OLG Stuttgart weist Berufung der Helvetia Versicherung gegen die Verurteilung durch das AG Calw zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten zurück

Mit Urteil vom 08.07.2009 (3 U 30/09) hat das nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GVG zuständige OLG Stuttgart die Berufung der in der Schweiz ansässigen Helvetia Schweizerische Versicherungsgesellschaft AG gegen das Urteil des AG Calw vom 29.01.2009 (4 C 896/08) zurückgewiesen, mit dem diese zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.505,93 € zzgl. Zinsen verurteilt wurde. Zur Anwendbarkeit von Normal-/ Unfallersatztarif nimmt das Gericht ebenso eingehend Stellung wie zur Anwendung der Schwacke-Liste und zur Ablehnung der Fraunhofer Tabelle.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

1.

Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für das Berufungsverfahren ergibt sich aus §119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GVG. Der Sitz der Beklagten liegt in der Schweiz und ist nach Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 LugÜ dem Wohnsitz gleichgestellt. Die internationale Zuständig­keit folgt aus Art. 5 Nr. 3 LugÜ, wonach Ansprüche aus unerlaubter Handlung vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, geltend gemacht werden können. Sie wird von der Beklagten nicht angegriffen.

2.

Die Beklagte ist grundsätzlich gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 BGB i.V.m. § 3 PflVG n.F. der Geschädigten gegenüber zum Schadenersatz verpflichtet. Die Aktivlegitimatlon der Klä­gerin ist durch die Abtretungsvereinbarung vom 08.07.2008  nachgewiesen.

3.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung weiterer 1.503,93 € zu (§ 249 BGB).

a)

Nach § 249 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger (bzw. dessen Haftpflichtversi­cherer) als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagen­kosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschä­digte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann (BGH NJW 2006, 1506; BGH NJW 2007, 1122; BGH NJW 2008, 1519). Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teu­rer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (et­wa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen fal­scher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen u.a.) einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, wei sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehe­bung nach § 249 BGB erforderlich sind (BGH NJW 2007, 1122; BGH NJW 2006, 1506).

Die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforder­lich im Sinne von § 249 Abs. 9 S. 1 BGB ist, kann offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Normaltarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war. Ebenso kann diese Frage offen bleiben, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum Normaltarif nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist, denn der Geschädigte kann in ei­nem solchen Fall einen den Normaltarif übersteigenden Betrag im Hinblick auf die sub­jektbezogene Schadensbetrachtung auch dann verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre (BGH NJW 2007, 2916; BGH NJW 2007, 3782).

Für die Frage der Zugänglichkeit ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzu­stellen. Dabei kommt es insbesondere hinsichtlich der Erkennbarkeit der Tarifunter­schiede für den Geschädigten darauf an, ob ein vernünftig und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten ist, ferner kann eine Rolle spielen, wie schnell der Ge­schädigte ein Ersatzfahrzeug benötigt (BGH NJW 2006,1506).

Nach der Rechtsprechung ist es selbst dann, wenn dem Geschädigten nur ein einheitli­cher Tarif angeboten wurde, Sache des Geschädigten darzulegen und zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglich­keiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren An­strengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war. Anders liegt es in den Fäl­len, in denen die Inanspruchnahme eines Unfallersatztarifes grundsätzlich gerechtfertigt erscheint und durch einen Aufschlag zum Normaltarif geschätzt werden kann; hier trägt der Schädiger die Darlegungs- und Beweislast, wenn er geltend macht, dass dem Ge­schädigten ein günstigerer Tarif nach den konkreten Umständen ohne weiteres zugäng­lich gewesen sei (BGH NJW 2009, 58).

Regelmäßig kann in Ausübung des bestehenden tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO der „Normaltarif'“ auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten geschätzt werden (BGH NJW 2007, 3782; BGH VersR 2006, 1425), Es kommt daher nicht auf die konkrete Kal­kulation der Vermieterin des Ersatzwagens an (BGH NJW 2007, 2916; BGH NJW 2006, 1506).

