AG Halle verurteilt HUK Coburg zur Erstattung der restlichen Schadensersatzpositionen im Rahmen der fiktiven Abrechnung (Az.: 93 C 1239/11 vom 23.09.2011)

Sehr geehrte Captain HUK Leser. Hier ein brandaktuelles und hochinteressantes Urteil aus Halle (Saale), das wir Ihnen nicht vorenthalten wollen.
Mit Entscheidung vom 23.09.2011 (93 C 1239/11) wurde die HUK Coburg Allgemeine Versicherung AG durch das Amtsgericht Halle (Saale) zur Erstattung des restlichen Schadensersatzes verurteilt.  Es handelte sich hierbei um die Kosten für die Ersatzteilzuschläge, die merkantile Wertminderung sowie, wie sollte es anders sein, auch den Restbetrag des seitens der HUK  Coburg gekürzten Sachverständigenhonorars.  Ein super Urteil, bei dem das Schadensersatzrecht vollumfänglich und fehlerfrei umgesetzt wurde. Die Argumentation zu den Ersatzteilzuschlägen ist schlüssig und auch die Gründe für die Zuerkennung einer merkantilen Wertminderung entsprechen den Grundlagen, die zu einer Wertminderung führen. Auch zu den Verbringungskosten – obwohl nicht Gegenstand der Klage – wurde entsprechend argumentiert. Beim Sachverständigenhonorar erfolgte der unmissverständliche Hinweis, dass es sich hier um eine Forderungen im Rahmen des Schadensersatzrechts handelt und nicht um Rechtsansprüche aus dem Werkvertragsrecht. Werklohngesichstpunkte, wie z.B. die Üblichkeit eines Sachverständigenhonorars, haben im Schadensersatzprozess eben nichts zu suchen.

Ein überzeugendes Urteil als hervorragende Ergänzung zu den Urteilen des AG Berlin-Mitte (3 C 3118/11 u. 102 C 3088/11). Damit sind wesentliche Schadenspositionen hinreichend schlüssig abgedeckt. Herzlichen Dank an den „edlen Spender“ für die Überlassung des Urteils.

Amtsgericht Halle

Geschäfts-Nr.:
93 C 1239/11

Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit

des Herrn …

Kläger

gegen

Firma HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG vertr.d.d. Vorstände …

Beklagte

hat das Amtsgericht Halle (Saale) im Verfahren gem. § 495 a ZPO am 23. September 2011 durch den Richter am Amtsgericht …

für Recht erkannt:

1.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 114,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Juli 2010 zu bezahlen.

2.) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Forderung des Kfz-Sachverständigenbüros … in Höhe von noch 148,94 € aus der Rechnung Nr. … vom 2. Juni 2010 freizustellen.

3.) Die Beklagte wird verurteilt, an die …-Rechtsschutzversicherungs-AG 48,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Juni 2011 zu bezahlen.

4.) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

5.) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

6.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

Der Streitwert wird bis zum 26. August 2011 auf 453,13 € und für die Zeit ab 27. August 2011 auf 263,63 € festgesetzt.

Tatbestand:

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.)

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist, soweit noch rechtshängig, in vollem Umfang begründet (abgesehen von einem geringen Teil der Zinsforderung). Anspruchsgrundlage ist § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG. Die Alleinhaftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.

Die Beklagte muss die restlichen (fiktiven) Reparaturkosten laut Gutachten des Sachverständigenbüros … bezahlen. Der Sachverständige hat hierbei zu Recht Ersatzteilaufschläge berücksichtigt. Dass diese zum erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören, ergibt sich aus der von dem Kläger vorgelegten Gutachten. Dass diese Kosten noch nicht angefallen sind, ist unerheblich, denn es ist nun einmal das Wesen der vom Gesetz zugelassenen fiktiven Abrechnung, dass Kosten abgerechnet werden, die nicht angefallen sind. Aus § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB, der die Erstattung der Mehrwertsteuer im Falle der fiktiven Abrechnung ausdrücklich ausschließt, folgt im Umkehrschluss, dass andere erforderliche, aber noch nicht angefallene, Kosten bei der fiktiven Abrechnung erstatten werden müssen. Gleiches gilt um übrigen für die oft umstrittenen, wenn auch vorliegend nicht streitgegenständlichen, Verbringungskosten.

Auch die Wertminderung ist wie vom Sachverständigen ermittelt zu ersetzen. Im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO kann insoweit von dem (Partei)-Gutachten des Sachverständigenbüros … ausgegangen werden. Ob nach der Instandsetzung „objektiv wahrnehmbare Mängel“ verbleiben würden, ist unerheblich, denn die Tatsache des (auch reparierten) Vorschadens als solche wird von potenziellen Käufern misstrauisch betrachtet und senkt daher den Wert des Fahrzeuges.

Der Kläger ist auch von der restlichen Honorarforderung des Sachverständigen freizustellen. Wem nun ein Original der Gutachterrechnung übersandt worden ist und wem nur eine Kopie, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass der Kläger dem Sachverständigen gemäß § 631 BGB das Honorar für das Gutachten bezahlen muss und dass gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG die Beklagte hierfür aufkommen muss. Der Kläger hat die Rechnung des Sachverständigen vom 2. Juni 2010 bereits vorgelegt (Anlage K 3). Die Beklagte selbst hat die Kosten des Sachverständigen bereits teilweise an diesen bezahlt, sodass es der Beklagten nun verwehrt ist, dem Grunde nach Einwendungen gegen diesen Anspruch zu erheben.

Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs ist zu betonen, dass vorliegend kein Werklohnanspruch des Sachverständigen, sondern ein Schadensersatzanspruch des Unfallgeschädigten streitgegenständlich ist. Schon aus diesem Grund liegen die meisten Ausführungen der Beklagten neben der Sache, denn Prüfungsmaßstab ist nicht, ob die Vergütung üblich im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB ist. Erheblich ist allein, ob die Sachverständigenkosten zum erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören. Dies ist zu bejahen. Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. So lange für ihn allein als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen. (OLG Naumburg, Urteil vom 20. Januar 2006, Az. 4 U 49/05, zitiert nach juris). Da das Sachverständigenbüro … zu den führenden und anerkannten Sachverständigenbüros in H. gehört, kann die Einholung eines Gutachtens gerade durch diese Büro ohne weiteres als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB angesehen werden. Insbesondere ist kein Auswahlverschulden des Klägers bei der Beauftragung dieses Büros zu erkennen. Eine Pflicht zur Einholung verschiedene Vergleichsangebote (wie sie von der Rechtsprechung bei der Anmietung eines Mietwagens teilweise bejaht wird) gibt es bei der Beauftragung eines Sachverständigen gerade nicht. Der Geschädigte muss vor Erteilung des Gutachterauftrages keine „Marktforschung“ betreiben, so lange für ihn als Laie nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige seine Vergütung geradezu willkürlich ansetzt. Der Sachverständige kann auch nach einer Honorartabelle abrechnen (OLG Naumburg a.a.O.), ohne dem Vorwurf der Willkür ausgesetzt zu sein. Der Streit zwischen Sachverständigem und Schädiger bzw. dessen Pflichtversicherer darf nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden (OLG Naumburg a.a.O.).

Die Beklagte muss auch die der Höhe nach zutreffend berechneten außergerichtlichen Anwaltskosten bezahlen. Der Anspruch ist auf den Rechtsschutzversicherer, der die Kosten gezahlt hat, übergegangen, sodass der Kläger zu Recht Zahlung an den Rechtsschutzversicherer verlangt.

Der Zinsanspruch beruht hinsichtlich der Hauptforderung auf §§ 286 Abs. 1, Abs. 3, 288 Abs. 1 BGB, wobei Verzug allerdings ist dreißig Tage nach Fälligkeit eingetreten ist. Bezüglich der vorgerichtlichen Anwaltskosten beruht die Zinsforderung auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Die Einwendungen der Beklagten zur Fälligkeit der vorgerichtlichen Anwaltskosten sind nicht nachzuvollziehen. Mit Klageerhebung ist die Angelegenheit „außergerichtliche Rechtswahrnehmung“ beendet im Sinne des § 8 Abs. 1 RVG, sodass in diesem Moment auch Fälligkeit eintritt. Jede gebührenrechtliche Angelegenheit ist wegen der Fälligkeit der Vergütung isoliert für sich zu betrachten. Auch wenn der Auftrag noch nicht erledigt ist, kann es sein, dass die gebührenrechtliche Angelegenheit beendet ist und der Vergütungsanspruch für diese gebührenrechtliche Angelegenheit fällig geworden ist. Insbesondere sind mehrere gebührenrechtliche Angelegenheiten anzunehmen bei außergerichtlicher Vertretung und Zivilprozess. (Hartung / Schons / Enders, RVG, München 2011, § 8 Rn 18.)

Die Kostenentscheidung beruht, soweit die Parteien den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt haben, auf § 91a ZPO und im übrigen auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Es ist kein Grund zu erkennen, gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO die Berufung zuzulassen. Die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO begründet keine Rechtsfragen, die durch das Berufungsgericht geklärt werden müssten.

Richter am Amtsgericht

Urteilsliste “fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>

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