AG Straubing verurteilt HDI Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Urteil vom 26.02.2009 (2 C 1404/08) hat das AG Straubing  die HDI Industrie Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.323,28 € zzgl. Zinsen sowie weiterer vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht wendet die Schwacke-Liste an und lehnt die Fraunhofer Tabelle ab, und zwar unter Auseinandersetzung mit dem Urteil des OLG München vom 25.07.2008 (10 U 2539/08).

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz rechtlicher Mietwagenkosten aus §§ 7, 18, 11 StVG, 3 Nr.1 PflVG bzw. § 115 VVG, 249 Abs. 2 BGB.

Dem Grunde nach ist der Schadensersatzanspruch nicht streitig.

Der Anspruch besteht auch im geltend gemachten Umfang, § 249 II BGB.

Auf die Frage, ob für den Kläger überhaupt ein Mietwagen erforderlich war, kommt es vorliegend nicht an. Jedenfalls wurde durch den Versicherungsnehmer der Beklagten das dem Kläger zur Verfügung stehende Fahrzeug reparaturdürftig beschädigt, sodass der Kläger so zu stellen war, wie er ohne Schadenseintritt gestanden hätte. Dies beinhaltet, ohne Rücksicht auf die Frage der tatsächlichen Notwendigkeit, die Verfügbarkeit eines fahrtauglichen PKWs.

Gem. § 249 BGB sind ersatzfähig die tatsächlichen Aufwendungen, welche ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (Palandt- Heinrichs, § 249 Rn. 12 m.w.N.). Im Falle der Mietwagenkosten kann der Geschädigte den Betrag ersetzt verlangen, der objektiv erforderlich war (Palandt- Heinrichs, § 249 Rn. 30).

Der Kläger hat für die Anmietung eines PKW Aufwendungen getätigt, welche ihm bislang nicht vollständig ersetzt wurden. Diese sind ihm tatsächlich entstanden.

Der Kläger konnte indes nicht zur Überzeugung des Gerichts darstellen, dass für ihn die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zum sog. „Unfallersatztarif“ erforderlich war. Da es sich hierbei nicht um eine Frage der Schadensminderungspflicht i.S.d. § 254 BGB, sondern um eine Anspruchsvoraussetzung handelt, trägt der Kläger hierfür die Beweislast, Urteil des BGH vom 13.06.2006 (VI ZR 161/05).

Die Höhe des somit nur erstattungsfähigen Normaltarif als erforderlicher Wiederherstellungsaufwand kann gemäß § 287 ZPO anhand der sog. Schwackeliste 2006 geschätzt werden. Das Gericht entscheidet im Wege des Freibeweises und ihm Rahmen pflichtgemäßen Ermessens (§ 287 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO), auf welchen Grundlagen es eine Schätzung trifft, und ob und welche Beweise zu erheben sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es im Rahmen einer Schadensschätzung nach § 287 ZPO, bei der der Tatrichter besonders freigestellt ist, grundsätzlich zulässig, zur Schätzung des Normaltarifs die Schwackeliste heranzuziehen. Der BGH hat in seinem Urteil vom 11.03.2008 (VI ZR 164/07) ausgeführt, dass es nicht Aufgabe des Tatrichters ist, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzungsgrundlage nachzugehen, die nicht auf den konkreten Fall bezogen sind. Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung sind die vorliegend vorgebrachten Einwendungen gegen die Grundlage der Schadensbemessung nicht erheblich, da nicht mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass die geltend gemachten Mängel der Schwackeliste sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Die Einwendungen der Beklagten erschöpfen sich vielmehr in allgemeinen Angriffen gegen die statistische Erhebungsmethode, wie sie bereits in dem dem Urteil des Bundesgerichtshof vom 11.03.2008 (VI ZR 164/07) vorausgegangen Urteil des Landesgerichts Gießen vom 30.05.2007 (1 S 349/06) vorgetragen worden sind und die der Bundesgerichtshof gerade als nicht ausreichende Einwendung gegen die Grundlage der Schadensbemessung angesehen hat.   

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom 11.03.2008 ist zwar zur Schwackeliste 2003 ergangen, in seinem Urteil vom 14.10.2008 VI ZR 308/07 hat der BGH aber in der Liste für das Jahr 2006 ebenso eine taugliche Schätzgrundlage erblickt. Die hiergegen z.T. vorgebrachten Angriffe sind indes auch nicht überzeugend. Soweit die Angriffe gegen die Anwendbarkeit der Schwackeliste auf schwer nachvollziehbare Steigerungen zwischen der Liste 2003 und der Liste 2006 gestützt werden, ist etwa für die hier einschlägigen Postleitzahlenbereiche ein gravierender Unterschied, der sich nicht mit einer betriebswirtschaftlich gerechtfertigten Preissteigerung erklären ließe, nicht erkennbar. Wie im Editorial zum Schwacke- Mietpreisspiegel ausgeführt, entspricht die Erhebung einer repräsentativen, wissenschaftlichen und grundsätzlichen Marktforschung, wobei die Richtigkeit der gemachten Angaben stichprobenweise kontrolliert wird.

Nichts anderes folgert das Gericht aus dem neuerlichen Urteil des OLG München vom 25.07.2008 in dem Verfahren 10 U 2539/08. Dort hat der Senat seiner Schätzung nicht die Schwackeliste, sondern eine aus neuerer Zeit stammende Untersuchung des Fraunhoferinstituts zu Grunde gelegt. Die Preise der Schwackeliste würde – argumentiert der Senat – auf Grund einer Selbstauskunft der Mietwagenvermieter in Kenntnis, dass die Angaben zur Grundlage einer Marktuntersuchung gemacht werden, ermittelt, während das Ergebnis des Preisspiegels des Fraunhoferinstituts auf einer anonymen Befragung im Rahmen eines typischen Anmietszenarios beruhten. Dem schließt sich das Gericht bei der vorliegend durchzuführenden Schätzung nicht an. Das OLG München hat in seiner Entscheidung die Argumente des BGH nicht widerlegt, sondern lediglich eine eigene Schätzungsgrundlage gewählt. Dies bedeutet nicht, dass die Schwackeliste, welche der BGH seiner Schätzung zu Grunde legt, keine geeignete Schätzungsgrundlage wäre. 

Dies hat der BGH auch in seinem neuerlichen Urteil vom 14.10.2008 (VI ZR 308/07) und unter Berücksichtigung der vorgenannten Entscheidung des OLG München ausdrücklich klarstellt. Der Senat hat dort erneut betont, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif“ auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke- Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermitteln kann, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH Urt. v. 14.10.2008, VI ZR 308/07 , Tz 19). Dem Tatrichter sei zwar nicht verwehrt, sich Bedenken gegen die Schwackeliste insbesondere dann anzuschließen, wenn er sie aufgrund rechnerischer Überlegungen bestätigt sieht, und die Schwackeliste 2006 nicht als Schätzgrundlage heranzuziehen. Dass andere Gerichte und Literaturstimmen zu einer abweichenden Einschätzung gelangen, stehe dem nicht entgegen (BGH a.a.O., Tz 23).

Das Gericht geht somit nach wie vor von der Schwackeliste 2006 als Schätzgrundlage aus. Insbesondere im hiesigen Bereich wurde von der Schwacke- Erhebung eine weit größere Anzahl von Mietwagenanbietern erfasst. Ferner differenziert die Schwackeliste exakter in einzelne Postleitzahlenbereiche, wodurch ein mögliches Preisgefälle gerade zwischen städtischen und ländlichem Raum besser zum Ausdruck kommt, wie sie sich nach Überzeugung des Gerichts im hiesigen Bezirk besonders auswirkt. Schließlich ist Schwackeliste weit weniger als die Untersuchung des Fraunhoferinstituts von Einheitspreisen bundesweit agierender Gebrauchtwagenanbieter im Internet bestimmt. Einen Gebrauchtwagen von Internet- Anbietern zu beziehen ist in Anbetracht der Tatsache, dass das Internet – noch – nicht von jedermann selbstverständlich als Informationsquelle genutzt wird, dem Unfallgeschädigten im Wege der Schadensgeringhaltungspflicht nicht zuzumuten.

Schließlich liegt der vorliegende Anmietsachverhalt vor dem 25.07.2008 – Tag der Entscheidung des OLG München -, weshalb vom Kläger im Rahmen der Schadensgeringhaltungspflicht nicht verlangt werden kann, ein ihm möglicherweise im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des BGH gemachtes Angebot kritisch zu hinterfragen.

