Mit Urteil vom 31.05.2011 (92 C 307/11(33)) hat das Amtsgericht Wiesbaden die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 387,44 € verurteilt. Wieder einmal gilt die Schwacke-Liste als Schätzungsgrundlage, Fraunhofer wird abgelehnt. Und die RDG-Arie wird deutlich abgelehnt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aufgrund des Verkehrsunfalls vom xx.xx.2008 in Wiesbaden gemäß §§ 7 StVG, 115, 116 VVG Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Form von Mietwagenkosten in zuerkannter Höhe aus abgetretenem Recht.
Die Abtretung ist nicht nichtig gem. Art 1 Abs, 1 RBerG i. V. m. § 134 BGB, da die Klägerin im vorliegenden Fall sich den Schadensersatzanspruch im Wesentlichen sicherungshalber und nicht erfüllungshalber im Sinne des § 364 Abs. 2 BGB hat abtreten lassen und insoweit keine Rechtsangelegenheiten des geschädigten Kunden übernommen hat, Art 1 § 5 Nr. 1 RBerG. Dies ergibt sich einerseits aus der Abtretungserklärung vom 10.11.2007, wonach der Schadensersatzanspruch ausdrücklich und ausschließlich zur Sicherung der Mietkostenforderung abgetreten wurde und sich die Geschädigte verpflichtet hat, den Gesamtschaden selbst bei der Versicherung geltend zu machen.
Soweit in der Abtretungserklärung die Abtretung daran gekoppelt wurde, dass sich die Geschädigte mit dem Ausgleich der Mietwagenrechnung in Verzug befunden hat, ist auch diese Voraussetzung im Hinblick auf das eine stillschweigende Erfüllungsverweigerung darstellende an die Klägerin gerichtete anwaltliche Schreiben der Geschädigten vom 31.07.2008, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Soweit darin unter Bezugnahme auf ein Schreiben der Beklagten vom 22.01.2008 der Klägerin anheimgestellt wurde, die noch offenen Mietwagenkosten im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, hat die Geschädigte damit zum Ausdruck bringen wollen, dass sie eine Zahlung nicht veranlassen werde. Die zwischen den Parteien bereits vor dem 31.07.2008 geführte Korrespondenz (z. B. Schreiben vom 22.01.2008 – Anlage Anspruchsbegründungsschrift) spricht nicht gegen eine Sicherungsabtretung, da es den Parteien freisteht aus Praktikabilitätserwägungen den direkten Kontakt zu pflegen, wozu die Geschädigte ausweislich des letzten Absatzes der Abtretungserklärung (Zahlungsanweisung) ihr Einverständnis erklärt hat. Daher kommt es nicht mehr darauf an, ob und wann die Klägerin gegenüber der Geschädigten abgerechnet hat und auch nicht, wie auf einer Rechnung vom 07.12.2007 eine Zahlung in Höhe von € 605,00 vom 22.01.2008 verbucht werden konnte.
Dass die Beklagte die Haftung dem Grunde nach zu tragen hat, ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich, vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten durfte.
Die von der Klägerin unter dem 07.12.2007 abgerechneten Mietwagenkosten in Höhe von brutto 1.488,25 € sind unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlung in Höhe von 605,00 € jedoch nur in zuerkannter Höhe begründet.
Die Klageforderung errechnet sich nach der bezogen auf den Unfallzeitpunkt xx.xx.2007 anwendbaren Schwacke-Liste 2007 und Fahrzeuggruppe 5 zum Postleitzahlengebiet 355 für die Zeit vom 10.11. bis 17.11.2007 (8 Tage) gemäß § 237 ZPO wie folgt:
1. 1 x Wochenpauschale 562,77 €
1 x Tagespauschale 96,72 €
. 659,49 €
2. Abzgl. ersparter Eigenkosten i. H. v. 10 % 65,95 €
. 593,54 €
3. Aufschlag in Höhe von 20 % 118,70 €
4. 1 x Wochenpauschale Versicherung 148,22 €
1 x Tagespauschale Versicherung 22,63 €
Zustellungskosten 30,00 €
Abholung 30,00 €
Winterreifen á 11,90 pro Tag 95,20 €
Zusatzfahrer á 17,84 € pro Tag 142,72 €
. 1.181,01 €
5. abzüglich 19 % Umsatzsteuer 188,57 €
. 992,44 €
abzüglich geleisteter Zahlung 605,00 €
. 387,44 €
Zu 1. und 4.: Zur Ermittlung dieser Kosten stellt das sogenannte arithmetische Mittel nach dem im Unfallzeitpunkt gültigen Schwacke-Automietpreisspiegel für das jeweilige Postleitzahlengebiet des Geschädigten einen geeigneten Anknüpfungspunkt dar. Anders als der klägerseits angewandte Modus berücksichtigt das arithmetische Mittel alle ermittelten Preise. Soweit die Beklagte eingewandt hat, dass die Schadensschätzung nicht nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel sondern nach der Preistabelle des Fraunhofer – Instituts vorzunehmen sei, wird auf die die in veröffentlichten Entscheidung des Bundesgerichtshof (vgl. u. a. BGH Urteil vom 09.03.2010, Az. VI ZR 6/09) verwiesen. Die Diskussion über die Preise hat sich verselbständigt, ohne dass der Blick auf den Geschädigten beachtet wird. Wenn ein Geschädigter ein Mietwagenunternehmen aufsucht und dieses erklärt, dass es in etwa in der Höhe des derzeit geltenden Schwacke-Automietpreisspiegels abrechnet, dann brauchen diesem Kunden keine Bedenken gegen die Höhe kommen. Eine Situation, wie in der Anfangszeit der geänderten Rechtsprechung zum Unfallersatztarif, als die Preise 100% über den Listenpreisen lagen, besteht nicht mehr.