Für den Fall, dass spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschadigte all­gemein einen Aufschlag rechtfertigen, kann nach der Rechtsprechung ein pauschaler Aufschlag auf den „Normaltarif“ in Ansatz gebracht werden (BGH NJW 2008, 2910; BGH NJW 2007, 2916). Einen Aufschlag von 15 % hat der BGH nicht beanstandet (BGH NJW 2008, 2910). Üblicherweise wird ein Aufschlag von 20 % vorgenommen (OLG Karlsruhe VersR 2008, 92; OLG Köln NZV 2007, 173; Palandt/Heinrichs, 68, Aufl. 2008, § 249 BGB Rn. 31).

b)

Bei Beachtung dieser Grundsätze belaufen sich die erstattungsfähigen Gesamtkosten der Zedentin im Zusammenhang mit der Anmieiung eines Ersatzwagens insgesamt auf mindestens 3.005,93 €.

aa)

Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin der Geschädigten erkennbar einen erhöh­ten Unfallersatztarif angeboten und auch auf dieser erhöhten Basis abgerechnet hat. Im schriftlichen Formularmietvertrag ist dazu in der Rubrik „Grundgebühr “ eingetragen: „UE“, außerdem wurde darin vermerkt, dass der Mieter u.a. darauf hingewiesen worden ist, dass bei Unfallersatzanmietungen in Verbindung mit einer Sicherungsabtretung grund­sätzlich nur der Mietpreis laut Preisliste gewährt wird (Anlage K 3, Bl. 14 d.A.). Daraus ist zu schließen, dass die Klägerin bei nicht unfallbedingten Anmietungen gegebenen­falls Preise anbietet, die unterhalb dieser Preisliste liegen. Damit im Einklang steht die von der Klägerin im zweiten Rechtszug vorgelegte Preisliste „Alternativ privat  III/2008“ (Anlage K 15, Bl. 179 d.A), wonach die angegebenen Preise bereits einen Anteil von bis zu 18 % beinhalten für die Leistungen „Beratung, Bearbeitung, Schriftwechsel, Telefon, Benachrichtigungen, Stundung der Rechnung, die bei unfallbedingten Anmietungen in überdurchschnittlichem Umfang anfallen können bzw. gerade für solche Mietverhältnis­se typisch sind (wie etwa die Rechnungsstundung). Die schriftlichen Unterlagen sind daher vom objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) dahin zu interpretieren, dass der übliche Mehraufwand, der mit einer unfallbedingten Anmietung verbunden sein kann, bei der Kalkulation der Preise bereits berücksichtigt wurde. Die in der streitgegen­ständlichen Preisliste erwähnten weiteren Aufschläge von 5 bis max. 23 % können sich danach nur auf andere Zusat2leistungen beziehen. Der weitere Vermerk „Verlängerun­gen nur bei gleichzeitiger Abbuchung möglich“ steht der Annahme eines Unfallersatzta­rifs nicht entgegen. Andere Preislisten lagen der Geschädigten nicht vor.

bb)

Im vorliegenden Fall schuldet die Beklagte die Kosten für die Anmietung eines Fahrzeu­ges auf der Basis eines erhöhten Unfaltersatztarifes.

Zum einen hat die Klägerin in ausreichendem Umfang Mehrleistungen dargelegt, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und daher zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich waren. Unstreitig musste die Klägerin die Kosten für den Miet­wagen vorfinanzieren. Die Beklagte erbrachte eine Teilzahlung erst am 10.09.2008, der weitere Rechnungsbetrag ist ungeachtet der getroffenen Fälligkeitsregelung noch nicht beglichen. Der Mitarbeiter der Geschädigten war nicht gehalten, mit seiner persönlichen Kreditkarte – falls überhaupt vorhanden – eine gegen seine Arbeitgeberin gerichtete For­derung zu begleichen. Der Vortrag der Beklagten, der Mitarbeiter der Geschädigten ha­be über eine Kreditkarte der Geschädigten verfügt, war streitig und wurde nicht unter Beweis gestellt. Es kommt hinzu, dass die Anmietung um 18.40 Uhr und damit nach Schluss der üblichen Geschäftszeiten erfolgte, was einen höheren Personalaufwand begründet hat.

