Berlin-Mitte: auch dort gilt die Schwacke-Liste (104 C 3089/11 vom 19.08.2011)

Mit Datum vom 19.08.2011 (104 C 3089/11) hat das Amtsgericht Berlin-Mitte die HDI Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 200,93 €  zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht legt bei der Schätzung des Normaltarifs die Schwacke-Liste zugrunde.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die in der Hauptsache auf § 398 BGB i.V m § 15 VVG gestützte Klage ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der dem Geschadigten, Herrn A. erwachsenen Kosten für die Miete eines Ersatzfahrzeuges in Höhe von 200,93 €. Wegen der weitergehenden Forderung muss sich der Geschädigte den Vorwurf gefallen lassen, gegen seine sich aus § 254 BGB ergebende Schadensminderungsobliegenheit verstoßen zu haben.

Im einzelnen gilt.

Die Klägerin ist aufgrund der vorgelegten Abtretungsvereinbarung vom xx.xx.2010 Inhaberin des Schadenersatzanspruchs gegen die Beklagte auf Erstattung der Mietwagenkosten. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vereinbarung bestehen nicht.

Die Klägerin verstößt mit der Geltendmachung auch nicht gegen das RDG. Dabei kann offen bleiben, ob die Geltendmachung einer sicherungshalber zedierten Forderung überhaupt dem Anwendungsbereich des RDG unterfällt. Denn jedenfalls würde es sich bei der Geltendmachung der Forderung um eine erlaubnisfreie Nebenleistung im Rahmen der gewerblichen Kraftfahrzeugvermietung der Klägerin handeln. Bereits der amtlichen Begründung des RDG-Entwurfs kann entnommen werden, dass der Gesetzgeber den Einzug von Mietwagenkosten durch das Mietwagenunternehmen auch dann als zulässige Nebenleistung im Sinne des § 5 RDG ansah, wenn der Forderungseinzug eine besondere rechtliche Prüfung erfordert, wobei ausdrücklich auch die Rechtfertigung des sog. Unfallersatztarifs genannt wurde (vgl. dazu nur Bundestagsdrucksache 16/3655, S. 53 zu § 5 RDG-E).

Die Klägerin hat hiernach einen Anspruch auf Erstattung weiterer Mietkosten in Höhe von 200,93 €.

Dabei sei vorausgeschickt:

Der Geschädigte, hier Herr A., kann nach § 249 Abs.2 Satz 1 BGB als sog. Herstellungsaufwand (nur) den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhaltlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (std. Rechtsprechung, vgl. Z.B. BGH NJW07, 2916 und BGH NJW 08, 1519 f).

Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Ermittlung des Mietpreises der dem Wirtschaftlichkeitsgebot (noch) entspricht, kann das Gericht auf den sog. Modus im Schwacke-Automietpreisspiegel zurückgreifen, der hierfür eine zuverlässige Schätzgrundlage darstellt (vgl. dazu auch BGH NJW 07, 2916; BGH NJW 08,1519), und der in der hier einschlagigen Fassung 2009 den Kriterienkatalog noch einmal erweitert hat und insbesondere auch Internettarife berücksichtigt (vgl. insoweit auch BGH vom 19.1.2010 – VI ZR 112/09 – z.B. in NZV 2010, 239 ff).

Bei der konkreten Berechnung legt das Gericht zunächst so wie auch von der Klägerin auf S 15 der Klageschrift dargestellt, die Fahrzeugklasse 3 des Automietpreisspiegels 2009 zugrunde und dort das Postleitzahlengebiet 404, 4 Tage, Modus, womit der Grundpreis bei insgesamt 397,23 € brutto liegt.

Soweit die Beklagte bestreitet, dass es sich bei dem Mietfahrzeug tatsächlich um einen der Klasse 3 zuzuordnenden Opel handelt, kommt es hierauf im konkreten Fall nicht an. Der Opel Zafira des Geschädigten ist unstreitig der Fahrzeugklasse 5 zuzuordnen. Die Klägerin selbst akzeptiert als Maßstab den Mietpreis der Fahrzeugklasse 3, was nicht zu beanstanden ist. Selbst wenn jedoch der Mietwagen, wie der Zafira des Geschädigten, der Fahrzeugklasse 5 zuzuordnen wäre, hätte dies lediglich zur Folge, dass sich der Geschädigte einen 15%igen Abzug wegen ersparter Eigenaufwendungen anrechnen lassen müsste (z.B. KG NZV 05, 46f) – Damit aber würde der Geschädigte rechnerisch nicht besser stehen, als wenn sogleich ein 2 Klassen niedrigerer Mietpreis zugrunde gelegt wird, so wie es die Klägerin in ihrer Abrechnung bereits akzeptiert hat.

