In einem aktuellen Aufsatz in der Märzausgabe der Zfs hat sich die Vizepräsidentin und Vorsitzende des 6. Zivilsenates des BGH, Frau Dr. Gerda Müller, zu Wort gemeldet.
Die Frau Vorsitzende referiert unter der Überschrift „Einfluss des Geschädigten auf die Schadensentwicklung“ die Rechtsprechung des 6. Zivilsenates zu Kfz-Schäden und bringt eingangs ihrer Ausführungen folgendes zu Papier:
„Grundsätzlich kann der Geschädigte zwischen der Reparatur des Fahrzeugs und der Anschaffung eines (gleichwertigen) Ersatzfahrzeuges wählen. Im Prinzip steht auch zu seiner Disposition, ob und wie er sein Fahrzeug reparieren lässt.
Lässt er reparieren muss er allerdings das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten und kann nicht Reparaturkosten verlangen, die außer Verhältnis zum Wert des Fahrzeuges stehen.
Er sollte deshalb ein Gutachten zu den voraussichtlichen Reparaturkosten einholen – dessen Kosten natürlich erstattungsfähig sind -, wobei das Risiko einer falschen Prognose im Regelfall den Schädiger trifft.“
Eine klare und einleuchtende Empfehlung an alle Unfallopfer!
Alle Unfallopfer sollten zu den Schäden an ihren Fahrzeugen Sachverständigengutachten einholen, um ihr Wahlrecht ausüben und über das „ob“ der Reparatur entscheiden zu können.
Nur durch die Einholung von unabhängigen Sachverständigengutachten beachten die Unfallopfer das sie treffende Wirtschaftlichkeitsgebot.
Die Kosten solcher Gutachten trägt natürlich die Schädigerseite.
Nimmt man diese einfach verständlichen, bestechend knapp und klar formulierten Ausführungen der Frau Vizepräsidentin des BGH zur Kenntnis, so fragt man sich allerdings, in welcher Welt wir leben angesichts der Tatsache, dass Unfallopfer tausendfach wegen rechtswidriger Gutachterkostenkürzungen durch die HUK-Coburg klagen müssen und mittlerweile sich immer öfter von Versicherern, allen voran dem HDI, den Unsinn anhören müssen, eingereichte Schadensgutachten seien wegen enthaltender Hinweise auf das Urheberrecht des Sachverständigen zur Regulierung nicht zu gebrauchen und die Kosten seien deshalb auch nicht zu erstatten.
Sehr geehrte Frau Dr. Müller,
die Unfallopfer können nun ein ganzes Stück sicherer sein und darauf vertrauen, dass die Instanzgerichte Ihrem Votum folgen und dem Bestreben der Haftpflichtversicherer einen Riegel vorschieben, die gesamte Schadensabwicklung um den Kostenfaktor der Gutachterhonorare zu bereinigen.
Zum Schluss darf ich Ihnen aus dem Werk von Melanie Lünzer mit dem Titel „Aktives Schadensmanagement in der Kfz-Versicherung“, erschienen im VDM-Verlag Dr. Müller und beziehbar unter der ISBN-Nr. ISBN-10:3-86550-614-3, welches bereits von einem Autor als „Bedienungsanleitung zum geschäftsmäßigen Rechtsbruch“ betitelt worden ist, folgende Passage zitieren:
„Da die Reparaturkosten in der letzten Zeit stetig gestiegen sind, wird versucht, diese Bagatellgrenze durch die Versicherer teilweise bis auf 3.835,00 € zu erhöhen, um die Solidargemeinschaft zu schützen und den Einsatz von Sachverständigen zu minimieren.
Ein weiterer Grund, die Sachverständigenbegutachtung zu unterbinden, sind zusätzliche Angaben, die ein Gutachten enthält. Es werden beispielsweise Kosten der Wertminderung, Verbringungskosten, UPE-Aufschläge oder Ersatzteile erwähnt, die den Geschädigten in die Lage versetzen können, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen und fiktiv abzurechnen.“
In Anbetracht solcher meiner Meinung nach rechtswidriger Motive der Versicherer, die sich nicht scheuen, ihre ausschließlichen Kapitalinteressen mit der Plattitüde vom Schutz der Solidargemeinschaft zu verschleiern, ist die Bedeutung Ihres Plädoyers, selbstverständlich im Unfallschaden den Kfz-Sachverständigen zu beauftragen und ein Gutachten erstellen zu lassen, nicht hoch genug einzuschätzen.
An dieser Stelle meinen verbindlichen Dank dafür, dass Sie mit erfreulicher Klarheit Stellung bezogen haben.
Herzlichst, ihr Peter Pan
Hallo Peter,
mit deinem obigen Bericht bist du mir zuvorgekommen. Wichtig ist die Darstellung der Frau Dr. Müller, dass der Geschädigte ein Gutachten zu den voraussichtlichen Reparaturkosten einholen sollte, dessen Kosten natürlich erstattungsfähig sind ( vgl. BGH VersR 2007, 560 ). Das Risiko einer falschen Prognose im Gutachten trägt der Schädiger ( BGHZ 115, 364, 370 ). Eigentlich war dieser Grundsatz immer schon gültig. Ich verweise insoweit auf die Ausführungen der Frau Dr. Müller in VersR. 2005, 1461 ff. Insoweit dürften daher die Kosten des Sachverständigengutachtens zum vom Schädiger zu ersetzenden Schaden gehören. Basta!
MfG
Willi
Hi Peter,
Wortmann hat bereits in seinem Aufsatz in VersR. 1998, Seite 1204, 1210 darauf hingewiesen, dass zu den vom Haftpflichtversicherer des Schädigers zu ersetzenden Schadenspositionen grundsätzlich auch das Honorar des vom Geschädigten für die Erstellung des Schadensgutachtens eingeschalteten Kfz-Sachverständigen gehört. Die Kosten des SV gehören zu dem nach § 249 BGB zu erstattenden Herstellungsaufwand ( vgl.zur herrsch.Meinung: BGH NJW-RR 1989, 953, 956; vgl. auch Wortmann ZfS 1999, 1 f.). Insoweit ist die m.E. absolute herrschende Meinung und Rechtsprechung dahingehend, dass SV-Kosten zu ersetzender Schaden ist. Wie Willi Wacker am 19.3.09 zutreffend ausgeführt hat, ist dies auch absolut h.A. des BGH. Ich meine, dass daran auch nichts zu rütteln ist.
Hi Peter,
wichtig ist auch, dass das vom Geschädigten in Auftrag gegebene Schadensgutachten eine zweifache Funktion hat, nämlich einmal die Schadenshöhe festzustellen inklusive Wiederbeschaffungswert oder Restwert und andererseits den Reparaturweg festzustellen. Das Schadensgutachten hat eine doppelte Funktion, nämlich die voraussichtliche Reparaturkostenhöhe zu ermitteln und gleichzeitig beweiskräftige vom Haftpflichtversicherer zu akzeptierende Unterlagen für die Anspruchs- und Rechtsverfolgung zu sichern (vgl. Wortmann VersR 98, 1204, 1205). Es ist das legitime Recht des Geschädigten, seine Beweise zu sichern, weil es für ihn als Laien von vornherein kaum abschätzbar ist, welche Einwände später von dem eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer erhoben werden. Beweise sichern ist daher wichtig. Daher immer Schadensgutachten in Auftrag geben. Die Ansicht der Vizepräsidentin und Vors. Richterin des VI. Zivilsenates ist daher vollkommen richtig.