Mit Urteil vom 26.05.2009 (104 C 20/09) hat das AG Bonn die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 565,41 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht wendet die Schwacke-Liste an und lehnt die Fraunhofer Tabelle ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 565,41 € gemäß §§ 7, 17 StVG, §§ 398, 249 BGB, § 3 PfIVG.
Es besteht dem Grunde nach eine – unstreitige – Haftung der Beklagten für die Schäden aus dem Verkehrsunfall vom xx.xx.2008, infolgedessen der Geschädigte bei der Klägerin ein Ersatzfahrzeug anmietete. Die entsprechenden Ansprüche gegen die Beklagte im Hinblick auf die entstandenen Kosten hat der Geschädigte wirksam an die Klägerin abgetreten, § 398 BGB.
Die erforderlichen und ersatzfähigen Mietwagenkosten werden in der Höhe auf Grundlage der Schwacke-Liste 2007 geschätzt, § 287 ZPO.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die sog. Schwacke-Liste 2007 eine geeignete Schätzgrundlage gemäß § 287 ZPO für die Höhe der ersatzfähigen Mietwagenkosten. Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Schwacke-Liste bestehen seitens des Gerichts nicht. Soweit die Beklagte die Schwacke-Liste für nicht anwendbar hält und meint, dass bei der Erhebung der Daten gravierende Mängel vorgelegen hätten, können sie hiermit nicht durchdringen. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2008, 1519), der sich das Gericht anschließt, bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können (speziell der Schwacke-Liste), nämlich nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachte Mängel auf den zu entscheidenden Fall ausgewirkt haben. Hier ist entsprechendes nicht ersichtlich.
Die Beklagten argwöhnen lediglich allgemein, dass die befragten Autovermieter bewusst höhere Preise „angemeldet“ und so eine von Schwacke nicht überprüfte Preisanhebung veranlasst hätten und zudem Daten von Lobbygruppen der Autovermietungsindustrie verwandt worden seien. Dass – wie die Beklagte geltend macht – die Erhebung des Fraunhofer Instituts zu anderen Ergebnissen als die Schwacke-Liste gelangt sein mögen und ihnen der Vorzug zu geben sei, genügt nicht, um Zweifel an der Richtigkeit der Schwacke-Liste zu rechtfertigen. Zum einen begründen die Einwände der Klägerseite gegen die Erhebungen des Fraunhofer Instituts tatsächlich erhebliche Bedenken gegenüber der dort angewandten Erhebungsmethode und der Signifikanz der Ergebnisse (Vorlaufzeit der Bestellung 7 Tage, nur 6 Anbieter, reine Internetabfrage, keine Nebenkosten, keine MModus“-Berechnung). Auch der Hinweis darauf, dass das OLG Köln in seiner Entscheidung vom 10.10.2008 dieser Erhebung den Vorzug gegenüber der Schwacke-Liste 2008 gewährt hat, lässt aus Sicht des Gerichts nicht den Schluss zu, dass der Erhebung des Fraunhofer Instituts auch gegenüber der Schwacke-Liste 2007 der Vorzug zu gewähren ist (ebenso LG Köln, Urteil v. 19.11.2008, AZ: 9 S 171/08). Zudem stellt die Gegenüberstellung der Fraunhofer-Erhebung keinen Vortrag konkreter Tatsachen, sondern vielmehr eine abstrakte Kritik ohne ausreichend konkreten Fallbezug dar. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte vorträgt, dass sich im vorliegenden Fall nach Fraunhofer ein Betrag von 348,26 € ergebe.
Der Vortrag der Beklagten zu Sachverständigengutachten in anderen gerichtlichen Prozessen (die andere PLZ-Gebiete betrafen) und entsprechender Diskrepanz zu den Ergebnissen der Schwacke-Liste stellt entsprechend ebenfalls keinen konkreten Sachvortrag dar, der konkreten Fallbezug aufweist.
Auch der Vortrag der Beklagten, dass zum Unfallzeitpunkt dem Geschädigten die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zu den in Auszügen vorgelegten Angeboten der Firmen Sixt (344,00 €), Europcar (326,99 €) und Avis (338,85 €) möglich gewesen sei, zumindest der örtliche Normaltarif für die Anmietung eines Fahrzeugs der Gruppe 3 für 9 Tage in der streitgegenständlichen Anmietregion sich auf maximal 400,00 € belaufen habe, stellt keinen Vortrag konkreter Tatsachen dar, die aufzeigen könnten, dass sich geltend gemachte Mängel auf den vorliegenden Fall ausgewirkt hätten. Zum einen sind die vorgetragenen Alternativangebote der genannten Autovermietungsuntemehmen lediglich auszugsweise, mithin unvollständig dargelegt. Dabei ist insbesondere auch nicht die Höhe der einzelnen Nebenkosten dargelegt welche üblicherweise einen erheblichen Teil des Endpreises ausmachen. Es ist auch nicht dargelegt, mit welcher Vorlaufzeit die Reservierung hier vorgenommen werden sollte; auch dies könnte Einfluss auf den angebotenen Preis gehabt haben. Zudem betreffen die dargelegten Angebote Anmietungsmöglichkeiten zu einem anderen Zeitpunkt als den Unfallzeitpunkt, auf den es jedoch ankommt. Die Beklagte behauptet lediglich pauschal, dass zum Unfallzeitpunkt zu einem Betrag in dieser Größenordnung hätte angemietet werden können. Dies genügt nicht den Anforderungen eines substantiterten Vortrags hinreichend konkreter Tatsachen, um Mängel der Schwacke-Liste zu begründen, die sich konkret ausgewirkt hätten.
