AG Kirchhain: Auch bei einem 4 Jahre alten Pkw ist die Verweisung auf eine alternative Werkstatt unzumutbar, wenn das Fahrzeug werkstattgepflegt ist. [AG Kirchhain/Hessen Urt. v. 8.8.2011 – 7 C 166/11 -].

Hallo sehr verehrte Captain-HUK-Leser,

nachfolgend gebe ich Euch ein Urteil des Amtsgerichtes Kirchhain in Hessen bekannt.  In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit ging es um die Schadensabrechnung bei fiktiver Abrechnung. Das verunfallte Fahrzeug des Geschädigten war zur Unfallzeit 4 Jahre alt, allerdings ständig in der Markenfachwerkstatt gepflegt und gewartet worden.  Gleichwohl meinte die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung, den Geschädigten auf eine freie  Werkstatt verweisen zu können. Sie legte der Abrechnung die Stundensätze der freien Werkstatt zugrunde und ignorierte bewußt die vorgelegten Garantiebescheinigungen, die die durchgeführten Inspektionen in der Markenfachwerkstatt bewiesen. Damit wurde auch bewußt das BGH-Urteil BGH NJW 2010, 606 ff. ignoriert. Was stört mich bei der Schadensabrechnung die entgegengesetzte BGH-Rechtsprechung? Nein, so nicht!  Lest aber selbst und gebt Eure Meinungen ab.

Herzlichst
Euer Willi Wacker

 

Amtsgericht Kirchhain                                  Verkündet am: 08.08.2011
Aktenzeichen: 7 C 166/11

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

Beklagte

hat das Amtsgericht Kirchhain durch den Richter … im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO mit einer Einlassungsfrist bis zum 18.07.2011 am 08.08.2011

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 715,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 04.03.2011 sowie Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 139,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seitdem 05.05.2011 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall. Am 29.01.2011 kam es zu einem Unfall, bei dem das dem Kläger gehörende Kraftfahrzeug Opel Tigra beschädigt wurde. Unfallgegner und alleiniger Verursacher des Verkehrsunfalls war ein bei der Beklagten gegen Haftpflichtschäden versichertes Kraftfahrzeug. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig geblieben.

Bei dem Fahrzeug des Klägers handelt es sich um ein Fabrikat der Marke Opel, das im April 2006 erstmalig im Straßenverkehr zugelassen wurde. Der Kläger ist ausweislich der zur Akte gereichten Garantieurkunde der dritte Besitzer. Aus den zur Akte gereichten Garantierurkunden ergibt sich weiterhin, dass die Zwischen- und Hauptinspektionen in dem von dem Garantiezertifikat vorgeschriebenen Rhythmus bei der Firma … vorgenommen wurden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das zur Akte gereichte Garantieheft verwiesen (Bl. 50 ff d.A.).

Das Fahrzeug erlitt unfallbedingt Beschädigungen im Heckbereich. Der Kläger beauftragte zur Bezifferung des erforderlichen Reparaturaufwands einen Privatsachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens. Der Sachverständige erstellte am 03.02.2011 ein Gutachten. In diesem bezifferte er den erforderlichen Reparaturbetrag auf 3.979,45 € netto (Bl. 11 d.A.). Der Kläger rechnet auf Grundlage dieses Gutachten fiktive Reparaturkosten ab. Die Beklagte unterzog das Privatsachverständigengutachten ihrerseits einer gutachterlichen Prüfung. Unter Zugrundelegung des identischen Reparaturumfanges und unter Berücksichtigung der Kosten einer alternativen Reparaturwerkstatt errechnete die Beklagte Reparaturkosten in Höhe von 3.263,82 € (Bl. 38 d.A.).

Die Beklagte liquidierte auf der Grundlage ihrer gutachterlichen Reparaturkostenschätzung den entstandenen Schaden. Den Differenzbetrag zwischen dem von dem Gutachter errechneten Betrag von 3.979,45 € und dem von der Beklagten als angemessen angesehenen Betrag von 3.263,82 €, nämlich 715,63 €, zahlte die Beklagte nicht an den Kläger. Die Aufforderung des Klägervertreters, bis zum 03.03.2011 den Differenzbetrag von 715,63 € zu zahlen, blieb erfolglos. Für diese Tätigkeit macht der Klägervertreter Anwaltsgebühren in Höhe einer 1,5-fachen Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und MwSt geltend. Den sich daraus rechnerisch ergebenden Betrag von 139,23 € verlangt der Kläger von der Beklagten ersetzt.

Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm der Betrag von 715,63 € als erforderliche Wiederherstellungskosten zustehen. Dabei vertritt er die Ansicht, dass die von dem Sachverständiger in Ansatz gebrachten Lohnkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt erforderlich sind. Des Weiteren ist der Kläger der Auffassung, dass der von dem Sachverständigen berücksichtigte Aufschlag auf die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers auf die Ersatzteilkosten zu ersetzen ist.

Der Kläger vertritt hierzu die Auffassung, dass er sich nicht auf günstigere Reparaturmöglichkeiten – hier in Gestalt der Firma … – verweisen lassen muss.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 715,63 € riebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssate hieraus seit dem 04.03.2011 sowie weitere 139,23 € vorgerichtnche Rechtsverfoigungskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit d&m 05.05.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass sich der Kläger auf eine günstigere – nicht markengebundene Fachwerkstatt – verweisen lassen muss. Hierzu trägt die Beklagte vor, dass es sich bei dem günstigeren Referenzbetrieb Firma … um eine Fachwerkstatt handelt, in der Originalersatzteile verwendet werden und eine mehrjährige Garantie gewährt wird. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 38 d A verwiesen. Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass ein Aufschlag auf die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers der Ersatzteile nicht ersatzfähig ist.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsatze nebst Anlage verwiesen.

Das Gericht hat mit Einverständnis der Parteien das schriftliche Verfahren gem. § 128 Abs. 2. angeordnet. Hierzu wird auf den Beschluss vom 01.07.2011 verwiesen (Bl. 60 d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die Klage war vollumfänglich begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der straßenverkehrsrechtlichen Haftung gem. §§ 7, 17 StVG in Verbindung mit dem gesetzlichen Schuldbeitritt des Haftpflichtversicherers, § 115 VVG, ein Anspruch auf Zahlung weiterer 715,63 € zu.

Die Beklagte schuldet gem. § 249 BGB den Ersatz der erforderlichen Wiederherstellungskosten. Dies umfasst bei einer fiktiven Schadensabwicklung den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag ohne Umsatzsteuer.

Geschuldet ist danach der Ersatz derjenigen Reparaturkosten, die bei einer gedachten Reparatur des Fahrzeugs in einer markengebundenen Fachwerkstatt entstanden wären. Grundsätzlich kann hierzu zunächst auf die von einem Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten unter Zugrundelegung der üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt ausgegangen werden (BGH NJW 2003, 2086). Aus § 254 Abs. 2 BGB folgt allerdings, dass der Geschädigte im Falle einer fiktiven Abrechnung auch die Möglichkeit einer kostengünstigeren Reparatur verwiesen werden kann, wenn eine solche Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt zumutbar ist (BGH a.a.O.). Bei der Bewertung der Zumutbarkeit ist einerseits darauf Rücksicht zu nehmen, dass der Geschädigte ausweislich § 249 BGB Herr des Restitutionsgeschehens ist. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass dem Schädiger auch eine Obliegenheit trifft, den eingetretenen Schaden möglichst gering zu halten.

Maßgeblich für die Zumutbarkeit eines Verweises auf eine nicht markengebundene Fachwerkstatt ist das Alter des Fahrzeuges sowie die bisherige Abwicklung von Reparaturen und Inspektionen (BGH NJW 2010, 606, 607 m.w.N.). Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben ist bei Fahrzeugen mit einem Alter bis zu 3 Jahren von einer grundsätzlichen Unzumutbarkeit des Verweises auf alternative Fachwerkstätten auszugehen. Im Fall eines älteren Fahrzeugs ist maßgeblich darauf abzustellen, ob der Geschädigte ein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur im Rahmen der ihn treffenden sekundären Dariegungslast belegen kann. Hierzu kann darauf abgestellt werden, ob der Geschädigte sein Fahrzeug in dem zuvor verstrichenen Zeitraum in einer solchen markengebundenen Fachwerkstatt reparieren und inspizieren ließ.

