Mit Urteil vom 29.01.2009 (21 C 654/08) hat das AG Memmingen die HDI-Gerling Industrieversicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 372,01 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht zieht in seiner Entscheidung die Schwacke-Liste als Entscheidungsgrundlage heran, nach einer Abwägung wird eine deutliche Absage an die Fraunhofer Tabelle erteilt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet,
Die Klägerin hat gegen die Beklagte hinsichtlich der Hauptforderung einen Anspruch in Höhe von 372,01 Euro aus abgetretenem Recht.
Der Geschädigte hatte ursprünglich – vor der Teilzahlung durch die Beklagte – gegen diese einen Anspruch auf Zahlung von 875,38 Euro aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG a. F., 249 ff BGB.
Die vollumfängliche Haftung der Beklagten für die Schäden aus dem Unfallereignis vom 30.09.2 007 steht zwischen den Parteien außer Streit.
Für die reinen Mietwagenkosten – ohne Vollkaskoschutz und Verbringungskosten – hatte der Geschädigte einen Anspruch in Höhe von 683,18 Euro.
Zur Ermittlung des Normaltarifs, der im Grundsatz die zur Schadensbehebung erforderlichen Kosten (vorbehaltlich eines Aufschlags kraft besonderer Umstände des Einzelfalls) nach oben hin begrenzt, orientiert sich das Gericht an der Schwackeliste 2007.
Dabei wird nicht verkannt, dass seitens der Beklagten durchaus substanzhaltige Einwände mit einigem Gewicht gegen die „Schwackeliste“ vorgebracht wurden.
Das Gericht orientiert sich dennoch an dem Automietpreisspiegel von Schwacke; dies erfolgt letztlich aus den folgenden Gründen, welche aus Sicht des Gerichts in ihrer Summe die vorgebrachten Einwände – welche nicht im Einzelnen wiedergegeben werden sollen – überwiegen:
Die Erhebung des Fraunhofer Institutes stützt sich zu einem Großteil auf Preise, die dem Internet entnommen sind. Hierbei sind Tarife erfasst, denen eine Vorbuchungszeit zugrunde liegt. Eine solche Vorbuchungszeit kommt naturgem. nach einer Unfallsituation regelmäßig nicht in Betracht.
Soweit die Verfasser der Fraunhoferstudie auf dem Standpunkt stehen, der Anmietzeitpunkt habe nur in äußerst seltenen Fällen Einfluss auf den Preis, bestehen hieran seitens des Gerichts ganz erhebliche Zweifel. Dies widerspricht nicht nur, worauf Neidhardt/Krener zu Recht hinweisen, betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Die Annahme widerspricht auch zum Teil gerade bei Internetangeboten über Internet-Suchmaschinen zahlreich auffindbaren Angeboten wie „Frühbucher-Rabatt“ bei Mietwagenanbietern. Da der Inhalt und die Methodik der „Voruntersuchung“ des Fraunhofer-Instituts zu dieser Frage im Dunkeln bleibt, kann nicht einfach deren Zutreffen unterstellt werden.
Ganz erheblich sind die Bedenken des Gerichts gegenüber der Erhebung des Fraunhofer-Instituts aufgrund der grobmaschigen regionalen Unterteilung der Ergebnisse. Es ist allgemein bekannt, dass auf dem Mietwagenmarkt stark ausgeprägte regionale Unterschiede herrschen können. Eine Aufgliederung bis in den dreistelligen Postleitzahlenbereich, wie sie dem Schwacke-Automietpreisspiegel zugrunde liegt, erscheint daher für eine im Einzelfall aussagekräftige Schätzungsgrundlage unverzichtbar. Die Erhebung des Fraunhofer-Instituts stellt sich daher als gegenüber der Schwackeliste zur Ermittlung des örtlichen Preisniveaus als erheblich weniger geeignet dar, gerade auf das örtliche Preisniveau kommt es indes bei der Ermittlung des relevanten Normalpreises an.
Es ist ferner notwendig, dass die im Rahmen der Schadensschätzung heranzuziehende Schätzungsgrundlage auf einer Erhebung beruht, welche mit möglichst umfassender Repräsentativität ausgestattet ist. Nachdem unstreitig bei den Internetangeboten – welche den größten Anteil an der Datenerhebung seitens des Fraunhofer-Instituts hat -lediglich die 6 führenden Autovermietungen in Deutschland berücksichtigt wurden, erscheint diese umfassende Repräsentativität beim Preisspiegel des Fraunhofer-Instituts als in geringerem Maße gegeben als beim Schwacke-Automietpreisspiegel.
Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass der Tatrichter bei der Ausübung des Schätzungsermessens nach § 287 ZPO besonders frei ist; sofern für die Schätzung brauchbare Grundlagen wie z.B. anerkannte Tabellen vorliegen, braucht er auch nicht jedem einzelnen Fall durch die Einholung von einzelfallbezogenen Sachverständigengutachten nachzugehen. Das Gericht macht von seinem Schätzungsermessen gem. § 287 ZPO aufgrund der obigen Ausführungen dahingehend Gebrauch, dass es bei der Ermittlung des die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB begrenzenden Normaltarifs den Automietpreisspiegel/Schwacke zugrunde legt. Entgegen der klägerseits zugrunde gelegten Berechnungsweise geht das Gericht gem. seiner Übung jedoch so vor, dass bei einer Anmietdauer von über 3 Tagen eine Kombination der günstigeren Langzeitpauschale vorzunehmen ist; zum Anderen zieht das Gericht – den nicht unbeachtlichen Vorbehalten, die gegenüber dem „Modus“ als tragfähige, statistische Bezugsgröße geltend gemacht werden, Rechnung tragen – das arithmetische Mittel heran.
Für das unfallgeschädigte Fahrzeug (Klasse 6) ist nach der Schwacke-Liste für eine Anmietdauer von 9 Tagen ein Mietpreis von 731,52 Euro brutto als dem Normaltarif entsprechend anzusehen (eine Wochenpauschale zu 620,83 Euro zuzüglich 2 Tagespauschalen von jeweils 110,69 Euro).
Die geltend gemachten Mietwagenkosten, die dem Geschädigten letztlich in Rechnung gestellt wurden und die Gegenstand der Klage sind, betragen 683,18 Euro; sie liegen dementsprechend unter dem durch das Gericht angenommenen Normalpreis und sind daher vollumfänglich ersatzfähig.
Die geltend gemachten Kosten für die Vollkaskoversicherung in Höhe von 198,25 Euro sind vollumfänglich ersatzfähig. Nachdem das Fahrzeug des Geschädigten etwa 6 1/2 Jahre alt war, während es sich bei dem Mietwagen um ein maximal 7-8 Monate altes Fahrzeug mit einer Laufleistung von erst 13.916 Kilometer handelte, sind die Mehraufwendungen für den Vollkaskoschutz als adäquate Schadensfolge anzusehen. Die Höhe der Kosten ist nicht zu beanstanden, da sie unter der Summe aus zwei Eintagespreisen und eines Wochenpreises gem. dem arithmetischen Mittel der Schwacke-Liste (210,98 Euro) liegt.
Die Zustellungs- und Abholkosten in Höhe von insgeamt 30,42 Euro sind ersatzfähig. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der klägerische Vortrag, das Fahrzeug habe dem Geschädigten zugestellt werden müssen und ein Taxi für Abholung und Rückführung des Fahrzeugs wäre teurer gewesen als die geltend gemachten Kosten, durchaus hinreichend konkret. Denn sie ermöglichen ohne weiteres ein konkretes Bestreiten, welches die Beweispflicht der Klägerseite auslösen würde. Ein solches Bestreiten ist jedoch nicht erfolgt. Die Kosten erscheinen mit 15,21 Euro pro Verbringung auch nicht als überhöht.
Von der Gesamtsumme des grundsätzlich ersatzfähigen Schadens in Höhe von 911,85 Euro ist, da die Anmietung eines klassenniedrigeren Fahrzeugs nicht dargelegt ist, ein Abzug pauschal ersparter Eigenaufwendungen in Höhe von 4 % vorzunehmen. Es verbleiben 875,38 Euro.
Der ursprüngliche Anspruch des Geschädigten ist durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 503,37 Euro zum Teil durch Erfüllung erloschen. Es verblieb ein Anspruch in Höhe von 372,01 Euro.
Dieser Anspruch ist im Wege der Abtretung gem. § 398 BGB auf die Klägerin übergegangen. Die geltend gemachte Hauptforderung war der Klägerin daher antragsgem. zuzusprechen.
Soweit das AG Memmingen.
Hallo Babelfisch,
Schwacke jetzt auch im Allgäu in und Fraunhofer out. Der Schwacke-Teppich wird von Urteil zu Urteil immer enger geknüpft. Sie haben dabei mit Sicherheit mitgeholfen. Weiter so.
MfG Willi Wacker