Bei der Abrechnung der Mietwagenkosten sind die sich bei mehrtägiger Vermietung ergebenden Reduzierungen nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel nach Wochen-, Dreitages- und Tagespauschalen zu berücksichtigen anstelle einer Multiplikation des Tagessatzes mit der Anzahl der Miettage (OLG Köln, NZV 2007,199, 200). Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zum Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem „Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.a.) einen gegenüber dem „Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (z.B. BGH, NJW 2005, 51; BGH, NJW 2005, 1933; BGH, NJW 2006, 2621, 2622). Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei der Beurteilung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei Inanspruchnahme des Unfallersatztarifs eine generelle Betrachtung geboten und nicht auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Vorliegend ist dabei auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin nicht auf Basis des sogenannten „Modus“ abrechnet, sondern auf Basis des „nahen Mittels“. In Ermangelung von „Modus‘-Werten im konkreten PLZ-Gebiet 532/Fahrzeugklasse 3 ist der Ansatz der Werte des „nahen Mittels“, des arithmetischen Mittels, ausnahmsweise angemessen. Angesichts dessen ist das Vorbringen der Beklagten zur Kritik am „Modus“ unerheblich.
Dass aufgrund der Besonderheiten der Unfallsituation in der Regel ein höherer Mietwagenpreis als der Normaltarif zur Schadensbeseitigung i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich ist, steht nicht mehr grundsätzlich in Streit (OLG Köln, NZV 2007,199, 200; LG Bonn, NZV 2007, 362, 363). Diese betriebswirtschaftlich gerechtfertigte ‚ Erhöhung kann in Form eines pauschalen Aufschlags auf den Normaltarif erfolgen, dessen Höhe wiederum der Tatrichter gemäß § 287 ZPO schätzen kann (z.B. BGH NZV 2006, 526). Das Gericht schließt sich der Auffassung an, dass ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif gerechtfertigt sei, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallersatzfahrzeuggeschäfts im Vergleich zum Normalgeschäft angemessen zu berücksichtigen (z.B. OLG Köln, NZV 2007,199, 201; LG Bonn, NZV 2007, 362,363). Das Gericht veranschlagt diesen Aufschlag mit 20 % (ebenso LG Köln, Urteil v. 19.11.2008, AZ: 9 S 171/08; OLG Köln, NZV 2007,199, 201; LG Hof, NJOZ 2008, 2806, 2809; LG Dortmund, Urt. v. 29.05.2008, 4 S 169/07; ähnlich LG Bonn, NZV 2007, 362, 363:25 %). Der BGH hat insoweit jungst (NZV 2008, 23, 24) ausgeführt, dass es keine Rolle spiele, ob der Betroffene persönlich außer der Vorfinanzierung der Mietwagenkosten weitere unfallbedingte Mehrleistungen, die eine Tariferhöhung rechtfertigten, in Anspruch genommen habe. Soweit die – insoweit darlegungs- und beweisbelastete – Beklagte hierzu vorträgt, dem Geschädigten habe vorliegend der Normaltarif ohne Weiteres zur Verfügung gestanden und dabei auf die Entscheidung des OLG Köln vom 18.03.2008, AZ: 15 U 145/07 verweist, greift dieser Einwand nicht durch. In der zitierten Entscheidung des OLG Köln ist die Verfügbarkeit des Normaltarifs als zugestanden angesehen worden. Vorliegend ist dies jedoch nicht der Fall; aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich zumindest konkludent, dass diese die Verfügbarkeit eines Normaltarifs im vorliegenden Fall bestreitet.
Auf Basis der vorstehenden Ausführungen unter Zugrundelegung der Schwacke-Liste 2007 ergibt sich folgendes:
Zunächst ist der angesetzte Grundpreis von einmal Wochenpreis zu 470,87 € plus zweimal Tagespreis zu je 85,00 € ersatzfähig, mithin 640,87 €.
Entgegen der Abrechnung der Klägerin ist kein 25%-iger, sondern lediglich ein 20%-iger pauschaler, ersatzfähiger Aufschlag vorzunehmen, mithin 128,17 €.
Die Nebenkosten hinsichtlich Voll-/Teilkasko sind in Höhe von einmal Wochenpreis 108,00 € und zweimal Tagespreis zu je 18,00 €, mithin insgesamt 144,00 €, ersatzfähig.
Die geltend gemachten Nebenkosten für einen notwendigen Zusatzfahrer zum Tagespreis von 20,00 € je 9 Tage sind mangels substantiiertem Sachvortrag der Klägerin und zudem fehlendem Beweisangebot nicht ersatzfähig. Die Beklagte bestritt insoweit, dass der Geschädigte auf einen weiteren Fahrer angewiesen gewesen sei. Dem trat die Klägerin nicht konkret entgegen.
Die Nebenkosten für Zustellen/Abholen des Fahrzeugs in Höhe von insgesamt 50,00 € sind ersatzfähig.
Insgesamt ergibt sich daher ein grundsätzlich ersatzfähiger Betrag von 963,04 £ Abzüglich der bereits von der Beklagten an die Klägerin gezahlten 397,63 € ergibt sich ein nunmehr noch offener und ersatzfähiger Betrag von 565,41 €.
Soweit das AG Bonn.
Hallo Babelfisch,
so sehr sich die beklagte Versicherung auch gegen die Anwendbarkeit der Schwacke-Mietpreisliste wandte, so standhaft blieb das erkennende Gericht und wies den Vortrag der Beklagten zurück, da der Sachvortrag ohne Bezug auf den konkreten Sachverhalt war. Hut ab vor dem erkennenden Gericht.
Stell auch weiterhin derart gut begründete Urteile hier ein!
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker