Mit Datum vom 04.08.2011 (10 C 145/11) hat das Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt die HUK Coburg Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 255,21 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht legt bei der Schätzung des Normaltarifs die Schwacke-Liste zugrunde und erteilt der Fraunhofer Tabelle eine Absage. Ein Verstoß gegen das RDG ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin ist – entgegen der Auffassung der Beklagten – zur Geltendmachung der Ansprüche aktivlegitimiert, da die Abtretung vom 15.09.2010 nicht gegen §§ 1, 2, 4, 5 RDG verstößt und deswegen auch nicht gemäß § 134 BGB nichtig ist.
Gemäß § 2 Abs. 1 RDG ist Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie nach der Verkehrsanschauung und nach der erkennbaren Erwartung des Rechtssuchenden eine besondere rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Auch wenn dies hier möglicherweise der Fall sein sollte, liegt gleichwohl eine erlaubnispflichtige Tätigkeit nicht vor, da die Inkassotätigkeit der Klägerin als Nebenleistung gemäß § 5 Abs. 1 RDG ausnahmsweise erlaubnisfrei war.
Gemäß § 5 RDG sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen oder gesetzlich geregelten Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild oder zur vollständigen Erfüllung der mit der Haupttätigkeit verbundenen gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Hierbei ist zu beachten, dass § 5 Abs. 1 RDG lediglich voraussetzt, dass die Rechtsdienstleistung zu der jeweiligen Haupttätigkeit gehört (vergl. BT-Drucksache 16/3655, S. 52). Es muss demnach lediglich ein sachlicher Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebenleistung bestehen. Zu den vertraglich vereinbarten Rechtsdienstleistungen, die nicht typischerweise zum jeweiligen Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören, kann etwa die Einziehung von Kundenforderungen zählen, die einem Unternehmer, einem Dienstleister oder einer Werkstatt erfüllungshalber abgetreten werden (vergl. BT-Drucksache 16/3655, S. 53). Im Entwurf des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts wurde hierzu ursprünglich sogar ausgeführt, dass weitere Anwendungsfälle der als Nebenleistung zulässigen Inkassotätigkeit im Bereich der Unfallschadenregulierung etwa bei der Geltendmachung von Sachverständigen-, Mietwagen- oder Reparaturkosten gegeben seien. Gerade die im Streitfall erforderliche Rechtfertigung der eigenen Leistung oder Abrechnung durch einen Unternehmer belege die in § 5 Abs. 1 geforderte Zugehörigkeit zu dessen eigentlicher Hauptleistung (vergl. BT-Drucksache 16/3655, S. 53). In der Begründung zum RDG ist ferner seitens des Gesetzgebers ausdrücklich die Absicht zum Ausdruck gebracht, die unter Geltung des Artikels 1 § 5 RBerG von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, dass nämlich die Einziehung abgetretener Kundenforderungen durch den gewerblichen Unternehmer nur dann zulässig sein solle, wenn es diesem im Wesentlichen darum gehe, die ihm durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen, durch die Gesetzänderung nicht mehr gelten zu lassen (vergl. BT-Drucksache 16/3655, S. 53).
Von einem erheblichen Teil der Rechtsprechung und Literatur, welcher sich das Gericht anschließt, wird daher gefolgert, dass jedenfalls nach der gesetzlichen Neuregelung des RDG Bedenken gegen die Abtretung derartiger Ansprüche nicht mehr bestehen.
Die Klägerin ist danach berechtigt, von dem Beklagten gemäß §§ 398 BGB, 7 Abs. 1, 17 StVG. 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG Zahlung von 255,12 Euro zu verlangen.
Gemäß § 249 Abs. 2 BGB kann der Geschädigte als Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat nach dem, aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren, stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für der Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann.
Die Klägerin macht im konkreten Fall den Normaltarif nach dem Mietpreisspiegel der Firma Eurotax Schwacke 2010 (Schwacke-Liste) und einen pauschalen Zuschlag von 20 % auf den Normaltarif zur Abgeltung von Mehrkosten und Risiken bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen, sowie Nebenkosten geltend, was nicht zu beanstanden ist.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Schwacke-Mietpreisspiegel 2010 eine geeignete Grundlage für die Ermittlung des „Normaltarifs“, welcher sodann die Grundlage für die Ermittlung der ersatzfähigen Mietwagenkosten darstellt. Die Heranziehung des Schwacke-Mietpreisspiegels für die Ermittlung des Normaltarifs im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO ist von der überwiegenden Rechtsprechung bislang nicht beanstandet worden (vgl. BGH MDR 2010, 622; BGH NJW- RR 2010, 679, 680; BGH VersR 2008, 699; Landgericht Mönchengladbach, Urteil vom 21.03.2010 (5 S 101/09); LG Mönchengladbach, Urteil vom 20.01.2009 (5 S 110/08); LG Mönchengladbach, Urteil vom 13.01.2009(5 S 81/08); LG Mönchengladbach, Urteil vom 14.10.2008 (5 S 64/08); LG Mönchengladbach Urteil vom 06.08.2010 (5 S 14/10); LG Mönchengladbach, Urteil vom 28.09.2010 (5 S 35/10).
Der BGH hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die Eignung von Listen wie der Schwacke-Liste zur Schadensschätzung nur dann der Klärung bedarf, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, das geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken. Einwendungen gegen den Schwacke-Mietpreisspiegel 2010, die diesen Erfordernissen gerecht werden, hat die Beklagte nicht vorgebracht.
Die Beklagte beruft sich darauf, dass der auf der Studie des Frauenhofer-Instituts basierende „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland“ eine weitaus tragfähigere und geeignetere Grundlage zur Schadensschätzung sei. Für die Anwendung dieser Liste spricht zwar, dass ihre Ergebnisse auf anonymen Befragungen beruhen, während der Schwacke-Mietpreisspiegel aufgrund einer Selbstauskunft der Vermieter in Kenntnis des Zwecks der Angaben gemacht wurden. Dennoch ist die Frauenhofer-Liste im Ergebnis als Schätzungsgrundlage nicht der Vorzug zu geben. Denn nachteilig an der Frauenhofer-Liste ist, dass sie ihre Daten im Wesentlichen aufgrund von Telefon- und Internetabfragen bezieht. Deren Erreichbarkeit setzt eine konkrete Verfügungsmöglichkeit über einen Internetanschluss voraus. Es handelt sich damit nicht um allgemein in der konkreten Unfallsituation zugängliche Angebote. Darüber hinaus basiert die Frauenhofer-Liste auf einer Bestellung mit einer Woche Vorlaufzeit. Dies wird ebenfalls der Anmietzeit bei einem Unfall, bei dem ein Ersatzfahrzeug kurzfristig benötigt wird, nicht gerecht.
Die Recherchen der Frauenhofer-Liste sind auch auf eine zweistellige Zuordnung von Postleitzahlen bezogen. Weiterhin nennt die Liste nur arithmetische Mittel.
Das arithmetische Mittel ist jedoch kein Preis im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (BGH vom 20.10.2009 Az: VI ZR 53/09).
Der BGH hat in einer neueren Entscheidung dargelegt, dass es sich bei Internetangeboten um einen Sondermarkt handele, der gerade nicht ohne Weiteres mit dem „allgemeinen regionalen Mietwagenmarkt“ vergleichbar sein muss (BGH VersR 2010, 683).
Aufgrund dieser Gesamtbetrachtung sieht das Gericht die Frauenhofer-Liste nicht als geeignete Schätzgrundlage an.
Die danach ersatzfähigen Mietwagenkosten sind über die unstreitige Mietdauer von vier Tagen anzusetzen. Der Tatsache, dass bei der Abrechnung von Mietwagenkosten, die sich bei mehrtägiger Vermietung ergebenden Reduzierungen nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel nach Wochen- 3-Tages- und Tagespauschalen anstelle einer Multiplikation des Tagessatzes mit der Anzahl der Miettage zu berücksichtigen sind (vgl. OLG Köln NZV 2007) hat die Klägerin im Rahmen der Bezifferung ihrer Forderung Rechnung getragen. Nach der Schwacke-Liste 2010 Gruppe VI Modus Gebiet 417, Anmietdauer vier Tage, erg bt sich danach folgende Forderung:
1 x 3 Tage à 348,60 Euro 348,60 Euro
1 x 1 Tag à 116,20 Euro 116,20 Euro
Zwischensumme 464,80 Euro
abzgl. 10 % für ersparte Eigenkosten 46,48 Euro
Zwischensumme 418,32 Euro
zzgl. 20 % Zuschlag = 83,66 Euro
Zwischensumme 501,98 Euro.
Pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif ist unabhängig davon, in welchem Umfang im konkreten Fall unfallbedingte Zusatzleistungen des Vermieters in Anspruch genommen wurden (LG Mönchengladbach, Urteil vom 20.01.2009, AZ: 5 S 110/08). Denn der Sinn der Pauschale besteht gerade darin, die typischerweise bei einem Unfallersatzvermieter zu erwartenden Mehrkosten mit einem bestimmten angemessenen Prozentsatz aufzufangen.
Des Weiteren sind die Kosten für die Haftungsbefreiung grundsätzlich erstattungsfähig.
Zusatzleistungen:
Haftungsbefreiungskosten
1 x 3 Tage à 75,42 Euro 75,42 Euro
1 x 1 Tag à 25,35 Euro 25,35 Euro
Zustellung/Abholung je 30,14 Euro 60,28 Euro
Gesamtbetrag 663,03 Euro
Die Kosten für die Haftungsbefreiung sind grundsätzlich erstattungsfähig, da den Geschädigten insoweit kein weitergehendes Risiko aufgebürdet werden darf (vgl. BGH NJW2005, 1041, 1042; BGH NJW 2006, 360, 361). Auch sie können auf der Basis des Schwacke-Mietpreisspiegels 2010 verlangt werden.
Auch die Kosten für die Zustellung und Abholung des Fahrzeugs sind erstattungsfähig (vgl. OLK Köln NZV 2007, 199, 202; NZV 2009, 447; LG Mönchengladbach, Urteil vom 06.08.2010, AZ. 5 S 14/10; LG Köln, Urteil vom 07.01.2010. AZ: 20 O 279/09). Denn dem Geschädigten ist grundsätzlich auch infolge der aufgrund des Unfalls eingetretenen Beeinträchtigung nicht zumutbar, selbst dafür zu sorgen, zu einer Mietwagenstation zu gelangen, so dass ihm der Mietwagen tatsächlich auch zugeführt wird und die Kosten hierfür zu erstatten sind.
Letztlich kommt es auch nicht darauf an, ob der Geschädigte im konkreten Fall – wie die Beklagte geltend macht – keine hinreichenden Erkundigungen zu günstigeren Tarifen vorgenommen hat. Der BGH hat zwar klargestellt, dass dem Geschädigten die Darlegungs- und Beweislast für die Nichtzugänglichkeit eines wesentlich günstigeren Tarifs obliegt, da es insoweit um die Schadenshöhe und nicht um die Schadensminderungspflicht geht (BGH MDR 2010, 622; BGH NJW-RR 2010, 679). Dies betraf jedoch die Frage der Erforderlichkeit eines wesentlich über dem Normaltarif liegenden, überhöhten und konkreten Unfallersatztarifs, der über die von der Rechtsprechung verwendeten pauschalen Aufschläge auf den Normaltarif hinaus geht. Dieser wird von der Klägerin vorliegend nicht geltend gemacht. Sie begehrt lediglich den Normaltarif zuzüglich eines pauschalen Zuschlags für die typischen Mehraufwendungen.
Festzuhalten bleibt nach alledem, dass der Klägerin die mit Rechnung vom 24.09.2010 bezifferten Mietwagenkosten in Höhe von 601,60 Euro zustehen. Da die Beklagte darauf vorprozessual lediglich 346,48 Euro gezahlt hat, kann die Klägerin von ihr noch Zahlung von 255,12 Euro verlangen.
Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB; die Entscheidung über die vorgerichtlichen Anwaltskosten folgt aus den §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, Nr. 2300, 7002, 7008 W RVG.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Soweit das AG Mönchengladbach-Rheydt.