BGH zum Nutzungsersatz und dem Ersatz der Kosten für ein Interimsfahrzeug (VI ZR 211/08 vom 10.03.2009)

Mit Urteil vom 10.03.2009 (VI ZR 211/08) hat der 6. Senat des BGH Stellung zur Frage des Ersatzes der fiktiven Kosten für die Anschaffung eines Interimsfahrzeuges bezogen, wenn dem Geschädigten kein weiterer Nutzungsausfall zusteht.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger fordert nach einem Verkehrsunfall vom Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs des Unfallgegners Nutzungsausfallentschädigung.

Am 11. Oktober 2005 wurde der PKW des Klägers bei einem Auffahrunfall total beschädigt. Für den entstandenen Schaden haftet der Unfallgegner unstreitig in vollem Umfang. Die Beklagte erstattete vorprozessual die für die Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs erforderlichen Kosten. Für den zum Kauf eines Ersatzfahrzeugs erforderlichen Zeitraum von 14 Kalendertagen mietete der Kläger einen Mietwagen. Bereits am 26. April 2005 hatte der Kläger einen PKW gekauft, der im Dezember 2005 geliefert werden sollte.

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2005 teilte er dies der Beklagten mit und kündigte an, dass er für den Zeitraum bis zur Lieferung des bestellten Fahrzeugs Nutzungsausfallentschädigung geltend machen werde, falls die Beklagte bis 24. Oktober 2005 sich nicht dagegen wenden würde. Die Beklagte ließ die Frist verstreichen und glich lediglich die Kosten für das Mietfahrzeug aus. Die Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung lehnte sie ab. Der Kläger verlangt Entschädigung des Nutzungsausfalls bis zur Lieferung des PKW am 2. Januar 2006.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen, weil die Frage eines Nutzungsausfallschadens und der Schadensminderungspflicht des Geschädigten bei Anschaffung eines Interimsfahrzeugs bis zur Lieferung eines im Unfallzeitpunkt bereits bestellten Ersatzfahrzeugs in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht abschließend geklärt sei. Auf die Revision des Klägers hat der Senat die Entscheidung des Berufungsgerichts mit Urteil vom 18. Dezember 2007 – VI ZR 62/07 – VersR 2008, 370 f. aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hat nach Beweisaufnahme erneut unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils die Klage abgewiesen. Es hat wiederum die Revision zugelassen. Der Kläger erstrebt mit der Revision die Aufhebung des Berufungsurteils insoweit, als unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts die Klage auf Zahlung von 2.985 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 13. Januar 2006 abgewiesen worden ist.

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass der Kläger aus dem Verkehrsunfall gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr Ansprüche auf weiteren Schadensersatz habe. Nach dem anzustellenden Kostenvergleich zwischen der vom Kläger geltend gemachten abstrakten Nutzungsausfallentschädigung einerseits und den auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens geschätzten wirtschaftlichen Nachteilen aus dem An-und Wiederverkauf eines Zwischenfahrzeugs andererseits übersteige die abstrakte Nutzungsausfallentschädigung deutlich die Kosten für ein Ersatzfahrzeug und sei deshalb unwirtschaftlich. Der Kläger könne lediglich Nutzungsausfallentschädigung in Höhe der Aufwendungen verlangen, die für die tatsächliche Erhaltung der Kfz-Nutzung bis zur Lieferung des bestellten Fahrzeugs erforderlich gewesen wären. Selbst bei Berücksichtigung dieser Kosten sei jedoch der Schadensersatzanspruch des Klägers durch die vorprozessual geleisteten Zahlungen der Beklagten bereits abgegolten.

Die Revision bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Dem Kläger steht eine weitere Nutzungsausfallentschädigung über die bereits erstatteten Mietwagenkosten hinaus nicht zu.

Die allgemeine Anerkennung der Gebrauchsmöglichkeit eines PKW als Vermögensgut (vgl. hierzu Senat, BGHZ 45, 212, 215; 56, 214, 215; Urteil vom 10. Juni 2008 – VI ZR 248/07 – VersR 2008, 1086; Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl. Kap. 3 Rn. 95 ff.; MünchKomm/Oetker, BGB, 5. Aufl. § 249 Rn. 58 ff.; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. vor § 249 Rn. 20 ff.; Vieweg in Staudinger/Eckpfeiler des BGB (2008, S. 412 f.; Wussow/Karzcewski, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 41, Rn. 43) führt nicht dazu, dass jedwede Nutzungsbeeinträchtigung als Schaden auszugleichen wäre. Auch für den Nutzungsausfallschaden gelten die schadensrechtlichen Grundsätze der subjektbezogenen Schadensbetrachtung, des Wirtschaftlichkeitsgebots und des Bereicherungsverbots (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 45, 212, 219 f.; 162, 161, 164 f. m.w.N.). Darüber hinaus bedarf es bei der Frage, ob die entbehrte Nutzung einen durch den Unfall verursachten Vermögensschaden darstellt, der wertenden, auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigenden Abwägung im Einzelfall, soll die in § 253 BGB getroffene Regelung nicht völlig ausgehöhlt werden (vgl. Senatsurteil vom 10. Juni 2008 – VI ZR 248/07 – aaO). Deshalb hat der erkennende Senat im Urteil vom 18. Dezember 2007 (- VI ZR 62/07 – aaO) entschieden, dass bei einem Unfall dem Geschädigten, der bereits vor dem Unfall ein neues Fahrzeug bestellt hatte, Nutzungsersatz über den für die Beschaffung eines dem Unfallfahrzeug gleichwertigen Ersatzfahrzeugs erforderlichen Zeitraum hinaus nur dann zugebilligt werden kann, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Nutzungsentschädigung die wirtschaftlichen Nachteile, die mit der Anschaffung und dem Wiederverkauf eines Ersatzfahrzeugs zusätzlich entstehen würden, betragsmäßig nicht wesentlich übersteigt. Der Betrag der abstrakten Nutzungsausfallentschädigung und die mit der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs erforderlichen Kosten sind insoweit nichts anderes als Rechnungsposten in der erforderlichen Vergleichsrechnung.

