Hallo verehrte Captain-Huk-Leser ,
von Baden-Baden nun nach Nürnberg. Nachfolgend gebe ich Euch hier ein weiteres Honorarurteil aus Nürnberg bekannt. Wieder einmal geht es im Rechtsstreit um die Schadensposition „Sachverständigenkosten“. Nachdem die HUK-Coburg mit ihrer Argumentation bei der Aktivlegitimation des Sachverständigen aus abgetretenem Recht und ihren Bedenken aus dem RDG (Rechtsdienstleistungsgesetz) nicht weiter kam und insgesamt Schiffbruch erlitt, kommt jetzt die Preisangabenverordnung (PAngV) ins Rennen. Zutreffenderweise wurde aber auch diese – gelinde gesagt abenteuerliche – Argumentation aufs Abstellgleis geschoben. Wer weiß, was der Coburger Firma zur rechtswidrigen Schadensersatzverkürzung noch alles einfällt. Eigentlich müßte so langsam die Aufsichtsbehörde einmal eingreifen! Mit derart obskuren Vortrag Richter zu belasten, ist schon bemerkenswert und zeigt offenbar die finanziellen Zwänge der HUK-Coburg. Da die HUK-Coburg durchaus wieder mit dem Kopf durch die Wand will, hat sie auch gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt. Man wird gespannt sein, was die Berufungskammer des LG Nürnberg/Fürth zu der Argumentation mit der PAngV sagt. Dann liegt wenigstens ein LG-Urteil dazu vor. Die Rechtsstreitskosten sind ja Kosten der Versichertengemeinschaft der HUK-Versicherten. Ganz verstehen kann man das Verhalten der Rechtsabteilung der Coburger Firma nicht. Aber – wie gesagt – wer mit dem Kopf durch die Wand will, erleidet zumindest Kopfschmerzen und erhält Blessuren am Kopf, die auch über längere Zeit prägen. Lest aber selbst und gebt Eure Meinungen ab.
Viele Grüße
Euer Willi Wacker
Amtsgericht Nürnberg
Az.: 23 C 6287/11
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtestreit
…
– Klägerin-
gegen
HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand Dr. Wolfgang Weiler, Bahnhofsplatz 1, 96442 Coburg
– Beklagte-
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Nürnberg durch den Richter am Amtsgericht … am 29.12.2011 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2011 folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 199,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2011 zu bezahlen.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die. Klägerin weitere 43,32 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.08.2011 zu bezahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die VollstrecKung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Berufung wird für die Beklagte zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 199,81 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin fordert von der Beklagten restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Nürnberg.
Am xx.04.2011 kam es in der Dienzenhoferstraße in Nürnberg zu einem Verkehrsunfall, den der Halter des Fahrzeuges, das bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, verursachte. Durch den Unfall wurde das Fahrzeug der Klägerin, amtliches Kennzeichen … , beschädigt. Die Einstandspflicht der Beklagten für die aus dem Unfall entstehenden Schäden ist dem Grunde nach unstreitig. Nach dem Unfall ließ die Klägerin den Schaden an ihrem Fahrzeug durch das Sachverständigenbüro … schätzen. Mit schriftlichem Gutachten vom 15.04.2011 ermittelte der Sachverständige die voraussichtlichen Reparaturkosten für die Behebung des Schadens an dem Fahrzeug der Klägerin in Höhe von 3.048,31 € netto bzw. 3.627,49 € brutto, eine Wertminderung in Höhe von 588,24 € netto, bzw. 700,00 € brutto sowie einen Abzug neu für alt bzw, eine Wertverbesserung durch die Reparatur in Höhe von 182,00 € netto bzw. 216,58 € brutto. Am 15.04.2011 erstellte der Sachverständige eine Rechnung über insgesamt 743,81 € brutto, die sich wie folgt aufschlüsselt:
Für gutachterliche Tätigkeit berechne ich:
Grundhonorar einschl. Audatex Entgelt 449,00 €
(Fremdleistung)
Fahrtkosten u. Fahrzeit anteilmäßig 30,00 €
Lichtbilder Originalgutachten 17 Stück á 2,50 € 42,50 €
1 Lichtbildseite für Handakte 2,60 €
Porto für Poststücke2 Stück á 1,25 € 2,50 €
Fernsprechgebühren 0,45 €
Kopien für 3 Duplikate s/w 36 Stück á 0,75 € 27,00 €
Lichtbilder für Duplikate 34 Stück á 1,00 € 34,00 €
Büromaterial 1,00 €
Schreibarbeiten 12 Seiten á 3,00 € 36,00 €
Zwischensumme 625,00 €
19% Mehrwertsteuer 118,76 €
Gesamtbetrag 743,81 €
Am 15.04.2011 verfassteder Sachverständige … eine Rückabtretungserklärung, wonach er die Rückabtretung der mit Erklärung vom 07.04.2011 an ihn von der Klägerin abgetretenen Schadensersatzansprüche in Höhe des Sachverständigenhonorars aus seiner Honorarrechnung vom 15.04.2011 erklärte. Auf die in der Folgezeit von der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend gemachte Sachverständigen-Honorarforderung in Höhe von 743,81 € zahlte die Beklagte 505,00 € sowie weitere 39,00 £
Die Klägerin behauptet, dass die vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Honorarpositionen ortüblich und angemessen sind.
