Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
hier noch ein Urteil aus Böblingen, das die restlichen Sachverständigenkosten zum Streitgegenstand hatte. Obwohl die zuständige Amtsrichterin der 21. Zivilabteilung zutreffend die grundsätzliche BGH-Rechtsprechung bemüht hat, unternimmt sie eine Preiskontrolle. Nach den beiden BGH-Urteilen ist es bekanntlich dem Sachverständigen gestattet, bei Routinegutachten nach der Schadenshöhe abzurechnen (vgl. BGH DS 2006, 278 und BGH DS 2007, 144). Deshalb kann an der Pauschalierung der Sachverständigenkosten kein Einwand entstehen. Gleichwohl nimmt das Gericht dann anschließend eine Preiskontrolle vor, obwohl der BGH entschieden hat, dass eine Preiskontrolle zu unterbleiben hat, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen gewahrt hat. Inwieweit die Fahrtkosten dem entsprechen, ist Tatfrage. Sicherlich kann der Geschädigte nicht einen x-beliebigen weit vom Wohnsitz des Geschädigten entfernt ansässigen Sachverständigen beauftragen. Wenn aber besondere Gründe für die Beauftragung gerade dieses Sachverständigen sprechen, was allerdings aus dem Urteil nicht hervorgeht, dann sind u.U. auch Kosten eines weiter entfernt ansässigen Sachverständigen erforderlicher Herstellungsaufwand des Geschädigten. Insoweit hat die Richterin keinen entsprechenden Sachvortrag vorliegen gehabt. Das Urteil wurde erstritten und der Redaktion übersandt durch Herrn RA. Gursch aus Böblingen. Ich bitte um rege Kommentierung.
Mit vielen Grüßen
Euer Willi Wacker
Aktenzeichen:
21 C 2227/11
Verkündet am
22.12.2011
Amtsgericht Böblingen
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
Zürich Insurance pic NfD, Poppelsdorfer Allee 25-33, 53115 Bonn
– Beklagte –
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Böblingen
durch die Richterin am Amtsgericht …
am 22.12.2011 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 101,73 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 30.8.2011 sowie weitere 46,47 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 11.10.2011 zu bezahlen.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Streitwert: 134 €.
Tatbestand
Ohne Tatbestand gemäß § 313 a ZPO.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und in zum größten Teil begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Bezahlung weiterer 101,73 € zzgl. Nebenforderungen.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG einen Anspruch auf Bezahlung weiterer 101,73 € Sachverständigenkosten. Weitere Ansprüche hat er nicht, sodass die Klage zumindest teilweise abzuweisen war.
Dem Grunde nach ist die Haftung zwischen den Parteien unstreitig.
Gem. § 249 BGB hat die Beklagte den Geldbetrag zu ersetzen, der zur Herstellung des Zustandes erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Hierzu zählen auch die Kosten eines Sachverständigengutachtens, sofern die Begutachtung erforderlich und zweckmäßig war (BGH NJW 2007, 1450 ff = DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann). Wahrt der Geschädigte den Rahmen zur Wiederherstellung des Erforderlichen, so sind weder Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle – auch bei der Höhe des Sachverständigenhonorars – durchzuführen (BGH aaO).
Maßstab für den erforderlichen Herstellungsaufwand ist der Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten. Der Geschädigte ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg zur Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung auch Rücksicht auf die spezielle Situtation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuelle Erkenntnismöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten Rücksicht zu nehmen. Der Geschädigte ist zwar grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Allerdings verbleibt für ihn das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist.
In diesem Zusammenhang ist nicht zu beanstanden, dass die Rechnung des Sachverständigen ein pauschaliertes Grundhonorar ausweist. Dies ist vom BGH inzwischen gebilligt worden (BGH aaO; BGH NJW 2006, 2472 = DS 2006, 278).
Unter Berücksichtigung der Befragung des Bundesverbands der unabhängigen Sachverständigen ergibt sich, dass das vorliegende Grundhonorar bezogen auf die Netto-Reparaturkosten zzgl. Minderwert (2.308,65 €, 300 € ) im Rahmen des üblichen liegt. Im konkreten Fall liegt das Grundhonorar geringfügig (4 €) unter dem im Honorarkorridor ausgewiesenen Satz. Die Art und Weise der Abrechnung entspricht nach den Erfahrungen des Gerichts auch der Ortsüblichkeit.
Aus diesem Grund sind insoweit 427,21 € brutto anzusetzen.
Bzgl. der Porto- Telefon und Bruttokosten begegnet die Abrechnung keinen Bedenken. Hierfür sind brutto 36,30 € anzusetzen.
Hinsichtlich der Fahrtkosten hat der Kläger allerdings gegen die Schadenminderungspflicht verstoßen. Der Geschädigte ist gehalten, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Ohne Anhaltspunkte hat er einen ortsnahen Sachverständigen zu beauftragen, um den Anfall von Fahrtkosten zu vermeiden. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, nach denen nicht auch ein vor Ort ansässiger Sachverständiger die Begutachtung in Holzgerlingen hätte durchführen können. Insoweit besteht lediglich ein Anspruch auf Bezahlung von Fahrtkosten für 20 k m á 0, 98 € , mithin 19,60 € netto, 23,32 € brutto. Diese Kosten wären für einen aus dem ortsnahen Böblingen, wo es mehrere Sachverständige gibt, angefallen.
Dies ergibt einen Gesamtbetrag für das Sachverständigengutachten in Höhe von 486,83 €. Abzüglich der bereits geleisteten 385,10 € ergibt sich ein Rest zugunsten des Klägers in Höhe von 101,73 €.
Darüber hinaus hat der Kläger einen Anspruch auf Bezahlung von Verzugszinsen hieraus sowie auf Bezahlung vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zzgl. Verzugszinsen gem. § 286, 288, 280 Abs. 1 BGB.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 11, 711, 713 ZPO.
Die Frage ist doch, und darüber schweigt das Urteil, wie weit Holzgerlingen von Böblingen und wie weit vom Sitz des beauftragten SV entfernt ist. Ohne diese Angaben ist schwerlich was zu der Schadensgeringhaltungspflicht zu sagen. Sicherlich darf der Geschädigte grds. nicht einen 100 km entfernt sitzenden SV beauftragen, es sei denn es handelt sich um einen Spezial-SV, z.B. für verunfallte Zweiwegefahrzeuge (Siehe Urteil des LG Dresden vom 28.9.2009 – 10 O 1071/09 – bei einem Wiederherstellungsaufwand von über 800.000 Euro). In ländlichen Gebieten dürfte der Einzugsbereich größer sein als in Großstädten. Aber auch in Großstädten dürfte der Geschädigte grds. das Recht haben, einen SV seiner Wahl zu beauftragen.
Also, vielleicht kann der Einsender oder der Autor noch ergänzende Angaben machen.