Bei der Eingruppierung ist abzustellen ist auf die Postleitzahl des Wohnsitzes des Geschädigten, es sei denn die Anmietung muss unfallbedingt fern vom Wohnort stattfinden -hier also das Postleitzahlengebiet 355… Weiter ist der beschädigte VW Golf 5 unstreitig der Gruppe 5 zuzuordnen. Anzusetzen ist eine Anmietdauer von 8 Tagen, auch wenn an den Übergabetagen das Fahrzeug nicht einen ganzen Tag genutzt worden ist. Die Dezernentin hat noch keine Abrechnung von anderen Mietwagenunternehmen gesehen, bei denen in einer solchen Situation nur halbe Tage berechnet worden wären.
2.: Abzuziehen sind 10 % ersparte Eigenaufwendungen, da eine gruppenniedrigere Anmietung nicht dargelegt wurde.
3.: Anzusetzen ist des Weiteren ein Aufschlag von 20 % in Höhe, welcher nicht nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte mitten des Nachts oder an einem Sonn- oder Feiertag in einen Unfall verwickelt wird. Auch in anderen Fällen ist zu berücksichtigen, dass auch die Vorfinanzierungssituation rechtfertigen kann, einen erhöhten Tarif in Anspruch zu nehmen. Der Geschädigte ist von sich aus nicht gehalten, zu seiner finanziellen Situation vorzutragen. Der Geschädigte ist durch die Vorfinanzierung der Reparaturkosten oft finanziell stark belastet, da die Regulierung durch die Versicherer oft erst nach Wochen stattfindet, u. a., weil Rechtsstreitigkeiten wegen der Angemessenheit der Mietwagenkosten auf der Tagesordnung stehen. Es genügt, dass spezifische Leistungen des Vermieters allgemein den Mehrpreis rechtfertigen und von dem Geschädigten einen Teil davon in Anspruch genommen werden durfte.
4.: Gemäß Schwacke-Liste 07 sind zu hinzuzufügen die Kosten für den Versicherungsschutz, da der Geschädigte für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeuges nicht selbst aufkommen soll müssen, sowie die Kosten für einen weiteren Fahrer, da nicht bestritten wurde, dass in dem Mietvertrag nicht nur die Geschädigte sondern auch ein Herr A. aufgeführt wurde. Die Erforderlichkeit von Winterreifen ergibt sich bereits aus dem Datum der Anmietung (10.11.2007).
Einwende gegen die Erforderlichkeit der Verbringung wurden beklagtenseits nicht erhoben. Auch bestehen insoweit keine Bedenken, da das beschädigte Fahrzeug nicht mehr verkehrssicher war, so dass die Geschädigte aufgrund der Einbuße ihrer Mobilität darauf angewiesen war, den Mietwagen gebracht zu bekommen,
5.: Abzuziehen sind wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin noch 19 % Umsatzsteuer.
Da die abgerechneten Mietwagenkosten in Höhe von brutto 1.438,25 € die durchschnittlich in der Region berechneten Kosten in Höhe von 1.115,06 € (1.181,01 € – 65,95 €) erheblich, hier um 373,19 € (> 25 %) übersteigen, war die Klage insoweit abzuweisen.
Nicht zu erstatten hat die Beklagte der Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten, da die Erteilung eines bedingten Klageauftrages nicht erforderlich war. Die Beklagte hat bereits vor dem anwaltlichen Tätigwerden am (Schreiben vom 01,12.2009) am 22.01.2008 eine weitere Leistung ausgeschlossen. Es bestanden daher für die Klägerin keine Anhaltspunkte, welche auf eine Zahlungswilligkeit schließen lassen.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 BGB. Die Beklagte befindet sich hinsichtlich der Hauptforderung nach Zugang ihrer Erfüllungsverweigerung vom 22.01.2008 (Eingangsstempel 28.01.2008) in Verzug; § 286 BGB,
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.
Soweit das AG Wiesbaden.
@ „…u. a., weil Rechtsstreitigkeiten wegen der Angemessenheit der Mietwagenkosten auf der Tagesordnung stehen.“
Hallo Babelfisch,
den von der Dezernentin im 3. Punkt des Urteils gebrauchten Halbsatz finde ich klasse. Sie hat das Problem Regulierung der Versicherer knallhart angesprochen. Kein Blatt vor den Mund genommen. So soll es sein. Welcher Versicherer war das denn?
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker