Verehrte Captain-Huk-Leser!
Und schon geht es wieder zurück nach Leipzig. Nachstehend gebe ich Euch ein weiteres Sachverständigenrestkosten-Urteil der Amtsrichterin der 111. Zivilabteilung des AG Leipzig bekannt. Beklagte war wieder einmal die AG-Tochter aus der HUK-Coburg-Group, nämlich die HUK 24 AG. Wie immer ging es um restliche Sachverständigenkosten, die von der Beklagten außergerichtlich rechtswidrig gekürzt wurden. Die Rechtswidrigkeit zeigt sich durch das Urteil des AG Leipzig. Zutreffend hat die erkennende Amtsrichterin darauf hingewiesen, dass die Mietwagenkosten und die Sachverständigenkosten, obwohl beide Schadenspositionen des Geschädigten sind, nicht vergleichbar sind. Das hatte im übrigen auch bereits der BGH in seiner Entscheidung vom 23.1.2007 ( BGH DS 2007, 144 ff. = NJW 2007, 1450) festgestellt. Gleichwohl nimmt es offenbar die Beklagte nicht zur Kenntnis. Auch hat die Amtsrichterin – zu Recht – darauf hingewiesen, dass das Gesprächsergebnis der beklagten Versicherung mit dem BVSK als Schätzgrundlage nach § 287 ZPO nicht in Betracht kommt. Zutreffend hat das Gericht auch die Darlegungs- und Beweislast herausgestellt. Insoweit ist im Rahmen des § 254 BGB der Schädiger darlegungs- und beweisverpflichtet. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungs- und Beweispflicht, wenn er das Schadensgutachten und die Kostenrechnung des Sachverständigen vorlegt, denn der Sachverständige überschreitet den ihm vom Gesetz eingeräumten Rahmen nicht, wenn er bei Routinegutachten in Relation zur Schadenshöhe abrechnet (vgl. BGH DS 2007, 144). Pauschale Einwendungen gegen die Höhe der Rechnung genügen der Darlegungspflicht der Beklagten nicht. Auch darauf hat die Amtsrichterin zutreffend hingewiesen.
Amtsgericht
Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 111 C 6744/11
Verkündet am: 23.11.11
IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
in dem Rechtsstreit
– Klägerin –
gegen
HUK24 AG, Bahnhofsplatz 1, 96440 Coburg, vert. d.d. Vorstand
– Beklagte –
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin am Amtsgericht … im vereinfachten Verfahren gern, § 495 a ZPO am 23.11.2011
für Recht erkannt:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 207,94 Euro zzgl. Znsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 Abs.1 BGB aus 408,24 Euro seit 30.10.2010 bis 25.09.2011 und aus 207,24 Euro seit 26.09.2011 sowie als Nebenforderung 3,00 Euro vorgerichtliche Mahnkosten zu bezahlen.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 408,24 EUR bis zum 24.10.2011, danach auf 207,24 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Bezahlung von 207,24 Euro gem. §§ 7, 17 StVG, 115 VVG, 249, 398 BGB.
Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
Soweit die Parteien um die Höhe der berechtigten und im Rahmen des § 249 BGB zu ersetzenden Sachverständigenkosten streiten, kommt es nicht auf eine Honorarvereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen an, sondern der Geschädigte kann ebenso wie bei den Mietwagenkosten die Kostenerstattung verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zweckmäßig und angemessen erscheinen.
Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle – auch bei der Höhe des Sachverständigenhonorars – durchzuführen. Im Regelfall darf der Geschädigte einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens beauftragen (vgl. BGH in NJW 2007, S. 1450 ff).
Weil es im Gegensatz zu dem Bereich des Mietwagengeschäfts bei Sachverständigengutachten an einheitlichen Abrechnungsmodalitäten und allgemein zugänglichen Preislisten fehlt, die einen Vergleich der anfallenden Kosten ermöglichen würden, darf der Geschädigte in aller Regel von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen. Erst wenn für ihn erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Mißverhältnis zueinander stehen, kann er nicht mehr vollständigen Ausgleich seiner Aufwendungen verlangen.
Angesichts der Vielzahl der vom Gericht bereits entschiedenen Fällen bewegen sich die von der Klägerin beanspruchten Preise gerichtsbekannt im Rahmen der Spannbreite von Honoraren freier Sachverständiger. Da eine nicht unerhebliche Zahl von Sachverständigen in diesem Bereich abrechnet, kann nicht festgestellt werden, dass die vereinbarte Vergütung schadensrechtlich das Marktübliche unbillig überschreitet. Daraus ergibt sich wiederum, dass der Geschädigte regelmäßig keine Möglichkeit hat, vor Beauftragung des Sachverständigen zu einer anderen Einschätzung zu kommen. Soweit das Gesprächsergebnis der BVSK mit der Beklagten niedrigere Werte ausweist, ist schon nicht hinreichend deutlich, ob sich die dortigen Werte nicht lediglich auf die Abrechnung des Sachverständigen im Verhältnis zur Beklagten bezieht. Ob Sachverständige gegenüber der Beklagten, möglicherweise auch anderen Haftpflichtversicherern gegenüber niedrigere Honorarforderungen geltend machen, enthält keinen zwingenden Hinweis darauf, dass Kfz-Sachverständige in der Region bei einer Beauftragung von privaten Kunden die gleichen niedrigen Sätze anlegen.
Die Heranziehung des Gesprächsergebnisses BVSK, 01.11.2009 (Anl. B4, Bl. 49 dA) scheidet daher als Schätzgrundlage gem. § 287 ZPO aus.
Da die von der Klägerin vorgenommene Abrechnung bislang gerichtsbekannt der nahezu einheitlich vorgenommenen Abrechnungspraxis freier Kfz- Sachverständiger entspricht, kann diese Abrechnung unter schadensrechtlichen Gesichtspunkten nicht als unverhältnismäßig oder willkürlich angesehen werden, so dass der Geschädigte aus der gebotenen subjektbezogenen Schadensbetrachtung von der Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten in dieser Höhe ausgehen darf.
Für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ist die Beklagte sowohl darlegungs- als auch beweisbelastet. Diesen Anforderungen genügt der pauschale Vortrag der Beklagten, dass das Honorar insgesamt 32 % der Schadenssumme entspricht und die Nebenkosten ca. 50 % des Grundhonorars darstellen, nicht.
Dass in der Region des Geschädigten gutachterliche Leistungen auf dem lokalen, freien Markt, wie sie seitens des Geschädigten in Anspruch genommen worden sind, üblicherweise für ein weitaus geringeres Honorar zu erhalten sind, hat die Beklagte, bezogen auf die konkrete regionale Situation, weder substantiiert dargelegt noch unter Beweis gestellt.
Die obigen Darlegungen geltend entsprechend auch für die geltend gemachten Nebenforderungen. Der Geschädigte hat keine Erkenntnismöglichkeiten, um diesbezüglich zu einer anderen Einschätzung zu gelangen. Gegenteiliges, bezogen auf den konkreten Einzelfall, hat die Beklagte jedenfalls nicht dargelegt.
Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Nebenforderungen gem. §§ 280, 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91a ZPO.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 208 Ziff. 11, 713 ZPO.
So das insgesamt überzeugende Urteil der Amtsrichterin der 111. Zivilabteilung des AG Leipzig. Und nun Eure Meinungen bitte.