Im vorliegenden Fall kann der Geschädigte auch den Ersatz der Mietwagenkosten für die abgerechneten 4 Tage verlangen. Der Mietzeitraum xx.8.-xx.8.2010 entspricht dem Reparaturzeitraum, wie er sich aus dem von der Beklagten mit der Klageerwiderung vorgelegten Reparaturablaufplan ergibt.

Nach der Nebenkostentabelle des Mietpreisspiegels bestehen ferner keine Bedenken gegen die zusätzlich in Rechnung gestellten Kosten für eine Vollkaskoversicherung (vgl BGH NZV 06, 139ff) sowie die Kosten für Zustellung/Abholung, weil der Mietwagen zum Reparaturbetrieb zu liefern war.

Keinen Anspruch hat der Geschädigte hingegen auf Erstattung des ebenfalls in Rechnung gestellten 20%igen Aufschlags auf den sog. Normaltarif der Klägerin, denn dieser Aufschlag erweist sich nicht als erforderlich zur Schadensbeseitigung im Sinne des § 249 Abs.2 BGB. Die von der Klägerin angeführten Argumente rechtfertigen den Zuschlag nicht. Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass der Mietvertrag keine km-Beschränkung aufweist, wird dies bereits im Schwacke-Normatarif berücksichtigt. Sämtliche anderen Überlegungen tragen schon deswegen nicht, weil der Geschädigte nach dem Unfall nicht etwa dringend auf den von der Klägerin angebotenen Wagen angewiesen war, sondern bis zur Reparatur über einen Monat Zeit hatte, sich in aller Ruhe günstigere Angebote herauszusuchen, die – wie bereits der von der Klägerin selbst in Bezug genommene Schwacke-Mietpreisspiegel belegt – auch im Postleizahlengebiet des Geschädigten zu haben waren. Dass der Geschädigte die Mietbedingungen jener Unternehmen nicht hatte erfüllen können, behauptet die Klägerin selbst nicht.

Hiernach erweisen sich für den Geschädigten als erforderlich im Sinne des § 249 Abs 2 BGB:

397,23 €    Grundmietpreis entsprechend Schwacke-Mietpreisspiegel 2009 (zur Zusammensetzung im einzelnen vgl. S.15 der Klageschrift)

75,00 €       Haftungsbefreiung/Vollkasko

50,00 €       Zustellung/Abholung

0,00 €         Aufschlag

522,23 €     berechtigte Gesamtforderung

– 321,30 €   vorprozessual gezahlt

200,93 €      berechtigte Restforderung die antragsgemäß zu verzinsen ist, §§ 288, 286 BGB.

Ein darüber hinausgehender Verstoß gegen seine Schadensminderungsobliegenheit ist dem Kläger nicht zur Last zu legen. Dass die Mietwagenkosten – nach der Abrechnung des Gerichts zwar nicht mehr über, aber in der Nähe der Reparaturkosten liegen, mag sein, ändert aber nichts daran, dass der Kläger seinen Wagen reparaturbedingt 4 Tage entbehren musste und deswegen einen Ersatzwagen mieten durfte.

De Nebenentscheidungen finden ihre Grundlage in den §§ 92, 708 Ziff 11, 713 ZPO.

Soweit das AG Berlin-Mitte.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter Abtretung, Haftpflichtschaden, HDI-Gerling Versicherung, Mietwagenkosten, RDG, Urteile, Urteile Mietwagen, Urteile pro Schwacke, Wichtige Verbraucherinfos abgelegt und mit , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Berlin-Mitte: auch dort gilt die Schwacke-Liste (104 C 3089/11 vom 19.08.2011)

  1. Schwarzkittel sagt:

    Einzige Frage:

    War der Unfall in Berlin oder nicht ?

    Grüße aus der Suhle
    Schwarzkittel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert