Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
bezüglich der Sachverständigenkosten-urteile geht unsere Reise durch die bundesdeutschen Gerichte nun von Sachsen weiter nach Hamburg. Hier noch ein Urteil des Amtsrichters der Abteilung 910 C des Amtsgerichtes Hamburg-St. Georg zu den erforderlichen Sachverständigenkosten. Beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung war wieder einmal die HUK-Coburg, die unter ihrer Niederlassungsanschrift in Hamburg verklagt und verurteilt wurde. Hinsichtlich des angerufenen Gerichts und hinsichtlich der verklagten Niederlassung erfolgten durch die beklagte Niederlassung keine Einwendungen. Das ist interessant für manchen anderen Rechtsstreit, bei dem die Beklagte behauptet, keine Niederlassungen zu haben, obwohl in den einzelnen Orten kapitale Glaspaläste der HUK-Coburg stehen. Zur Sache selbst konnte die HUK-Coburg mit den von ihr vorgelegten Honorartabellen – zu Recht – nicht durchdringen, denn entscheidend ist nach der vom Gericht zutreffend zitierten BGH-Rechtsprechung, was der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen für erforderlich halten durfte. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Euer Willi Wacker
Amtsgericht Hamburg-St. Georg
Az.: 910 C 342/11
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
Antragstellerin –
gegen
HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstandsvorsitzenden Dr. Wolfgang Weiler, Nagelsweg 41-45,20097 Hamburg
– Antragsgegnerin –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Hamburg-St. Georg durch den Richter am Amtsgericht … am 13.10.2011 auf Grund des Sachstands vom 13.10.2011 ohne mündliche Verhandlung gemäß. § 495a ZPO folgendes
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin freizuhalten von den restlichen Kosten der … zu dem Aktenzeichen … und an die … EUR 197,71 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.10.2011 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gem. § 71 StVG, § 3 Nr. 1 PflVersG, §§ 823, 249 BGB einen Anspruch auf Zahlung des restlichen Sachverständigenhonorars.
Die Beklagte ist unstreitig für den zugrunde liegenden Unfall voll einstandspflichtig.
Der Geschädigte kann vom Schädiger gem. § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. BGH, NJW 2007, 1450 ff. = DS 2007, 144). Er ist gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Der Geschädigte ist dabei grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Zwar verbleibt für ihn das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist, Da es aber bei Sachverständigengutachten an einheitlichen Abrechnungsmodaiitäten und allgemein zugänglichen Preislisten fehlt, die einen Vergleich ermöglichen würden, wird der Geschädigte in aller Regel von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen dürfen. Erst wenn für ihn erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Honorarberechnung vorliegen, kann er vom Schädiger nicht mehr vollständigen Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung verlangen (vgl. OLG Düsseldorf, DAR 2008, 523 ff.).
Der Ersatzpflichtige ist dabei nicht rechtlos gestellt. Hält er die Vergütung für überhöht, kann er vom Geschädigten in entsprechender Anwendung des § 255 BGB die Abtretung seiner Rückforderungsanspruche gegen den Sachverständigen verlangen und sich mit diesem wegen dessen Rechnungsforderung auseinandersetzen.
Die Beklagte dringt mit ihrem Einwand, bei einer Schadenshöhe von bis zu EUR 3.500,- seien auf der Grundlage der Empfehlungen des BVSK nur Sachverständigenkosten in Höhe von EUR 527,- angemessen, nicht durch. Maßstab für die Frage der Erstattungsfähigkeit sind nicht die beklagtenseits angeführten Tabellen, sondern die oben dargestellten Überlegungen. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Klägerin von einer willkürlichen Festsetzung oder einem auffälligen Mißverhältnis von Preis und Leistung hätte ausgehen müssen. Unabhängig von einer fehlenden Erkennbarkeit für die Zedentin kann bereits bei einem Vergleich der tatsächlichen Kosten in Höhe von EUR 724,71 zu den von der Beklagten als angemessen angesehenen in Höhe von EUR 527,- nicht von einem auffälligen Mißverhältnis ausgegangen werden.
Auch hinsichtlich der enthaltenen Nebenkosten kann nicht von einer evidenten Überhöhung ausgegangen werden, die der Zedentin hätte auffallen müssen.
Da die Beklagte auf die Sachverständigenkosten in Höhe von EUR 724,71 nur einen Betrag von EUR 527,00 gezahlt hat, verbleibt eine Restforderung in Höhe von EUR 197,71.
Die Zinsforderung folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1. S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.