Mit Urteil vom 31.05.2006 (13 S 0494/05) hat das LG Dresden auf die klägerseits eingelegte Berufung gegen ein Urteil des AG Dresden, mit dem die beteiligte Versicherung zur Zahlung von weiteren Mietwagenkosten in Höhe von 1.427,61 € zzgl. Zinsen verurteilt. Die Schwacke-Liste findet Anwendung.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 1.427,61 € für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges aus § 7, StVG, § 3 Nr. 1 PflVG. Das Unfallgeschehen und damit die Ersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Kläger begehrt mit der Klage allein die Erstattung weiterer Mietwagenkosten.
Die Anmietung des Ersatzfahrzeugs durch den Kläger zu einem Mietpreis für die ersten sieben Tage von 130,00 € netto pro Tag, die folgenden sieben Tage von 117,00 € netto pro Tag bzw. 77,00 € pro Tag, verstößt nicht gegen die aus § 254 Abs. 2 BGB folgende Pflicht des Geschädigten zur Schadensminderung.
Die Verpflichtung des Schädigers zum Ersatz von Mietwagenkosten, die dem Geschädigten aufgrund des Unfallereignisses entstanden sind, richtet sich entsprechend den vom BGH zum sog. Unfallersatztarif aufgestellten Grundsätzen danach, ob ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten diese für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte verstößt jedoch nicht bereits dann gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis bei Unternehmen dieser Art aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2005, Az: VI ZR 9/05; Urt. v. 19.04.2005, Az: VI ZR 37/04, m.w.N.).
Sofern sich nach Prüfung im Einzelfall ergibt, dass der Unfallersatztarif auch unter Berücksichtigung der Unfallsituation nicht erforderlich war, kann der Geschädigte nach dieser Rechtsprechung des BGH im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung den übersteigenden Betrag nur ersetzt verlangen, wenn ihm ein günstigerer Normaltarif nicht ohne Weiteres zugänglich war (BGH, a.a.O, m.w.N.)
Allein aus dem Umstand, dass die Zeugin (XXX) dem Kläger im Rahmen eines Telefonates mitgeteilt hat, dass lediglich ein Mietpreis von 48,00 € netto pro Tag seitens der Beklagten ersetzt werde, verstieß der Kläger entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, indem er ein Fahrzeug bei einer anderen Mietwagenfirma zu einem höheren Mietpreis anmietete.
Das erstinstanzliche Gericht hat zwar – entgegen der Auffassung des Klägers – die Aussage der Zeugin nicht unter Verstoß gegen § 355 ZPO verwertet, denn einen persönlichen Eindruck von der Zeugin (XXX) hätte sich das Gericht nur dann machen müssen, wenn es auf deren Glaubwürdigkeit abgestellt hätte (BGH, Urt. v. 04.02.1997, Az: XI ZR 160/96; Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 355, Rn. la) . Das Amtsgericht hat in seinem Urteil jedoch zulässigerweise nur auf die Glaubhaftigkeit der Aussage, nicht aber auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin abgehoben.
Diese Vorgehensweise der Beklagten, d.h. dem Kläger einen Maximalmietpreis, der von ihr ersetzt wird, vorzugeben, verstößt jedoch gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften, denn dadurch wird in den deliktsrechtlich geschützten Gewerbebetrieb konkurrierender Mietwagenfirmen eingegriffen (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.1998, Az: VI ZR 357/97). Dadurch wird bei den Geschädigten der unrichtige Eindruck erweckt, sie seien verpflichtet, ihr Ersatzfahrzeug bei dem ihnen von der Beklagten benannten billigsten Anbieter zu mieten, um nicht wirtschaftliche Nachteile dadurch zu erleiden, dass diese ihre Mietwagenkosten anderenfalls selbst tragen müssen.
Ob der Kläger die ihm entstandenen Mietwagenkosten von der Beklagten ersetzt verlangen kann, richtet sich nach § 249 BGB in Verbindung mit der oben dargestellten Rechtsprechung des BGH zum Unfallersatztarif. Mit den Grundsätzen des Schadensrechts ist es hingegen nicht vereinbar, wenn die Beklagte den Geschädigten verbindliche Vorgaben hinsichtlich des maximal ersetzbaren Tagesmietpreises macht. Die Frage der Ersatzfähigkeit der eingeklagten Forderung ist daher allein nach den oben dargestellten Grundsätzen zu beurteilen.
Auf die zwischen den Parteien diskutierte Frage, ob der über die Beklagte vermittelbare „Unfallersatz-Direktvermittlungstarif Pkw“ (vgl. Bl. 22 d.A.) für den Kläger ohne Vermittlung durch die Beklagte überhaupt zugänglich war, kommt es mithin nicht an. Dies dürfte jedoch ausweislich der hierfür geltenden Bedingungen (vgl. Bl. 22 d.A.) nicht der Fall sein.
Der Kläger hat nicht ausreichend vorgetragen, dass der geltend gemachte Unfallersatztarif vorliegend zur Schadensbeseitigung im Sinne von § 249 BGB erforderlich war. Unfallbedingte Umstände, die aufgrund der konkreten Unfallsituation die Erhöhung des Normaltarifs rechtfertigen, wurden seitens des Klägers nicht geltend gemacht. Auch hat er nicht ausreichend ausgeführt, dass der Normaltarif für ihn nicht zugänglich war. Denn hierfür hätte er darlegen und erforderlichenfalls beweisen müssen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (BGH, a.a.O.).
Allerdings liegt vorliegend der geltend gemachte Betrag in der Spanne eines als ortsüblich anerkannten Normaltarifs. Hierbei kann hinsichtlich der Frage der Ortsüblichkeit der Mietwagenkosten auf die klägerseits vorgelegte „Schwacke Liste – Automietpreisspiegel“ zurückgegriffen werden, in dem die Vermietpreise nach Postleitzahlen geordnet und unterteilt in Vermiettage bzw. Mietwagengruppen aufgeführt sind. Dabei ist das von dem Kläger angemietete Fahrzeug unstreitig der Mietwagengruppe 4 zuzuordnen.
In der Rechtsprechung wird die Frage der Ortsüblichkeit vielfach unter Heranziehung des „Schwacke- Mietpreisspiegels“ beantwortet (zur Anwendung der „Schwacke- Liste“: AG Koblenz, Schaden-Praxis 2000, 19; AG Iserlohn, Schaden-Praxis 2001, 382; AG Herford, Schaden-Praxis 2004, 128). Der BGH hat im Zusammenhang mit der Nutzungsausfallentschädigung die Anwendung der Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch als eine geeignete Methode der Schadensschätzung anerkannt (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2004, Az: VI ZR 357/03, m.w.N.).
Die „Schwacke-Liste“ sieht für das vorliegend relevante Postleitzahl-Gebiet „010“ als Normaltarif für die Mietwagengruppe 4 einen Tagesmietpreis von 36,00 € bis 165,00 € netto, d.h. 41,76 € bis 191,40 € brutto, vor. Der dem Kläger für die ersten sieben Tage berechnete (höchste) Mietpreis pro Tag beträgt 130,00 € netto, d.h. 150,80 € brutto, und liegt folglich in diesem Rahmen.
Die Berufungskammer stellt dabei bei der Bemessung der Ortsüblichkeit nicht auf den in der „Schwacke-Liste“ ausgewiesenen Mittelwert innerhalb des Normaltarifs, sondern auf die angegebene Mietpreisspanne ab. Denn diese gibt aufgrund der Vielzahl von Firmen, die Fahrzeuge gewerblich vermieten, Auskunft über den Rahmen, innerhalb dessen ein Preis liegen muss, um ortsüblich zu sein.
Von dem insgesamt dem Kläger für die Anmietung des Ersatzfahrzeugs in Rechnung gestellten Betrag hat der Kläger zutreffend 10% für ersparte Eigenaufwendungen abgezogen, die der Geschädigte sich regelmäßig im Rahmen des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen muss (OLG Hamm, Urt. v. 20.03.2000, Az: 13 U 181/99; LG Freiburg, Urt. v. 13.02.1990, Az: 7 S 40/89; Palandt, 63. Aufl., § 249, Rn. 32, m.w.N.).
Zudem ist der dem Kläger von der Mietwagenfirma für die Haftungsfreistellung in Rechnung gestellte Betrag in Höhe von 315,00 € netto lediglich zur Hälfte in Ansatz zu bringen, da für das beschädigte Fahrzeug kein Vollkaskoversicherungsschutz bestand (Palandt, 63. Aufl., § 249, Rn. 34, m.w.N.).
Schließlich waren dem Kläger die beklagtenseits nicht bestrittenen Zustell- und Abholkosten in Höhe von 40,00 € netto zu ersetzen.
Die beantragte Nebenforderung ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hatte die Beklagte mit Schreiben vom 22.06.2004 zu Zahlung u.a. des streitgegenständlichen Betrages bis zum 01.07.2004 gemahnt (vgl. Anlage K 4) , so dass diese sich seit 02.07.2004 in Verzug befindet.
Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache insbesondere aufgrund der Schätzung des Schadens mit Hilfe der „Schwacke- Liste“ grundsätzliche Bedeutung hat.