Die Klägerin beantragt:
I.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 199,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2011 zu bezahlen.
II.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 43,32 € außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezählen.
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte bestreitet, dass die Rückabtretungserklärung des Sachverständigen vom 15.04.2011 von der Klägerin in angemessener Frist angenommen wurde. Sie behauptet, dass die vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten nicht ortsüblich bzw. angemessen, sondern vielmehr überhöht seien, Ferner meint sie, dass die Rechnung des Sachverständigen gegen § 1 PAngV verstoße.
Am 21.11.2011 fand vor dem Amtsgericht Nürnberg eine öffentliche Sitzung statt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den darin bezeichneten Anlagen sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 21.11.2011 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß §§ 7 Abs. 1,18 Abs. 1 StVG, 823 Abs, 1 BGB, 115 WVV, 249 Abs. 2 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 199,81 €, denn die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des restlichen Sachverständigen-Honorars.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert, denn der Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe des Sachverständigenhonorars wurde vom Sachverständigen … am 15.04.2011 wirksam an die Klägerin zurück abgetreten. Diese Rückabtretung wurde von der Klägerin auch innerhalb angemessener Frist im Sinne von § 147 BGB angenommen, da sie durch Geltendmachung der Honorarforderung konkludent zum Ausdruck brachte, dass sie die Rückabtretungserklärung des Sachverständigen … annimmt.
Es liegt auch kein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 PAngV(Preisangabenverordnung) vor: Denn gemäß § 1 Abs. 3 PAngV dürfen bei Leistungen, soweit üblich, abweichend von § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV Stundensätze, Kilometersätze und andere Verrechnungssätze angegeben werden, die alle Leistungselemente einschließlich der anteiligen Umsatzsteuer enthalten. Dies ist in der streitgegenständlichen Rechnung des Sachverständigen … der Fall.
Die Klägerin hatte gegen die Beklagte ursprünglich einen Anspruch auf Erstattung des vollständigen Sächverständigenhonorars des Sachverständigen … in Höhe von 743,81 € als Schadensersatz aus dem streitgegenständiichen Unfallereignis. Gemäß § 249 BGB kann der Geschädigte grundsätzlich auch die zur Feststellung des Schadens notwendigen Sachverständigenkosten ersetzt verlangen, Dabei ist festzuhalten, dass im Rahmen des § 249 BGB nach herrschender Meinung grundsätzlich der sog. subjektive Schadensbegriff gilt; demgemäß kann ein Geschädigter diejenigen Kosten verlangen, die ein wirtschaftlich und vernünftig denkender Mensch an seiner Stelle (ohne spezielle Sach- und Fachkenntntsse) für erforderlich halten durfte. Daher können unter Umständen auch überhöhte Sachverständigenkosten erstattungspflichtig sein, soweit dies einem Laien nicht ohne Weiteres erkennbar ist. Keineswegs kann, wie der Bundesgerichtshof (NJW 2007, 1550) ausgeführt hat, bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten auf die im Mietwagenersatzgeschäft eingeschränkte Interpretation des Erforderlichkeitsbegriffes zurückgegriffen werden. Dass eine mit dem sog. Unfallersatzgeschäft vergleichbare Marktsituation auch bei der Erstellung von Kfz-Schadensgutachten besteht, ist nämlich nicht anzunehmen. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH, VersR 2007, 560). Grundsätzlich ist der Geschädigte nicht verpflichtet, „Marktforschung“ zu betreiben und mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen (vgl. OLG Naumburg, NJW-RR 2006, 102), Der Schädiger hat dem Geschädigten die Kosten des Sachverständigengutachtens zur Schadensfeststeliuhg regelmäßig selbst dann zu ersetzen, wenn dies objektiv ungeeignet ist oder die Kosten des Sachverständigen übersetzt sind (vgl. Palandt BGB, 69. Auflage, § 249, Rn, 68). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Geschädigte die Unbrauchbarkeit oder die überhöhten Kosten des Sachverständigengutachtens zu vertreten hat. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ihm z.B. ein Auswahlverschulden (vgl. § 254 BGB) trifft.
Unabhängig von obigen Ausführungen sind die geltend gemachten Kosten vorliegend jedoch auch aus objektiver Sicht angemessen im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB und damit erforderlich im Sinne von § 249 BGB. Wie der Bundesgerichtshof (vgl. BGH NJW 2006, 2472) entschieden hat, handelt es sich, soweit keine anderweitige Parteiabrede getroffen wurde, bei der Vergütung eines Sachverständigen um eine solche gemäß § 632 Abs. 2 BGB, wobei grundsätzlich die Höhe des Honorars auch in Relation zur Schadenshöhe/ zum Wiederbeschaffungswert ermittelt werden kann. In Ermangelung einer Vergütungsvereinbarung bzw. des Bestehens einer entsprechenden Taxe ist auf die ortsübliche Vergütung gemäß § 632 Abs. 2 BGB abzustellen. Diese kann der Auswertung der BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 und der HB V. entnommen werden, da die Mehrheit der Sachverständigen in diesem Honorar-Korridor abrechnet, Demnach entsprechen die streitgegenständlichen Sachverständigenkosten des Gutachterbüros der Honorarabrechnung der überwiegenden Zahl der befragten Sachverständigen. Wie sich aus der Vorbemerkung dieser Befragung ergibt, hat kein einziger der befragten Sachverständigen sein Schadensgutachten nach Zeitaufwand abgerechnet. Vielmehr war es durchgängig üblich, für die Erstellung eines Schadensgutachtens ein Grundhonorar, ermittelt aus den Reparaturkosten bzw. dem Wiederbeschaffungswert zu berechnen. Dementsprechend kann auch das in der streitgegenständlichen Gutachterrechnung erwähnte Grundhonorar als eine Vergütung in Relation zum ermittelten Reparaturkostenaufwand/Wiederbeschaffungswert verstanden werden. Der Rechnungsbetrag in Höhe von 743,81 € überschreitet weder im Grundhonorar den entsprechend ermittelten Korridor HB V. der BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 noch letztlich in ihrer Gesamtsumme die in Rechnung gestellten Nebenkosten (Lichtbilder, Farbkosten, Porto, Schreibkosten, Schreibarbeiten).
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs, 1, 288 Abs, 1 BGB.
2.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte ferner einen Anspruch auf Erstattung der restlichen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, da die Kosten für die Beitreibung der Schadenspositionen aus einem Verkehrsunfallereignis selbst eine Kausal auf dem Schadensereignis beruhende Schadensposition darstellen und damit erstattungsfähig sind.
Der Zinsanspruch ergibt sich insoweit aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs, 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr, 11, 711 ZPO.
Zur Herbeiführung einer einheitlichen Rechtsprechung im Landgerichtsbezirk zu der Frage, wann Sachverständigenkosten den zur Herstellung erforderlichen Aufwand im Sinne von § 249 Abs.2 BGB überschreiten und wie der Preiskorridor zu bestimmen ist, innerhalb welchem die Sachverständigenkosten – insbesondere die Grundgebühr – noch erforderlich sind, war die Berufung zuzulassen.
…
Richter am Amtsgericht
Verkündet am 29.12.2011