Zum anderen hat die Klägerin bewiesen, dass der Geschädigten ein günstigerer „Nor­maltarif“ unter den besonderen Umständen des Einzelfalles nicht zugänglich war. Denn der Unfall ereignete sich im ländlichen Bereich, außerdem musste außerhalb der übli­chen Geschäftszeiten nach einem Ersatzwagen gesucht werden. Zu Recht hat die Klä­gerin darauf hingewiesen, dass deshalb eine Notsituation bestand, weil der Mitarbeiter der Geschädigten noch am 08.07.2008 zurück nach H. musste und somit dringend auf ein Ersatzfahrzeug angewiesen war. Von entscheidendem Gewicht ist zusätzlich, dass die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, dass andere Anbieter in Calw zum fraglichen Zeitpunkt bereits geschlossen hatten und dass es weder in Bad Teinach noch in Calw eine Station des von der Beklagten näher bezeichneten Mitbewerbers gibt. Zudem fehlte vor Ort die Möglichkeit, etwa über eine Internet-Recherche nach Konkurrenzangeboten zu suchen. Es kommt hinzu, dass es für den Mitarbeiter der Klägerin keinerlei besondere Veranlassung gab, an der Angemessenheit der Preise der Klägerin zu zweifeln. Solche Anhaltspunkte werden von der Beklagten auch nicht substantiiert vorgetragen.

Selbst wenn man die Auffassung vertreten sollte, der Geschädigten sei ein einheitlicher Tarif angeboten worden, wie die Beklagte meint, kann als bewiesen erachtet werden, dass der Geschädigten kein günstigerer (Normal-)Tarif zugänglich war. Denn weniger teure Angebote alternativer Anbieter standen der Geschädigten, wie bereits näher ausgeführt worden ist, nicht zur Verfügung und nach dem Wortlaut des Mietvertrages waren die Preise der maßgeblichen Preisliste im vorliegenden Fall verbindlich.

cc)

Unter Heranziehung des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ für das Jahr 2007 schätzt der Se­nat die reinen Mietwagenkosten gemäß § 287 ZPO einschließlich Vollkaskoversicherung auf 2.758,59 €. Diese Schätzung beruht auf folgenden Überlegungen:

(1)

Grundsätzlich hat der Geschädigte Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Kosten für einen dem Unfallfahrzeug vergleichbaren Ersatzwagen, der unstreitig der Mietpreisklas­se 8 angehörte. Da die Geschädigte aber einen Wagen der Mietpreisklasse 5 angemietet hat, ist grundsätzlich auf diese Fahrzeugklasse abzustellen.

Der Senat folgt der Rechtsprechung des BGH, dass grundsätzlich der „Normaltarif“ auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzah­lengebiet der Geschädigten gem. § 287 ZPO geschätzt werden kann. In Anlehnung an die bereits zitierte obergerichtliche Rechtsprechung nimmt der Senat bei einer Berechti­gung zur Abrechnung eines Unfallersatztarifes einen Aufschlag von 20 % gegenüber dem Normaltarif vor. Dies führt hier zu folgender Berechnung:

Normaltarif                          Mietwagenklasse 5                             PLZ 753
pro Tag                                                                                   89,25 € brutto
pro Woche                                                                            520,11 € brutto
bei 30 Tagen:

4 x 520,11 € + 2 x 89,25 €=                                              2.258,94 € brutto
entspricht                                                                          1.898,27 € netto

Aufschlag in Höhe von 20% (Unfallersatztarif)                      379,65 €

Vollkaskoversicherung        Mietwagenklasse 5                           PLZ 753

pro Tag                                                                                   22,00 € brutto
pro Woche                                                                            132,00 € bruto
bei 30 Tagen:

4 x 132,00 € + 2 x 22,00 €=                                                 572,00 € brutto
entspricht                                                                             480,67 € netto

Ersatzfähig sind daher folgende Kosten:

Normaltarif                                                                         1.898,27 €
Aufschlag                                                                              379,65 €
Vollkaskoversicherung                                                          480,67 €

Summe:                                                                              2.758,59 €

Der Beklagten ist darin Recht zu geben, dass der „Normaltarif“ auf der Basis von Netto-Kosten zu rechnen ist, weil die Geschädigte vorsteuerabzugsberechtigt ist. Bei der Voll-Kaskoversicherung bestehen ferner Bedenken dagegen, den vom Amtsgericht veran­schlagten höheren Preis von 677,006 in Ansatz zu bringen, weil zunächst keine Miet­dauer von einem gesamten Monat vereinbart worden ist.

