AG Köln: noch einmal heißt es, „es gilt Schwacke“ (263 C 440/10 vom 12.08.2011)

Mit Urteil vom 12.08.2011 (263 C 440/10) hat das Amtsgericht Köln erneut gegen die DEVK Versicherung entschieden und auf der Grundlage der Schwacke-Liste zur Zahlung von 1.359,77 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Die Fraunhofer Tabelle und die Erhebung von Dr. Zinn finden keine Anwendung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet: im Übrigen ist sie unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.359,77 € gemäß §§ 7 Abs, 1,17 Abs. 1.18 Abs 1 StVG. §§ 249 ff. BGB i.V.m. 398 BGB, § 3 Nr, 1 PflVG a.F. (§ 115 VVG n.F.) zu.

Die volle Haftung der Beklagten für den Verkehrsunfall vom xx.xx.2010 ist dem Grunde nach unstreitig. Die Parteien streiten um den Ersatz restlicher Mietwagenkosten.

Mietet der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall ein Ersatzfahrzeug an, so kann er die dafür erforderlichen Mietwagenkosten ersetzt verlangen. Erforderlich sind dabei die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte.

Dazu ist der Geschädigte gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Daraus folgt, dass der Geschädigte, der ein Ersatzfahrzeug mietet, sich, sofern dies ihm in der konkreten Situation zumutbar ist, nach den sich in dem maßgeblichen örtlichen Bereich erhältlichen Tarifen zu erkundigen hat. Verhält er sich dementsprechend, so wird er feststellen, dass es auf dem Markt der Autovermieter neben möglicherweise angebotenen Unfallersatztarifen sogenannte Normaltarife gibt. Dies sind unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten für Selbstzahler gebildete Tarife, die – zum Teil erheblich – günstiger als Unfallersatztarife sind. Dementsprechend ist für die Beantwortung der Frage, welche Aufwendungen für die unfallbedingte Anmietung eines Ersatzfahrzeugs erforderlich sind, nach der neueren, den Parteien bekannten Rechtsprechung des BGH (z.B. NJW 2006, 2693) zunächst der Normaltarif heranzuziehen. Für die Ermittlung des Normaltarifs bietet die Schwacke-Liste, deren Werte sich aus Erhebungen ergeben, die bei Mietwagenunternehmen im maßgeblichen Postleitzahlenbereich vorgenommen worden sind, für den Tatrichter im Rahmen des ihm nach § 287 ZPO eingeräumten Schätzungsermessens eine brauchbare Grundlage zur Bestimmung der erforderlichen Mietwagenkosten (vgl. hierzu etwa BGH VersR 2008, 699; zuletzt BGH Urt. v. 19 01.2310 – VI ZR 112/09; Urt. v. 18.05.2010 –VI ZR 293/08; Urt. v. 17.05.2011 –VI ZR 142/10). Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass der Schwacke-AMS Mängel aufweist, die sich auf die hier zu entscheidenden Fälle ausgewirkt haben und die entscheidende Zweifel an ihrer Eignung begründen. Insbesondere sind solche Anhaltspunkte nach der ständigen Rechtsprechung auch der zuständigen Berufungskammer (vgl. z. B. 11 S 400/09, Urt. v. 10.11.2009; 11 S 394/08 LG Köln, Urt. v. 15.12.2009) nicht darin zu sehen, dass etwa der Fraunhofer Mietpreisspiegel, der auf einer anonymisierten Befragung beruht, geringere Preise ausweist. Im Übrigen sind die unterschiedlichen Auffassungen zur Brauchbarkeit des Schwacke-AMS einerseits und der Fraunhofer Liste andererseits sowie auch zu anderen Erhebungen (z. B. Dr. Zinn) hinreichend bekannt, so dass das Gericht weitere, sich im Grunde nur wiederholende Ausführungen jedenfalls nicht für erforderlich hält. Es sieht deshalb auch keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung und der der zuständigen Berufungskammer sowie mehrerer Entscheidungen mehrerer Senate des OLG Köln (vgl. zuletzt 2 U 2/10 und 15 U 187/09, beide vom 29.06.2010; 25 U 11/10 vom 20.07.2010 und 5 U 44/10 vom 18.08.2010) abzuweichen. Jedenfalls sind von der Beklagten auch keine konkreten Tatsachen hinreichend dargelegt worden, wonach geltend gemachte Mängel der jeweils beanstandeten Schätzungsgrundlage sich gerade auf einen zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken.

Das Gericht sieht als Vergleichs- und Schätzgrundlage (§ 287 ZPO) den Schwacke-Mietpreisspiegel 2009 als geeignet an. Bei der Bildung der Moduswerte hat sich der Schwacke-Auto-Mietpreisspiegel an den tatsächlichen Marktverhältnissen orentiert. Die Schwacke-Organisation tritt dabei als neutrale Sachverständigenorganisation auf. Zwar werden hierfür lediglich die häufigsten Nennungen herangezogen und nicht, wie man denken könnte, ein Mittelwert aus allen Nennungen gebildet. Jedoch ergibt sich hieraus keine völlige Ungeeignetheit der Schwacke-Liste. Warum es nicht repräsentativ sein soll, wenn die Schwacke-Liste nur einen Teil der Mietwagenfirmen befragt oder die häufigsten Preisnennungen zugrunde legt, ist nicht verständlich. Hierzu hätte die Beklagte konkret darlegen müssen, dass die befragten Mietwagenunternehmen völlig aus dem üblichen Preisrahmen herausfallen. Dies hat sie jedoch nicht getan.

Bei der Anwendung der Schwacke-Liste, wobei jeweils die zum Zeitpunkt der Anmietung aktuellste Schwacke-Liste zugrunde zu legen ist, ist dabei abzustellen auf die für den Zeitraum der Anmietung günstigste Tarif-Kombination unter Berücksichtigung des sogenannten Modus-Wertes (früher: gewichtetes Mittel), d.h. den Wert, der im maßgeblichen Bereich am häufigsten genannt wurde. Dabei ist für den Fall der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs durch einen Unfallgeschädigten auch zu berücksichtigen und anzuerkennen, dass der Unfalltarif an sich gegenüber dem normalen Vermietungsgeschäft eine höhere Kosten- und Risikostruktur aufweist (z.B. vermehrte Beratungs- und Serviceleistungen, erhöhter Verwaltungsaufwand, Zinsverluste aufgrund von längeren Zahlungsfristen. Forderungsausfallrisiko, vgl. im Einzelner hierzu die Ausführungen von Neithardt/Kremer in: NZV 2005, 171), so dass in Anwendung von § 287 ZPO auch ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif gerechtfertigt erscheint. Ein solcher ist auch nach der Rechtsprechung des BGH zulässig (vgl. BGH NJW 2006, 360; BGH NJW 2007, 2916; BGH NJW 2008, 1519 sowie OLG Köln, Beschluss v. 15.07.2008 – 4 U 1/08; in diesem Sinne auch BGH NJW2008, 23 sowie zuletzt BGH, Urt. v. 19.01.2010 – VI ZR 112/09). Die Anmietung erfolgte hier jedenfalls auch unfallbedingt und innerhalb von einem Tag nach dem Verkehrsunfall. Nach der Rechtsprechung des OLG Köln (NZV 2007, 199 sowie zuletzt auch LG Köln, Urt. v. 19.11.2008 – 9 S 171/08) erscheint dazu ein Aufschlag von 20 % auf den Normaltarif angemessen. Dem entspricht auch die aktuelle Rechtsprechung der zuständigen Berufungskammer (vgl zuletzt LG Köln. Urt. v. 28,04.2009 – 11 S 116/08; Urt. v. 17.03.2009 – 11 S 77/08). Hinzu kommen noch Nebenkosten für Zusatzleistungen, sofern diese im Einzelfall (etwa ausweislich des Mietvertrages oder der Rechnung) erbracht worden sind und sofern hierfür eine gesonderte Vergütung verlangt worden ist. Dies sind insbesondere etwa Aufwendungen für den Abschluss einer Vollkaskoversicherung, die nach der Rechtsprechung des BGH ungeachtet der Frage, ob der Geschädigte seinerseits eine Vollkaskoversicherung für sein unfallbeschädigtes Fahrzeug hatte, in vollem Umfang erstattungsfähig sind, mögliche Kosten für die Zustellung und Abholung des Mietwagens sowie Kosten für Zweitfahrer. Auch für die Bemessung der erstattungsfähigen Nebenkosten ist die Schwacke-Liste eine brauchbare Grundlage.

Im Ergebnis hält das Gericht eine gesonderte Beweiserhebung durch einen Sachverständigen für nicht erforderlich. Vielmehr kann im konkreten Fall eine für die Ermessensausübung nach § 287 ZPO geeignete Schätzgrundlage ermittelt werden, indem die Schwacke-Liste herangezogen wird. Denn auch einem geichtlich beauftragten Sachverständigen stünden keine besseren Erkenntnismöglichkeiten als die Schwacke oder Fraunhofer-Liste offen, die eine bessere oder realistischere Ermittlung der Mietwagenkosten zum Unfallzeitpunkt erwarten lassen würde. Für diesen (vergangenen) Zeitraum kann eine Ermittlung nur anhand der zeitlich hiervor erhobenen Daten ermittelt werden: diese sind jedoch nur in den Listen von Schwacke und vom Fraunhofer-Institut systematisch erfasst und festgehalten. Ein Verweis auf aktuell zugängliche Mietwagenpreise würde die Anmietsituation des Unfallgeschädigten im konkreten Fall nicht zutreffend wiedergeben. Daher würde eine Beweisaufnahme nicht zu einer besseren oder realistischeren Schätzung führen, weshalb das Gericht von einer weiteren Beweisaufnahme abgesehen hat (vgl. LG Bielefeld, NJW-Spezial 2009, 762, Tz. 27; OLG Saarbrücken a.a.O., Tz. 49; BGH VersR 2008, 214).

Gemäß der obergerichtlichen Rechtsprechung sind bei der Abrechnung von Mietwagenkosten die sich bei mehrtägiger Vermietung ergebenden Reduzierungen nach dem Schwacke-Automietpreis-Spiegel nach Wochen-, Dreitages- und Tagespauschalen zu berücksichtigen, anstatt eine Multiplikation des Tagessatzes mit der Anzahl der Miettage vorzunehmen ( vgl. OLG Köln, NZV 2007, 199 ff.).

Da hier ein klassengleiches Fahrzeug angemietet worden ist, war beim Grundpreis ein Abzug von 10 % wegen Eigenersparnis vorzunehmen.

Ausgehend von den obigen Darlegungen ergibt sich (PLZ 415, Gruppe 5) ein Schwacke-Grundmietpreis im Modus von zwei Wochenpauschalen und zwei 3-Tages-Pauschalen. Hinzu kommen grundsätzlich die Kosten für die Haftungsreduzierung (Vollkasko) sowie für Zustellung und Abholung des Fahrzeugs sowie einem zweiten Fahrer.

Ein Aufschlag in Höhe von 20 % war vorliegend nicht gerechtfertigt, da die Anmietung erst vier Tage nach dem Unfall erfolgte. Ein unfallbedingter Mehraufwand ist damit nicht gegeben.

Die Kosten für eine Winterbereifung können von dem Kläger nicht zusätzlich verlangt werden (vgl. hierzu auch OLG Köln, Urt. v. 23.02.2010 – 9 U 141/09). Denn insoweit handelt es sich nach § 2 Abs. 3a StVO um eine seit dem 01.05.2006 gesetzlich vorgeschriebene Standardausstattung, die mit dem Grundmietpreis mit abgegolten sein muss und keine zusätzliche Berechnung erlaubt.

Es war daher wie folgt abzurechnen:

Grundpreis

2x Wochenpauschale (à 647,60 €)             1.295,20 €
2x 3-Tages-Pauschale (à 279,00 €)              558,00 €
Zwischensumme                                         1.853,20 €
Abzüglich 10 % Eigenersparnis                     185,32 €
Zwischensumme                                         1.667,88 €

Vollkasko

(2 x Wochenpauschale à 154,00 €,
2 x 3-Tages-Pauschale à 66,00 €)                 440,00 €
Zweiter Fahrer (20 x 12,00 €)                        240,00 €
Zustellung/Abholung (à 23,00 €)                     46,00 €
Zwischensumme                                          2.393,88 €
Abzüglich gezahlter                                     1.034,11 €

Rest                                                           1.359,77 €

Dies ist der Betrag, den der Kläger erstattet verlangen kann.

Daneben steht dem Kläger auch ein Anspruch auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, berechnet aus einem Gegenstandswert in Höhe von 9.326,01 €, bestehend aus einer 1.3-fachen Geschäftsgebühren (631,80 €) nebst Auslagenpauschale (20,00 €) und Mehrwertsteuer (123,84 €), zu. Abzüglich der von der Beklagten gezahlten 661,16 € ergibt sich der tenorierte Betrag in Höhe von 114,43 €.

Der zuerkannte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 286, 288, 187 analog BGB. Die Beklagte befand sich mit Ablauf der vom Kläger im Schreiben vom 23.03.2010 gesetzten Frist in Verzug.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709 S. 1 und 2, 711 ZPO.

Soweit das AG Köln.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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Eine Antwort zu AG Köln: noch einmal heißt es, „es gilt Schwacke“ (263 C 440/10 vom 12.08.2011)

  1. Dipl.-Ing. Harald Rache sagt:

    AG Köln: noch einmal heißt es, “es gilt Schwacke”
    Mittwoch, 04.01.2012 um 09:34 von Babelfisch |

    Mit Urteil vom 12.08.2011 (263 C 440/10) hat das AG Köln erneut gegen die DEVK Versicherung entschieden und auf der Grundlage der Schwacke-Liste zur Zahlung von 1.359,77 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Die Fraunhofer Tabelle und die Erhebung von Dr. Zinn finden keine Anwendung

    Hallo, Babelfisch,

    et es, wie et es….Das gehört zum Kölner „Grundgesetz“.

    H.R.

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