen nicht gehalten, entsprechende Vergleichsangebote einzuholen. Da es bei Sachverständigengutachten an einheitlichen Abrechnungsmodalitäten fehlt, geschweige denn an allgemein zugänglichen Preislisten, die einen Vergleich der anfallenden Kosten ermöglichen würden, wird der Geschädigte in aller Regel von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen dürfen. Erst wenn für ihn als Laie erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, kann er nicht mehr vollständigen Ersatz seiner Aufwendungen verlangen (Landgericht Saarbrücken, Urteile vom 29.9.2008, 13 S 108/08 und 13 S 112/08, Amtsgericht Saarlouis, Urteil vom 1.2.2011, 28 C 1997/10, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Hiervon ausgehend, ist der Klägerin, die aus abgetretenem Recht vorgeht, ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten restlichen Sachverständigenkosten zuzusprechen, da für den Geschädigten nicht erkennbar war, dass der Gutachter sein Honorar etwa willkürlich festsetze oder überhöht abrechne.
Insofern besteht auch ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Nebenkosten, die der Sachverständige grundsätzlich neben seiner Grundvergütung in Rechnung stellen darf. Hierbei bedarf es einer detaillierten Überprüfung der Nebenkosten nicht mehr, solange diese weder der Art noch der Höhe nach so ungewöhnlich sind, dass Hinweise auf eine fehlende Erforderlichkeit gegeben sind (Landgericht Saarbrücken a.a.O.).
Die Klägerin berechnet Fahrtkosten, Fotokosten, Kopiekosten und Schreibgebühren, die notwendigerweise mit der Erstattung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens anfallen. Diese sind auch der Höhe nach nicht so ungewöhnlich, dass sie als erkennbar unangemessen zu bezeichnen wären.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB, ebenso die geltend gemachte Nebenforderung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre gesetzlichen Grundlagen in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
So das Urteil aus dem Saarland mit einer eingeschobenen *Anmerkung des Autors. Was ist Eure Meinung?
Hi Willi Wacker,
hier hat der Sachverständige seine Abtretungsvereinbarung aber schon geändert. Das Gericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen. Ansonsten hat die HUK hier im Saarland einen schweren Stand; zumindest bisher. Ein Urteil ohne Schnörkel. Auch so können Urteile aussehen.