Mit Urteil vom 09.03.2009 (3 C 6/09) hat das Amtsgericht Arnsberg die HDI Direkt Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 116,62 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht legt die Schwacke-Liste zugrunde und lehnt die Fraunhofer Tabelle ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist nur teilweise begründet.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert, denn die im Prozess vorgelegte Abtretungserklärung vom 26.05.2008 (Bl. 5 d. A.) ist bestimmt genug, berechtigt zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderung und verstößt nicht gegen Art. 1 § 1 RBerG.
Die Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderung ist Voraussetzung für eine wirksame Abtretung. Sie liegt hier vor, denn es ist ausreichend, wenn sich die Abtretung auf eine bestimmte Art von Rechtsgeschäft bezieht (Palandt-Grüneberg, § 398 BGB, 68. Aufl., Rn. 14, 15 m.w.N.). Hier ergibt sich eindeutig aus der Abtretung, dass sie sich auf den Anteil der Schadensersatzforderung aus dem Unfall vom 22.05.2008 bezieht, der der Höhe der noch zu berechnenden Mietwagenkosten entspricht. Die abgetretene Forderung ist daher ohne Zweifel bestimmbar. Die Abtretung enthält im Übrigen auch keinerlei Einschränkungen, die die Klägerin an der gerichtlichen Geltendmachung hindern würden.
Geht es dem Mietwagenunternehmen im Wesentlichen darum, die durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen, so besorgt es keine Rechtsangelegenheit des geschädigten Kunden, sondern eine eigene Angelegenheit. Dabei ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durchaus zulässig, dem praktischen Bedürfnis nach einer gewissen Mitwirkung des Fahrzeugvermieters bei der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers Rechnung zu tragen.
Unter Beachtung der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze ist hier davon auszugehen, dass es der Klägerin bei der Einziehung der abgetretenen Forderung nicht um die Besorgung fremder Rechtsgeschäfte ging, sondern darum, die ihr eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen. Bereits der Wortlaut der ursprünglichen Abtretungserklärung vom 26.05.2008 enthält einen eindeutigen Hinweis darauf, dass die Zweckbestimmung in der Sicherung der Zahlungsansprüche der Klägerin gegen den Geschädigten liegt und dass dieser seine Schadensersatzansprüche selbst durchzusetzen habe. Außerdem hat sich die Klägerin nicht sämtliche Ansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger abtreten lassen; die Abtretung ist vielmehr auf Ersatzansprüche hinsichtlich der Mietwagenkosten beschränkt. Ferner hat sich die Klägerin den Mehrwertsteueranteil des Rechnungsbetrages offensichtlich bereits vom Geschädigten erstatten lassen. Dies alles spricht gegen eine umfassende Besorgung fremder Angelegenheiten i. S. d. Art. 1 § 1 RBerG.
Die Klägerin kann von den Beklagten Ersatz weiterer Mietwagenkosten gem. §§7, 17 StVG, § 3 PflVersG i.V.m. §§ 249, 251 Abs. 2, 398 BGB in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang verlangen.
Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Er ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Der Geschädigte verstößt allerdings nicht stets gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist. Ein höherer Tarif kann gerechtfertigt sein, soweit Besonderheiten mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, da sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolge dessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (BGH, Urt. v. 14.02.2006, VI ZR 32/05 – VersR 2006, 564).
Inwieweit dies der Fall ist, hat grundsätzlich der bei der Schadensabrechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter zu schätzen. Dabei ist er nicht genötigt, die Kalkulationsgrundlagen des konkreten Anbieters im Einzelnen betriebswirtschaftlich nachzuvollziehen. Vielmehr kommt es darauf an, ob etwaige Mehrleistungen und Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte generell einen erhöhten Tarif – unter Umständen auch durch einen pauschalen Aufschlag auf den „Normaltarif“ rechtfertigen (BGH, a.a.O.).
War der Unfallersatztarif mit Rücksicht auf die Unfallsituation nicht im geltend gemachten Umfang zur Herstellung „erforderlich“, kann der Geschädigte im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung den übersteigenden Betrag nur ersetzt verlangen, wenn ihm ein günstigerer Normaltarif nicht ohne weiteres zugänglich war. Hierfür hat der Geschädigte darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Mark – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (BGH, Urt v. 25.10.2005, VI ZR 9/05 – NJW 2006, 360).