Die Erholung des Sachverständigengutachtens zur Frage des im vorliegenden Fall ortsüblichen Mietwagentarifs hatte mangels ausreichender Anknüpfungstatsachen zu unterbleiben. Im Lichte der neuen Entwicklung der Rechtsprechung sind Selbstauskünfte der Mietwagenunternehmen gegenüber einem nicht verdeckt arbeitenden Sachverständigen nicht mehr zu erwarten. Eine betriebswirtschaftliche Untersuchung wäre zur Ermittlung des ortsüblichen Preises vorliegend nicht geeignet, da – wie bereits die Unterscheidung zwischen Normaltarif und Unfallersatztarif zeigt – weniger wirtschaftliche Aspekte auf die Bildung des Marktpreises einwirken als die Ersatzpraxis der Kfz- Haftpflichtversicherer. Schließlich hat der BGH in seiner neuerlichen Entscheidung vom 14.10.2008 auch in der umgekehrten Fallkonstellation erkannt, dass der Tatrichter nicht verpflichtet ist, seine Bedenken gegen die Schwackeliste 2006 durch Sachverständige auf die Berechtigung prüfen zu lassen (BGH a.a.O., Tz: 24 ). Nichts anderes kann für die Anwendung der Schwackeliste als Schätzgrundlage gelten.

Das Gericht hat sich aus dem – insoweit unbestrittenen – Vortrag der Klägerseite, verfahrensgegenständlich sei ein Pkw VW Golf Plus, 85 kW Leistung die Überzeugung verschafft, dass dieser Pkw jedenfalls in die Wagenklasse 5 nach der Schwacke- Liste 2006 einzuordnen ist. Der Klasse 4 unterfällt das Modell mit 55 kW, ein VW Typ Golf im Leistungsbereich des verfahrensgegenständlichen (77 kW) befindet sich allerdings im Bereich der Wagenklasse 5. Unter diesen Umständen erscheint dem Gericht eine Einordnung dort sachgerecht und angemessen. Da der Geschädigte grundsätzlich berechtigt ist, ein Fahrzeug gleichen Typs zu mieten (Palandt- Heinrichs, § 249 Rn. 30 m.w.N.), hat auch die Wagenklasse 5 der gerichtlichen Schätzung zu Grunde zu liegen.

Das Gericht wendet aus der Schwacke- Liste nicht das arithmetische Mittel, sondern das gewichtete Mittel „Modus“ an, da dieses sich an der Erreichbarkeit des entsprechenden Angebotes orientiert. Es stellt somit eine geeignetere Schätzgrundlage dar als das arithmetische Mittel.

Aus der Anwendung der Schwackeliste 2006 auf den vorliegenden ergeben sich somit Mietwagen- Grundkosten der Klasse 5 in Höhe von 1096 EUR für 7 Tage, sowie zusätzl. 626 EUR für den 8. bis 10. Tag sowie weitere 2 x EUR 250 für den 11. und 12. Tag, insgesamt also 2222 EUR.

Hiervon abzuziehen ist ein Anteil von 5 % wegen ersparter Eigenaufwendungen. Das Gericht ist der Überzeugung, dass dieser Abzug zum Ausgleich der ersparten Abnutzung am eigenen Fahrzeug ausreichend ist, da insbesondere in neuerer Zeit durch Verlängerung der Wartungsintervalle eher geringere Abnutzungskosten zu erwarten sind. Es ergibt sich bei der Schätzung somit ein Betrag von EUR 2.110,90.

Ob im Rahmen der Schadensminderungspflicht ein günstigeres Fahrzeug durch einen anderen Vermieter zur Verfügung gestellt werden hätte können, hätte der Beklagte entspr. § 254 BGB substantiiert dargelegt. Insbesondere fehlen Ausführungen zur Frage des tatsächlichen Zurverfügungstehens eines entsprechenden Pkw bei den anderen Vermietern zur konkreten Reparaturzeit und dass der Kläger hiervon hätte Kenntnis haben müssen.

Bezüglich der Kosten für die Fahrzeugzustellung ist – ergänzend – auszuführen, dass es dem Geschädigten grds. nicht zuzumuten ist, ohne eigenes KFZ zur Autovermietung zu reisen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welchen Kostenvorteil dies gegenüber der genauso langen Strecke für die Herbeibringung des Leihfahrzeuges zum Kläger haben sollte. Dem Kläger stünden somit bei entsprechender Schätzung auch weitere 52 EUR für die Zustellung des Ersatzfahrzeuges zu. Dieser Wert in der Rechnung Lermer und Partner übersteigt zwar den bundesweit geltenden Modus- Wert der Schwackeliste 2006 von 25 EUR, in Anbetracht der Tatsache, dass vorliegend eine Zustellung im ländlichen Raum erforderlich ist, und die tatsächlich angefallenen Kosten den Maximalwert von 58 EUR nach Schwacke 2006 nicht übersteigen, erscheint auch dieser Betrag noch angemessen.

Dazu, ob dem Kläger auch die Kosten für die Haftungsbeschränkung zugestanden hätten, was eine Kaskoversicherung des ausgefallenen Kfz zur Unfallzeit voraussetzte (Palandt- Heinrichs, § 249 Rn. 43 m.w.N.), wurde hier nicht näher vorgetragen. Allerdings geht das Gericht davon aus, dass diese Frage dann nicht entscheidungserheblich ist, wenn sie ohnehin der tatsächlich angefallene Mietpreis unter dem bei Schätzung gem. § 287 ZPO gewonnenen Höchstwert bewegt.

Es ergibt sich als Endergebnis der Schätzung eine Höchstgrenze für den Gesamtschaden in Höhe von EUR 2.110,90. Die klägerseits geltend gemachten Mietwagenkosten in Höhe von EUR 1.940,89 fallen unter diesen Betrag, weshalb – nach Abzug des teilerfüllten Betrages von EUR 617, 61 (§ 362 BGB) – die Klageforderung in vollem geltend gemachtem Umfang von EUR 1.323,28 besteht.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind als erforderliche Rechtsverfolgungskosten von der Ersatzpflicht des § 249 BGB umfasst. Insoweit steht dem Kläger selbst der Anspruch zu, da er zur Verfolgung der Schadensersatzforderung berechtigt und verpflichtet war. In der Höhe erscheinen sie angesichts des Gegenstandswertes und der 1,3- Gebühr angemessen.

Soweit das AG Straubing.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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3 Antworten zu AG Straubing verurteilt HDI Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

  1. Andreas sagt:

    Nicht überlesen werden sollte:

    „Auf die Frage, ob für den Kläger überhaupt ein Mietwagen erforderlich war, kommt es vorliegend nicht an. Jedenfalls wurde durch den Versicherungsnehmer der Beklagten das dem Kläger zur Verfügung stehende Fahrzeug reparaturdürftig beschädigt, sodass der Kläger so zu stellen war, wie er ohne Schadenseintritt gestanden hätte. Dies beinhaltet, ohne Rücksicht auf die Frage der tatsächlichen Notwendigkeit, die Verfügbarkeit eines fahrtauglichen PKWs.“

    Nix mit 25 km/Tag, andernfalls Taxi. Oder so etwas in der Art, was man bei Urteilen zu Mietwagen auch schon lesen musste. Wenn mir jemand meinen Pkw beschädigt, habe ich ein Recht auf einen gemieteten fahrbaren Untersatz.

    Grüße

    Andreas

  2. Jurastudentin sagt:

    Interessant ist auch die Begründung des Amtsrichters zur Anwendbarkeit von schwacke und zur Ablehnung von Fraunhofer.
    mfG
    jurastudentin

  3. Law_Shock sagt:

    @Andreas: Genauso verhält es sich! Dem Geschädigte stand vor dem Unfall ein Fahrzeug zur Verfügung, und er ist so zu stellen, als sei das schädigende Ereignis nicht eingetreten.

    Ich finde ja auch folgende Überlegung erwähnenswert: Erhöhung der Gebühr nach 2300 VV RVG auf 1,5 mit der Begründung des erhöhten Haftungsriskos in Anbetracht der durchaus noch vereinzelt divergierenden Rechtsprechung. In dem Falle würde ich ein Kürzung gerne hinnehmen mit der Begründung, dass gegen Fraunhofer kein erhöhtes Prozessrisiko mehr besteht.

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