(2)

Die Auffassung des Amtsgerichts, dass keine ersparten Eigenkosten in Abzug zu brin­gen seien, ist nicht zu beanstanden. Es ist anerkannt, dass dann, wenn der Geschädigte ein gegenüber dem Unfallwagen einfacheres Fahrzeug anmietet, der Ersparnisabzug entfällt, da der Abzug der Billigkeit widersprechen würde und die Vorteilsausgleichung nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen darf (OLG Celle NJW-RR 1993, 1052; OLG Nürnberg NJW-RR 1994, 924; Paland/Heinrichs, a.a.O., § 249 BGB Rn. 32). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Geschädigte – wie hier – einen Mietwagen anmietet, der um drei Klassen unterhalb des Unfallwagens liegt.

(3)

Dass das Amtsgericht als Schätzungsgrundlage die Schwacke-Uste aus dem Jahr 2007 herangezogen hat (vgl. Anlagen K 6 und K 7, Bl. 17/19 d.A.), obwohl sich der Unfall 2008 ereignet hat und bereits eine Liste für dieses Jahr erstellt wurde (vgl. Anlage K 8 und K 9, Bl. 69/70 d.A.), wurde von keiner der Parteien beanstandet. Im Übrigen würde eine Vergleichsberechnung auf der Basis der „Normaltarife“ nach der Schwacke-Liste für das Jahr 2008 zu einem wesentlich höheren Betrag führen.

dd)

Für die Rückholung des Mietwagens hat die Klägerin der Mieterin 357,13 € in Rechnung gestellt. Diesen Betrag hat die Beklagte ebenfalls zu erstatten. Die Kosten für das Bahnticket in Höhe von 53,78 € sind unstreitig erstattungsfähig. Bei den Treibstoffkosten in Hohe von 43,35 € handelt es sich ebenfalls um Mehrkosten, die durch die Abholung ver­ursacht worden sind. Nach Ansicht des Senats kann die Klägerin auch die verlangte Ki­lometerpauschale in Höhe von 260,00 € für die Rückführung von der Beklagten ersetzt verlangen. Zwar enthielt der Vertrag keinerlei Kilometerbegrenzung. Jedoch ist aufgrund der Fahrt nach H. und zurück für einen Mitarbeiter der Klägerin ein nicht unerhebli­cher Zeitaufwand angefallen, den die Klägerin nachvollziehbar auf ca. 12 Stunden á 28,00 € geschätzt hat (Bl. 53 d.A.). Auch dieser Zeitaufwand ist erfordere im Sinne von § 249 BGB gewesen. Eine andere Betrachtungsweise würde wiederum zu einer unbilli­gen Entlastung der Beklagten führen.

Nicht richtig ist die Behauptung der Beklagten, bei der Klägerin handele es sich um ein bundesweit tätiges Unternehmen. Es trifft zwar zu, dass die Klägerin der Europa Service AG angeschlossen ist, wie aus dem verwendeten Vertragsformular hervorgeht. Jedoch handelt es sich hierbei lediglich, wie die Klägerin im Berufungsrechtszug vorgetragen hat, um einen Lizenzgeber im Rahmen eines Einkaufsverbandes, (vgl. dazu „https://www.europa-service.de“ und wikipedia.org/wiki/Europa_Service_Autovermietung). Es besteht somit nicht die Möglichkeit, den Mietwagen an einem anderen Standort kostenlos zurückzugeben mit der Folge, dass die berechnete Kilometerpauschale nicht in die Rubrik der Sowieso-Kosten fällt.

ee)

Unter Berücksichtigung der Teilzahlung der Beklagten ergibt sich somit folgender Rest­anspruch der Klägerin:

Normaltarif                                                           1.898,27 €
Aufschlag                                                                379,65 €
Vollkaskoversicherung                                            480,67 €
Zusatzkosten                                                          357,13 €