Nach diesen Maßstäben war davon auszugehen, dass sich der Kläger nicht auf die aufgezeigte alternative Reparaturmöglichkeit verweisen lassen musste. Zwar ist das Auto nach der Erstzulassung im April 2006 im Unfallzeitpunkt (Januar 2011) bereits fast 5 Jahre alt. Die Unzumutbarkeit ergibt sich jedoch aus dem Umstand, dass der Kläger und die Voreigentümer des Fahrzeuges dieses im Rahmen der regelmäßigen Inspektionsintervalle bei einer markengebundenen Fachwerkstatt – hier der Firma … vorgestellt haben. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die eingetretenen Beschädigungen nicht lediglich oberflächlich sind. Ausweislich der Reparaturbeschreibung des Sachverständigen … beschränkt sich der erforderliche Wiederherstellungsaufwand nicht nur auf Bauteile im Außenbereich des Fahrzeugs sondern streckt sich mit dem Längsträger und den Koffer- bzw. Laderaumboden auch um Bauteile im Fahrzeuginneren.

Schließlich ist auch zu berücksichtigten, dass das Fahrzeug mit 47.000 km noch eine recht geringe Laufleistung aufweist.

Der Kläger kann daher den Mehraufwand ersetzt verlangen, der unter Zugrundelegung der höheren Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt entsteht.

Der Kläger kann darüber hinaus als erforderlichen Wiederherstellungsaufwand auch den sogenannten UPE-Aufschlag ersetzt verlangen. Zu den ersatzfähigen Kosten gem. § 249 BGB zählen auch jene Kosten, die bei einer bedachten Reparatur des Fahrzeuges tatsächlich anfallen würden. Da nach dem Ergebnis des Privatgutachtens bei einer gedachten Reparatur in der markengebundenen Fachwerkstatt die aufgeführten UPE-Zuschläge anfielen, sind sie im Rahmen der fiktiven Abrechnung ersatzfähig. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass im Falle einer tatsächlichen Reparaturdurchführung die aufgeführten Zuschläge nicht in Ansatz gebracht würden.

Der geschuldete Betrag von 715,63 € ist gem. §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB seit dem 04.03.2011 zu verzinsen.

Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsvergütung ergibt sich aus § 249 BGB. Zu den erforderlichen Kosten der Schadensbeseitigung zählen auch Rechtsverfolgungskosten. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts war hier erforderlich. Die dem Klägervertreter zustehenden Gebühren sind zutreffend berechnet. Dem Klägervertreter steht bei der Festsetzung seiner Gebühren ein der richterlichen Kontrolle entzogener Ermessensspielraum zu (vgl. BGH NJW 2011, 1603). Die Bestimmung einer 1,5-fachen Gebühr durch den Klägervertreter ist daher nicht zu beanstanden. Die Gebühr ist im Übrigen zutreffend berechnet. Verzugszinsen auf die Rechtsanwaltsvergütung schuldet die Beklagte gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Volistreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Urteilsliste “fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

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6 Antworten zu AG Kirchhain: Auch bei einem 4 Jahre alten Pkw ist die Verweisung auf eine alternative Werkstatt unzumutbar, wenn das Fahrzeug werkstattgepflegt ist. [AG Kirchhain/Hessen Urt. v. 8.8.2011 – 7 C 166/11 -].

  1. Hans Hartmann sagt:

    Hi Willi Wacker,
    in dem Urteil ist klar dargestellt: „…Maßgeblich für die Zumutbarkeit eines Verweises auf eine nicht markengebundene Fachwerkstatt ist das Alter des Fahrzeuges sowie die bisherige Abwicklung von Reparaturen und Inspektionen (BGH NJW 2010 606, 607 m.w.N.). Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben ist bei Fahrzeugen mit einem Alter bis zu 3 Jahren von einer grundsätzlichen Unzumutbarkeit des Verweises auf alternative Fachwerkstätten auszugehen. Im Fall eines älteren Fahrzeugs ist maßgeblich darauf abzustellen, ob der Geschädigte ein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast belegen kann. Hierzu kann darauf abgestellt werden, ob der Geschädigte sein Fahrzeug in dem zuvor verstrichenen Zeitraum in einer solchen markengebundenen Fachwerkstatt reparieren und inspizieren ließ…“ Obwohl die Dokumente über die regelmäßig durchgeführten Inspektionen vorgelegt wurden, wird dies schlicht und ergreifend von der Versicherung, welche war das?, ignoriert. Als ob das BGH-Urteil für die Versicherung nicht gilt. Eine derartige Ignoranz der höchstrichterlichen Rechtsprechung stinkt zum Himmel. Man kann nur noch mit dem Kopf schütteln. Damit man sich von solchen Versicherungen distanzieren kann, sollten in Zukunft auch die Namen der Versicherungen angegeben werden. Bei einer solche Versicherung, die die höchstrichterliche Rechtsprechung ignoriert, will ich nicht versichert sein.
    Freundlichst
    Hans Hartmann

  2. Benno sagt:

    Hallo Hans Hartmann
    Nicht nur die Ignoranz der Versicherung stinkt zum Himmel, sondern auch die der Gerichte zu den BGH-Entscheidungen. Wo bitteschön ist Schritt 1? Wo ist der Nachweis der Gleichwertigkeit (siehe auch AG Berlin-Mitte)? Dieses Kriterium wird inzwischen salopp übersprungen und gleich zum Tagesordnungspunkt 2 und 3 übergegangen. Alter und Scheckheft sind Trumpf. Aber auch in der Scheckheftbegründung hinkt was. In welchem BGH-Urteil steht, dass das Fahrzeug durchgängig beim Vertragshändler gewartet werden muss? Maßgeblich ist doch, ob der jetzige Besitzer mit seinem Fahrzeug immer in der Wartung bei der Vertragswerkstatt war. Der stellt doch die Ansprüche. Also muss auch nur dessen Werkstattverhalten geprüft werden. Das ist die logische Konsequenz aus den BGH-Urteilen. Was interessiert das Werkstattverhalten der bisherigen Besitzer? Muss sich der jetzige Besitzer auf Billigwerkstätten verweisen lassen, nur weil irgend einer seiner Vorgänger bei einer Inspektion fremd gegangen ist? Wäre völlig unlogisch.

  3. Willi Wacker sagt:

    Hallo Benno,
    der Richter würgt da den Anspruch ab, wo er nach der Relationstechnik bereits den Hebel zur Klageabweisung ansetzen kann, nämlich in diesem Fall bei der Marken-Werkstattpflege. Wenn der Geschädigte das auch älter als 3 Jahre alte Fahrzeug in der Markenfachwerkstatt gepflegt hat, ist die Verweisung unzumutbar (siehe BGH). Dann wird die Klage schon aus Schritt 2 abgewiesen. Zu Schritt 1 muss dann schon nichts mehr gesagt werden, weil eben die Klage schon aus Schritt 2 abzuweisen ist. Ob die von der Versicherung benannte Werkstatt gleichwertig ist, kann in diesem Fall dahinstehen. Selbst wenn sie gleichwertig wäre, wäre die Klage trotzdem abzuweisen gewesen. Mit der Prüfung, dass lückenlos die Inspektionen in der Markenfachwerkstatt durchgeführt wurden, hat der Richter nur den Sack endgültig zugemacht. Das Urteil ist schon in Ordnung.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi Wacker

  4. RANRW sagt:

    @ Benno:

    Hallo,

    leider wird der Begriff des „lückenlosen Scheckheftes“ im Hinblick auf die hier diskutierte Problematik häufig auf das Fahrzeug und nicht den Besitzer bezogen. Begründet wird dies damit, dass durch Kauf eines nicht lückenlos scheckheftgepflegten PKW eben zum Ausdruck gebracht wurde, dass es einem nicht entscheidend auf diesen Punkt ankommt, woran auch die spätere selbst vorgenommene „Scheckheftpflege“ nichts ändern soll.

    Anders sieht das allerdings das AG Trier (jedenfalls bei Kauf des Fahrzeuges von einer markengebundenen Fachwerstatt nur entscheidend ob der Betreffende das Fahrzeug selbst während seines Besitzes bei solcher Fachwerkstatt hat warten lassen)
    AG Trier: Urteil vom 29.12.2009 – 8 C 217/09

    MfG

  5. CH-Leser sagt:

    Hi Benno,

    die Richterschelte ist ganz überflüssig. Die Richterin in diesem Fall hat es ganz richtig gemacht.

    Schon wegen der lückenlosen Scheckheftpflege dieses Wagens war der Verweis auf eine freie Werkstatt für die Geschädigte unzumutbar.

    Wir sollten daher mit Richterschelten in Zukunft vorsichtiger sein. Dies gilt umsomehr, wenn sie sachlich auch noch unbegründet sind. Solche Äußerungen schaden dem Image dieses Forums.

  6. Benno sagt:

    Hallo CH-Leser,
    Da bin ich aber ganz anderer Meinung. Korrekte Urteilskritik in der Sache und Richterschelte sind zweierlei paar Stiefel. Für Urteilskritik gibt es bei dieser Entscheidung Angriffsfläche.

    BGH VI ZR 53/09

    1. Der Geschädigte darf seiner (fiktiven) Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Bestätigung des Senatsurteils BGHZ 155, 1 ff.).

    2. Will der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, MUSS DER SCHÄDIGER DARLEGEN UND GGF. BEWEISEN, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht.

    3. Steht unter Berücksichtigung dieser Grundsätze die Gleichwertigkeit der Reparatur zu einem günstigeren Preis fest, kann es für den Geschädigten gleichwohl unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht unzumutbar sein, eine Reparaturmöglichkeit in dieser Werkstatt in Anspruch zu nehmen.
    Dies gilt vor allem bei Fahrzeugen bis zum Alter von drei Jahren. Denn bei neuen bzw. neuwertigen Kraftfahrzeugen muss sich der Geschädigte im Rahmen der Schadensabrechnung grundsätzlich nicht auf Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie und/oder von Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten könnten.

    4. Bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten ebenfalls unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Denn auch bei älteren Fahrzeugen kann – wie vom Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen – die Frage Bedeutung haben, wo das Fahrzeug regelmäßig gewartet, „scheckheftgepflegt“ oder ggf. nach einem Unfall repariert worden ist.
    ……
    Deshalb kann auch dieser Umstand es rechtfertigen, der Schadensabrechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde zu legen, obwohl der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer dem Geschädigten eine ohne Weiteres zugängliche, gleichwertige und günstigere Reparaturmöglichkeit aufzeigt. Dies kann etwa auch dann der Fall sein, wenn der Geschädigte konkret darlegt (zur sekundären Darlegungslast vgl. etwa Senatsurteil BGHZ 163, 19, 26), dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen oder – im Fall der konkreten Schadensberechnung – sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch die Reparaturrechnung belegt.

    Die gesamte BGH Rechtsprechung fängt bei Schrit 1 an und hört bei 4 auf. Mit 1 anzufangen und dann salopp zu 3 und 4 überzugehen, entspricht nicht der Urteilslogik! Bei 2. bricht das Gebäude ja schon meist zusammen. Die Vernachlässigung dieses Punktes bei Gericht ist bereits ein kleiner Sieg für die Versicherung.

    So nebenbei kann man auch die Streitfrage mit dem Besitzer und dem Scheckheft aus dem BGH-Urteil herauslesen:

    „Dies kann etwa auch dann der Fall sein, wenn DER GESCHÄDIGTE konkret darlegt, dass ER sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen “

    Also nicht das Fahrzeug mit allen Vorbesitzern an sich, sondern die Pflegepraxis des derzeitigen Besitzers, sprich Geschädigten, ist maßgeblich für den Anspruch.

    So auch ein Hinweis in BGH VI ZR 302/08

    „Nach den bisherigen Feststellungen erscheint es aber nicht ausgeschlossen, dass es dem Kläger gleichwohl unzumutbar war, sein Fahrzeug bei der Firma M. reparieren zu lassen. Denn nach der Behauptung des Klägers, die mangels tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich zugrunde zu legen war, HATTE DER KLÄGER sein Fahrzeug bei der markengebundenen Fachwerkstatt V. gekauft, ES DORT WARTEN UND ALLE ERFORDERLICHEN REPARATUREN DORT DURCHFÜHREN LASSEN.“

    Damit dürfte die Grundsatzdiskussion zu diesem Punkt beendet sein und den Anwälten künftig jede Menge Spielraum bieten.

    Was auch noch fehlt, ist der Hinweis, dass eine Kürzung der Stundenlöhne nicht reicht, sondern dass die Versicherung ein konkretes Gegenangebot vorlegen muss. So viel Kritik muss sein! Das Ergebnis des Urteiles ist natürlich erfreulich.

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