Unter Zugrundelegung dieser vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze, denen sich das Gericht anschließt, kann die Klägerin nur die üblichen Mietwagenkosten (Normaltarif) ohne Aufschlag erstattet verlangen.
Denn die Klägerin hat weder dargelegt noch bewiesen, dass dem Geschädigten unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war.
Die Besonderheiten des vorliegenden Fall bestehen darin, dass sich der Unfall am 22.05.2008 (Donnerstag, Fronleichnam – Feiertag) ereignete, der Geschädigte aber erst am 27.05.2008 (Dienstag, und damit 4 Werktage später ein Ersatzfahrzeug anmietete. Insofern unterscheidet sich das tatsächliche Geschehen von den in den oben zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Fällen, wo eine noch zeitnaher Anmietung erfolgte. Hier besteht daher keine Notwendigkeit, die Geschädigte anders zu behandeln, als jeden anderen „normalen“ Mietwagenkunden.
Der Geschädigte hatte 4 Werktage Zeit, sich über die Modalitäten der Anmietung eines Mietwagens zu informieren. Er hätte ohne nennenswerten Aufwand Vergleichsangebote mehrerer Vermieter einholen können. Es liegt somit gerade kein Fall vor, in dem der Geschädigte aufgrund des zeitlichen Ablaufs dazu genötigt war einen Unfallersatztarif in Anspruch zu nehmen. Dann kann ihm auch zugemutet werden, genauere Erkundungen vor Abschluss eines Mietvertrages anzustellen. Vorliegend hat der Geschädigte keine Vergleichsangebote eingeholt. In einem solchen Fall ist die Beanspruchung eines Unfallersatztarifs nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB. Vielmehr können nur die „üblichen“ Mietwagenkosten erstattet, verlangt werden (vgl. LG Arnsberg, Urt. v. 17.06.2008, I – 5 S 163/07 und Urt. v. 22.01.2008 5 S 111/07).
Diese „üblichen“ Mietwagenkosten können nach Auffassung des Gerichts dem Schwacke- Mietpreisspiegel 2007 entnommen werden. Denn auch wenn der Geschädigte keinerlei Erkundigungen durchführte, kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass er im Falle solcher Erkundigungen den Preis erzielt hätte, den die Beklagte zwischenzeitlich ausgeglichen hat. Den örtlichen Markt solange abzufragen, bis eine Firma gefunden wurde, die das von der Beklagten angegebene Preisniveau anbot, konnte vom Geschädigten nicht verlangt werden. Er musste nicht zwingend zum günstigsten Marktpreis sondern nur zu einem üblichen also nicht unnötig überteuerten Marktpreis anmieten.
In einem solchen Fall kann der Schwacke- Mietpreisspiegel als Grundlage für den üblichen Mietpreis zugrunde gelegt werden. Das ergibt sich bereits daraus, dass auch für die Ermittlung der Werte der Schwacke- Liste nichts anderes gemacht wurde, als vom Geschädigten verlangt wird – nämlich die Abfrage der Preise der Vermieterstationen. Der Durchschnittswert laut Schwacke gibt daher das durchschnittliche Ergebnis dessen wieder, was der Geschädigte erhalten hätte, wenn er sich am örtlichen Markt erkundigt hätte.
Der erstattungsfähige „Normaltarif“ darf vom Tatrichter auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke- Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermittelt werden (BGH, Urt. v. 30.01.2007, VI ZR 99/06 – ZfS 2007, 330). Die Anwendung des „Schwacke- Mietpreisspiegels 2007″ ist nicht zu beanstanden. Denn aus dem Editorial zum Mietpreisspiegel ergibt sich, dass die Erhebung einer repräsentativen, wissenschaftlichen und grundsätzlichen Marktforschung entspricht. Beim Mietpreisspiegel 2007 wurden mehr als 8.700 Vermieterstationen befragt, was einer Rate von 12 Meldungen pro Postleitzahlengebiet entspricht. Warum dies nicht ausreichen soll, wird von Beklagtenseite nicht substantiiert dargelegt. Ebenso wenig bedurfte es einer Beweiserhebung über eine evtl. Ungeeignetheit des Mietpreisspiegels, weil ein Sachverständiger mit denselben Fehlerquellen zu kämpfen hätte, wie die Erhebung des Mietpreisspiegels. Denn auch er müsste in erster Linie Erhebungen bei Mietwagenunternehmen durchführen und unterliegt damit den gleichen Manipulationsmöglichkeiten. Auch stellt der „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008″ des Fraunhofer-Instituts für das Gericht keine geeignete Schätzgrundlage dar. Neben weiteren Bedenken spielt insoweit für das Gericht eine besondere Bedeutung, dass mittelständische Anbieter, die den Mietwagenmarkt insbesondere im hiesigen ländlichen Raum dominieren, nicht in die Erhebung mit einbezogen wurden. Ferner muss berücksichtigt werden, dass die massive Internetlastigkeit dieser Erhebung für den ländlichen Raum gerade kein repräsentatives Ergebnis widerspiegelt und dass im Vergleich zu Schwacke eine Postleitzahlenvergröberung vorgenommen wurde, um überhaupt statistische Relevanz zu erreichen (vgl. auch Otting in SVR 2008, 444).
Die Abrechnung als solche enthält auch zu Recht die Kosten für die Vollkaskoversicherung und Zustellung sowie Abholung des Fahrzeuges, während die Kosten für den „Zweitfahrer“ in Abzug zu bringen sind.
Die in dem Schwacke- Mietpreisspiegel 2007 und in der Rechnung ausgewiesenen Kosten für einen Zweitfahrer sind nicht erstattungsfähig. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass sich durch die Benennung einer als Zweitfahrer in Betracht kommenden Person ein die Tariferhöhung rechtfertigendes Sonderrisiko ergibt. Die Möglichkeit, das Fahrzeug auch durch eine zweite Person zu nutzen, rechtfertigt zumindest in den Fällen, in denen etwaige Risiken des Vermieters in Bezug auf Schäden an dem vermieteten Fahrzeug durch den Abschluss einer Vollkaskoversicherung ausgeglichen werden, keinen höheren Tarif. Auch begründet dies keine Mehrleistung des Vermieters, die geeignet wäre, einen derartigen Aufschlag zu rechtfertigen (vgl. LG Bielefeld, Urteil vom 19.12.2007-21 S 189/07).
Die Kosten für eine Teil- bzw. Vollkaskoversicherung sind bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs grundsätzlich erstattungsfähig. Unabhängig davon, ob das bei dem Verkehrsunfall beschädigte Fahrzeug ebenfalls voll- oder teilkaskoversichert war, besteht jedenfalls grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse des Geschädigten, für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit höherwertiger sind als die beschädigten Fahrzeuge (vgl. BGH Urteil vom 15.02.2005 – VI ZR 74/04 – NJW 2005, 1041 f., OLG Köln, NZV 2007, 199). Da die tatsächlich berechneten Kosten der Klägerin geringer sind als der Schwacke- Durchschnitt, legt das Gericht auch nur die tatsächlichen Kosten zu Grunde.
Bei der Zustellung und Abholung des Mietfahrzeugs handelt es sich um einen besonderen Service, den der Geschädigte grundsätzlich in Anspruch nehmen darf (vgl. OLG Köln a.a.O.).
Auch diese Positionen sind nach dem gewichteten Mittel des Schwacke- Mietpreisspiegel 2007 zu erstatten, so dass folgende Kosten berücksichtigungsfähig sind:
3 Tagespauschale (=TP) nach Schwacke 301,88 €
zzgl. Kosten der Haftungsbeschränkung (Vollkasko)
3 Tage x 19,33 € plus MwSt. 69,01 €
zzgl. Zustellung/Abholung 22,97 €
Zwischensumme 393,86 €
Abzüglich der Zahlung bleiben also 116,62 €.
Der Zinsanspruch sowie die vorgerichtlichen Anwaltskosten – die mangels Gebührensprung in voller Höhe erstattungsfähig bleiben – ergeben sich aus §§ 280 Abs. 1,2, 286, 288 BGB.
Soweit das AG Arnsberg.
Hi Babelfisch,
also auch im Hochsauerland (HSK) gilt Schwacke. Fraunhofer auch dort zu Recht unterlegen. Prima. Weiter so.
MfG
Willi Wacker