Mit Urteil vom 26.10.2011 (4 S 155/11) hat das Landgericht Dresden noch einmal zu Frage der Schätzgrundlage bei Mietwagenkosten Stellung genommen. Danach ist das Maß der Dinge die Schwacke-Liste, die Fraunhofer Tabelle wird abgelehnt. Als zweite Tatsacheninstanz wurde das Amtsgericht Dresden mit seiner Entscheidung vom 03.03.2011 (116 C 4781/10) damit korrigiert.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung hat einen geringen Erfolg.
1. Aktivlegitimation und mangelnde Vorsteuerabzugsberechtigung sind mittlerweile unstreitig.
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteile vom 9. Mai 2006 – VI ZR 117/05; vom 30. Januar 2007 – VI ZR 99/06; vom 20. März 2007 – VI ZR 254/05; vom 12. Juni 2007 – VI ZR 161/06; vom 11. März 2008 – VI ZR 164/07, jeweils zitiert nach Juris).
Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (BGH, Urteil vom 14.10.2008 – VI ZR 308/07, zitiert nach Juris).
3. Die Berufung rügt bei Anwendung dieser Grundsätze zu Recht die vom Amtsgericht herangezogene Schätzgrundlage zur Ermittlung eines noch erstattungsfähigen Tarifs.
a) Der Bundesgerichtshof hat mehrfach ausgeführt, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den Normaltarif auf der Grundlage des gewichteten Mittels der Schwackeliste im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermitteln kann, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH, Urteile vom 9. Mai 2006 – VI ZR 117/05; vom 30. Januar 2007 – VI ZR 99/06; vom 12. Juni 2007 – VI ZR 161/06; vom 11. März 2008 – VI ZR 164/07; vom 24. Juni 2008 – VI ZR 234/07, jeweils zitiert nach Juris).
b) In Anbetracht dessen hält das Berufungsgericht als zweite Tatsacheninstanz an der Schwackeliste als der besser geeigneten Schätzgrundlage fest. Bei der Erhebung des Fraunhofer Institutes ist festzustellen, dass sie sich zu einem Großteil auf sog. „Internetpreise“ der sechs größten Mietwagenanbieter stützt. Damit sind zumindest teilweise Tarife erfasst, die eine Vorbuchzeit voraussetzen. Zugleich werden mittelständische Vermieter in nur ungenügender Weise berücksichtigt. Weiter ist zu beobachten, dass die Erhebung Durchschnittspreise für sehr viel weiträumigere Postleitzahlengebiete zusammenfasst, als dies bei der Schwackeliste der Fall ist. Der vorliegende Fall zeigt im Übrigen exemplarisch die Fragwürdigkeit der Erhebung des Fraunhofer Institutes: Vorliegend wurde bei einem der sechs größten Mietwagenanbieter – AVIS (als Zessionarin zugleich Klägerin) – zu einem Preis angemietet der krass von den Fraunhofer-Preisen abweicht. Die gegen die Erhebung nach Schwacke erhobenen Einwände – derer sich das Berufungsgericht ebenso gewahr ist – wiegen demgegenüber weit geringer.
c) Nichts anderes folgt vorliegend aus der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 22.02.20011 – VI ZR 353/09 und vom 17.05.2011 – VI ZR 142/10, zitiert nach Juris). Danach begegnet die Anwendung der Schwackeliste Bedenken, wenn der Haftende deutlich günstigere Angebote anderer Anbieter als Beispiele für die von ihm geltend gemachten Mängel der Schwackeliste vorlegt und unter Beweis stellt, dass diese auch für den Geschädigten zum Anmietzeitpunkt zugänglich gewesen wären. Der entscheidende Unterschied zum vorliegenden Fall besteht indes darin, dass dort zum Zeitpunkt der Anmietung bzw. zum Zeitpunkt der Auslösung des Reparaturauftrages die Anmietdauer aufgrund des bereits vorliegenden Privatgutachtens bekannt war. Die Kenntnis der Anmietdauer ist jedoch erheblich für die Wertung der vorgelegten „Screenshots“, da sich die Festlegung der Anmietdauer auf die Kalkulation des Anbieters auswirkt. Nur dann ist die vergleichende ex-post Betrachtung auf der Grundlage von Monaten nach der Anmietung eingeholter Angebote geeignet, sich auf den konkreten Fall auswirkende Mängel der Schätzgrundlage darzutun.
d) Auf die Vermittlungsdienste der Beklagten musste sich die Geschädigte nicht einlassen. Der Geschädigte bleibt innerhalb vernünftiger Grenzen Herr des Restitutionsgeschehens.
4. Entgegen der Berufung war kann die Geschädigte jedoch die abgerechneten Mietwagenkosten nicht in voller Höhe ersetzt verlangen, da der zu ersetzende geschätzte Normaltarif vorliegend auch von der Schwackeliste 2009 deutlich abweicht.
a) Es wurde ein Tarif gewählt, der den nach der Schwackeliste 2009 für die maßgebliche Mietwagenklasse 1 im Stadtgebiet Dresden zu ersetzenden Normaltarif um fast das Doppelte überschreitet;
aa) Schwacke
383,00 € (Median 1 des Wochentarifes) * 2 = 676,00 € brutto
66,00 € (Median 1 des Tagestarifes) * 5 = 330.00 € brutto
. 1.006,00 € brutto
bb) AVIS
701,37 (abgerechneter Wochentarif) *2 = 1.402,75 € brutto
100,19 (abgerechneter Tagestarif)* 5 = 500,95 € brutto
. 1.903,70 € brutto
b) Die Ausführungen der Klägerin zur Erforderlichkeit (§ 249 BGB) des weit höheren abgerechneten Tarifs sind unzureichend. Sie erschöpfen sich in – zu unterstellenden – Allgemeinplätzen (unbekannte Reparaturdauer, fehlende Vorfinanzierungsmöglichkeit, Notwendigkeit der Ad-hoc-Anmietung), die jedoch ungeeignet sind einen derart überteuerten Tarif- noch dazu für die gesamte Anmietzeit von 19 (!) Tagen – zu erklären. Es wird nicht erläutert, welche Preiskomponenten konkret durch (Sonder-)Leistungen des Vermieters bedingt sind, die wiederum durch die Besonderheiten der Unfallsituation veranlasst waren. Die gilt insbesondere mit Blick auf die Dauer der Anmietung.
Hier wird auch keine Marktforschung zugemutet: Der Geschädigte ist gehalten, nach günstigeren Tarifen zu fragen, wenn der gewählte Tarif erheblich über den in der Schwackeliste aufgezeigten Tarifen liegt (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2006 – VI ZR 237/05, zitiert nach Juris). Insoweit kann sich die Klägerin auch nicht unter Berufung auf den Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichtes Dresden vom 29.06.2009 (7 U 499/09, Rn. 8, zitiert nach Juris) entlasten. Zweifel an der Angemessenheit des Tarifes sollen sich danach erst aufdrängen, wenn dieser zwischen 50 % bis 100 % höher liege als der übliche Normaltarif. Abgesehen davon, dass diese Grenze unter Einschluss der Zustellkosten bereits überschritten ist, ist dieser Hinweis ein bloßer Hinweis geblieben. Auf die Vereinbarkeit mit der aktuellen Rechtsprechung im Übrigen kommt es daher vorliegend nicht an.
c) Zur Berechnung eines geschätzten Normaltarifs kann vorliegend auch nicht auf den Tagestarif der Schwackeliste abgestellt werden. Bei einer derart langen Reparaturdauer ist spätestens ab dem 5 Tag ein Wochentarif heranzuziehen. Nach § 254 BGB ist der Geschädigte sogar gehalten, zwischenzeitlich den Anbieter zu wechseln, wenn es sich um ein Mietverhältnis von ungewöhnlich langer Dauer handelt (vgl. hierzu Urteil des OLG Dresden vom 28.05.2008 -1 O 1439/07, zitiert nach Juris).
d) Die berechnete Zustellgebühr kann nicht ersetzt verlangt werden. Sie verträgt sich nicht mit der behaupteten Ad-hoc-Anmietung.
5. Im Ergebnis keinen Erfolg hat der Hinweis der Beklagten, wonach ersparten Aufwendungen mit 10 % anzusetzen seien. Es entspricht herrschender Meinung, dass – sofern der der Geschädigte nicht bereits ein klassentieferes Ersatzfahrzeuges anmietet – ersparte Aufwendungen durch einen geschätzten prozentualer Abschlag von den Mietwagenkosten zu bestimmen sind oder zur Schätzung auf Tabellen und Listen über die Eigenkosten zurückgegriffen werden kann. Der Bundesgerichtshof hat zu der Ersatzfähigkeit von Mietwagenkosten mehrfach ausgeführt, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO Schätzungen anhand entsprechender Listen vornehmen kann. Es besteht kein Grund, diese Rechtsprechung nicht auf die Schätzung ersparter Aufwendungen zu übertragen. Das Gericht bevorzugt vorliegend letztere Methode, wie sie auch die Klägerin angewendet hat. Die nutzungsunabhängigen Fixkosten des eigenen Kraftfahrzeuges liefen parallel zur Anmietung weiter. Die wesentlichen Betriebskosten im Übrigen – Treibstoff – trägt der Geschädigte ohnehin selbst. Daher hat das Gericht für die Ermittlung ersparter Aufwendungen auf die Schwackeliste zurückgegriffen, in denen die Eigenkosten der Fahrzeughaltung aufgeführt sind.
6. Damit kann die Klägerin noch 380,14 € ersetzt verlangen;
1.006,00 € brutto
570,00 € brutto (Regulierung)
55,86 € (Eigenersparnis)
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380,14 €
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 und § 100 ZPO.
Das Urteil ist nach § 708 Nr. 10 ZPO vorläufig vollstreckbar.
Gründe für eine – auch nicht angeregte – Revisionszulassung bestehen nicht.
Soweit das LG Dresden.