Dementsprechend hat das Berufungsgericht nach der auf der Grundlage der Schätzung durch einen Sachverständigen angestellten Vergleichsrechnung die Zahlung der geforderten abstrakten Nutzungsausfallentschädigung bis zur Lieferung des bereits vor dem Unfall bestellten Fahrzeugs als unwirtschaftlich abgelehnt. Dass fälschlicherweise die Mietwagenkosten vom 11. bis 25. Oktober 2005 in der Vergleichsrechnung nicht berücksichtigt worden sind, wirkt sich auf die Entscheidung nicht aus.

Nicht zu folgen vermag der Senat dem Berufungsgericht allerdings darin, dass dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf Nutzungsausfallersatz in Höhe der Kosten für ein Interimsfahrzeug auf der Grundlage der Schätzung des gerichtlichen Sachverständigen zustehe. Es besteht kein sachlicher Grund und würde insgesamt zu einer nicht gerechtfertigten Bereicherung des Geschädigten führen, würden hypothetische Kosten für die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs anerkannt werden, obwohl solche Kosten nicht entstanden sind.

Der Nutzungsausfall ist nicht notwendiger Teil des am Kfz in Natur eingetretenen Schadens. Vielmehr handelt es sich um einen typischen, aber nicht notwendigen Folgeschaden, der weder überhaupt noch seiner Höhe nach von Anfang an fixiert ist. So hängt er davon ab, ob der Geschädigte den Wagen überhaupt nutzen wollte und konnte, ggf. auch durch Überlassung an Dritte (vgl. etwa Senatsurteil vom 16. Oktober 1973 – VI ZR 96/72 – VersR 1974, 171 m.w.N.). Maßgebend dafür, ob der Geschädigte sich mit dem inzwischen in der Praxis eingespielten Pauschalbetrag in Form der abstrakten Nutzungsausfallentschädigung begnügen muss oder ob er einen höheren Aufwand für Mietwagen oder Taxen beanspruchen kann, ist, wie sich der Nutzungsbedarf des Geschädigten im Einzelfall während der Gebrauchsentbehrung tatsächlich gestaltet hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 66, 239, 249). Ein solcher Schaden ist deshalb als adäquater Folgeschaden nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, wenn ein Ersatzwagen wirklich gekauft und verkauft worden ist. Er ist nur dann zu ersetzen, wenn er tatsächlich vermögensrechtlich eintritt (vgl. zum Zweithandzuschlag Senatsurteil vom 7. März 1978 – VI ZR 237/76 – VersR 1978, 664 f.).

Etwas anderes ergibt sich weder aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig (NZV 1990, 150), auf das sich das Berufungsgericht bezieht, noch aus dem Urteil des OLG Hamm (ZfS 1991, 234), das von der Revision angeführt wird. Die diesen Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalte unterscheiden sich wesentlich von den Umständen des Streitfalls. In beiden Fällen handelte es sich um Unfälle mit einem sogenannten „Neuwagen“, dessen Wiederbeschaf-fungszeit mehrere Monate betrug. Den Geschädigten stand zwar für den Beschaffungszeitraum grundsätzlich eine Nutzungsausfallentschädigung zu. Sie waren allerdings mit Blick auf § 254 Abs. 2 BGB gehalten, den Wiederbeschaffungszeitraum durch Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs (Interimsfahrzeug) zu überbrücken. Der geltend gemachte Nutzungsausfallschaden war infolge dessen nur bis zur (geschätzten) Höhe der Kosten für ein Ersatzfahrzeug zu ersetzen.

Anders liegt der Streitfall. Der Zeitraum für die Wiederbeschaffung eines dem verunfallten Fahrzeug gleichwertigen Ersatzfahrzeuges betrug hier unstreitig nur zwei Wochen. Diesen hat der Kläger mit einem Mietwagen überbrückt. Die dafür angefallenen Kosten und den Wiederbeschaffungsaufwand für ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug hat die Beklagte erstattet. Darüber hinaus steht dem Kläger Nutzungsausfallentschädigung nach der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht zu. Besteht aber kein Anspruch auf Nutzungsersatz, kann dieser auch nicht der Höhe nach durch die hypothetisch erforderlichen Aufwendungen für die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs begrenzt werden.

Nach alledem konnte die Revision keinen Erfolg haben und ist zurückzuweisen.

Soweit die Entscheidung des BGH.

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