Ergebnis:                                                              3.115,72 €

bezahlt                                                                 1.500,00 €

Rest                                                                      1.615,72 €

Der von der Klägerin verlangte Betrag liegt darunter und ist daher der Höhe nach nicht zu beanstanden,

c)

Die Einwendungen, die die Beklagte gegen die Zugrundelegung des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ erhoben hat, greifen im vorliegenden Fall nicht durch.

aa)

Der BGH hat trotz der Bedenken, die gegen die Zuverlässigkeit dieses Mietpreisspiegels vor allem unter Hinweis des „Mietpreisspiegels Mietwagen Deutschland 2008“ des Fraun­hofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation erhoben wurden (vgl. OLG Mün­chen DAR 2009, 36; OLG Köln DAR 2009, 33; Buller, NJW-Spezial 2008, 169; Restenspiess, DAR 2007, 345), daran festgehalten, dass das gewichtete Mittel nach der eurotaxschwacke-Liste weiterhin in der Rechtsprechung als Schätzungsgrundlage für den Normaltarif Verwendung finden kann (BGH NJW 2009, 58; zustimmend OLG Köln, Urt v. 03.03.2009 – 24 U 6/08, zitiert nach Juris).

Es erscheint im Übrigen schon im Ansatz zweifelhaft, ob der vorerwähnte Mietpreisspie­gel des Fraunhofer-Instituts eine geeignetere Schätzungsgrundlage bilden kann. Denn das Fraunhofer-Institut hat sich bei der Internet-Recherche auf Internet-Portale be­schränkt, die eine verbindliche Buchung erlauben, und damit auf die vorhandenen nam­haften und großen Anbieter. Außerdem beschränkt sich diese Untersuchung auf zwei­stellige, hinsichtlich der telefonischen Erhebung sogar auf einstellige Postleitzahl-Bereiche, sodass die Gefahr besteht, dass regionale Besonderheiten nicht ausreichend berücksichtigt werden. Es kommt hinzu, dass eine Vorbuchungszeit von 1 Woche, die Grundlage der Erhebungen des Fraunhofer-Instituts war, regelmäßig bei der Anmietung eines Fahrzeuges aus Anlass eines Unfalls nicht eingehalten werden kann und daher in solchen Fällen die Ausnahme bildet. Schließlich handelt es sich um eine von der Versi­cherungswirtschaft in Auftrag gegebene Studie, deren Unabhängigkeit und Neutralität in Frage gestellt werden kann.

bb)

Außerdem sind Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind, d.h. es müssen konkrete Tatsachen aufgezeigt werden, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schät­zungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall tatsächlich auswirken (BGH NJW 2008, 2910; BGH NJW 2008, 1519).

Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Für den Standort der Klägerin be­steht nämlich die Besonderheit, dass nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin kein großer Marktführer vor Ort ist und dass kleine und mittelständische Anbieter wie die Klägerin naturgemäß zu anderen Preisen kalkulieren müssen wie marktführende bundesweit tätige Konkurrenzunternehmen mit wesentlich größeren Fahrzeugflotten. Eine Internet-Recherche bzw. eine Anmietung eines Fahrzeuges an einem anderen Ort war der Geschädigten zum Unfallzeitpunkt in Anbetracht der beste­henden Eile weder möglich noch zumutbar. Die Geschädigte hätte deswegen zu einem Tarif, wie er aus der Studie des Fraunhofer-Instituts hervorgeht, kein Fahrzeug anmieten können, sondern war bei ihrer Suche auf solche Betriebe angewiesen, wie sie von der Klägerin inzwischen benannt wurden (Bl. 173/174 dA).

Die Behauptung der Beklagten, bei den im Schwacke-Automietpreisspiegel für den Postleitzahlenbereich 753 berücksichtigten 8 Nennungen handele es sich nicht um Au­tovermietungen, die am „normalen‘ Markt teilnehmen würden, vielmehr seien diese für einen Kunden zur unfallunabhängigen Anmietung eines Fahrzeuges nicht zugänglich (Bl. 165 d.A.), ist neu im Berufungsverfahren, sodass die Beklagte hiermit nicht mehr gehört werden kann (§§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO). Entschuldigungsgründe i.S.v. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO wurden nicht vorgebracht. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ihr weiterer Vortrag, es gebe im maßgeblichen Postleitzahlenbereich gar keine Autovermietungen, die unfallunabhängigc Normaltarife anböten (Bl. 195 dA), nicht unstreitig. Denn die Klägerin hat in Abrede gestellt, dass die von ihr benannten Unternehmen nicht am regionalen Markt teilnehmen würden; diese seien als Vermietun­gen bekannt (Bl. 174 dA). Danach ist gerade umstritten, ob diese Betriebe nicht für Un­fallgeschädigte erhältliche Normaltarife anbieten und zum örtlich relevanten Markt zäh­len. Ob diese Betriebe im Telefonbuch als Autovermietungen eingetragen sind oder nicht, kann insoweit allenfalls von indizieller Bedeutung sein. Im Übrigen ist die Beklagte für die Richtigkeit ihrer Behauptung beweisbelastet und hat keinen Beweis angetreten.

d)

Ein Mitverschulden i.S.v. § 254 Abs. 2 BGB ist der Geschädigten nicht anzulasten. Ist von vornherein eine längere Mietdauer absehbar, kann u.U. ein Wechsel des Mietwagens und des Autovermieters verhältnismäßig und der damit verbundene Zeitaufwand zumut­bar sein (vgl. BGH Schaden-Praxis 2009, 147). Die Beklagte hat dazu, ob auch vorlie­gend eine längere Mietzeit vorhersehbar war, nichts vorgetragen. Erst recht fehlt der erforderliehe  Nachweis eines Mitverschuldens.

Zu Recht hat das Amtsgericht Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweili­gen Basiszinssatz jährlich seit 14.09.2008 zugesprochen. Die Beklagte hat mit Schrei­ben vom 08.09.2008 eine über den Betrag von 1.500,006 hinausgehende Zahlung end­gültig verweigert (Anlage K 5, Bl. 16 d.A.). Aus diesem Grunde bedurfte es einer Mah­nung nicht (§ 286 Abs, 2 Nr. 3 BGB).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläu­fige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Fragen von einer über den vorliegenden Einzelfall hinausgehenden Bedeutung sind nicht ersichtlich. Die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichtes nicht.

Soweit das OLG Stuttgart.

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2 Antworten zu OLG Stuttgart weist Berufung der Helvetia Versicherung gegen die Verurteilung durch das AG Calw zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten zurück

  1. Andreas sagt:

    Was ich nicht verstehen kann, ist, dass die Helvetia bekanntermaßen zu den teuren Versicherungen gehört und die Versicherungsvertreter nicht müde werden zu betonen, dass die Prämien zwar höher, aber die Leistungen besser seien und dass bei der Helvetia alles unproblematisch laufen würde.

    Wieso erdreistet sich also eine Versicherung, die bekanntermaßen hohe Prämien berechnet, darüber urteilen zu wollen, dass ein Mietwagenunternehmen zu teuer abrechnen würde…

    Allein diese Vorgehensweise verbietet sich schon von selbst. Damit hat sich die Helvetia keine Freunde gemacht.

    Grüße

    Andreas

  2. Hunter sagt:

    Auch die Kleinen und/oder Unscheinbaren (Unternehmen) wollen inzwischen Kasse machen und haben offensichtlich verpasst, dass der Karren des Schadensmanagements langsam aber sicher im Dreck stecken bleibt. Oftmals ist nur ein Wechsel in der Führungsebene für die „neue Linie“ verantwortlich. Die „jungen Wilden“ wollen dann natürlich schnellstens die Zahlen verbessern und auch etwas vom „großen Kuchen“ abbekommen. Oftmals sind die „Einsteiger“ jedoch nicht über den momentanen Stand des Schadensmanagements informiert und versauen durch sinnlose Prozesse den guten Namen des Unternehmens. Das meiste Geld haben „die Anderen“ in der Vergangenheit mit der Unkenntnis der Geschädigtenseite verdient, als die überwiegende Rechtsprechung noch nicht offen gelegt war. Es war einmal…

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