Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nachstehend gebe ich Euch noch ein Urteil aus Koblenz bekannt. Wie so oft musste der Geschädigte um sein Recht vor Gericht kämpfen, weil die hinter dem beklagten stehende Kfz-Haftpflichtversicherung, die HUK-Coburg, es wieder einmal nicht für notwendig erachtet hat, den Schaden des Unfallopfers korrekt zu regulieren. So wurden u.a. Kürzungen an den Schadenspositionen Sachverständigenkosten und bei den Verbringungskosten und den Ersatzteilzuschlägen vorgenommen. Unzutreffend hat die erkennende Amtsrichterin die Ersatzteilaufschläge und Verbringungskosten bei fiktiver Abrechnung nicht zugesprochen, was allerdings falsch ist. Denn auch bei fiktiver Schadensabrechnung stehen dem Geschädigten grundsätzlich diese Schadenspositionen zu. Zuerkannt hat die Amtsrichterin aber zu Recht die Verzinsung der vom Kläger eingezahlten Gerichtskosten. Lest aber das Urteil und seine Begründung selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab. Das Urteil wurde erstritten und dem Autor übersandt durch Herrn Rechtsanwalt Lutz Imhof aus Aschaffenburg.
Viele Grüße und eine schöne Woche wünscht Euch
Euer Willi Wacker
Aktenzeichen:
131 C 2901/11
Amtsgericht
Koblenz
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
In dem Rechtsstreit
des Herrn S. Sch., aus L.
– Kläger –
Prozessbevolmächtigte:
Rechtsanwälte D. I. & P. aus A.
gegen
Herrn S. J. H., aus Sp.
Beklagter –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt B. M., aus K.
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Koblenz durch die Richterin am Amtsgericht … am 16.03.2012 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 143,71 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2011 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger restliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 31,66 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2011 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf die klägerseits verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit von dem Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu bezahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 41 % und der Beklagte 59 % zu tragen.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
7. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
– Von der Abfassung des Tatbestands wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen. –
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
Der Beklagte schuldet dem Kläger die Bezahlung der restlichen Gutachterkosten in Höhe von 143,71 € aus §§ 7 StVG, 823, 249 BGB. Die geltend gemachten Sachverständigenkosten sind der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sie sind erforderlich im Sinne von § 249 Satz 2 BGB.
Erforderlich im Sinne von § 249 Satz 2 BGB sind solche Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, ist er deshalb auch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg zur Schadensbehebung zu wählen. Andererseits verlangt das Gebot zur wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung vom Geschädigten nicht, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Falle so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Mithin ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d. h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Da einem Geschädigten regelmäßig kaum bekannt sein wird, dass die Gebühren von Kfz-Sachverständigen im nennenswerten Ausmaß voneinander abweichen, wird man von ihm auch nicht verlangen können, dass er vor Erteilung eines Gutachtenauftrages zunächst einen aufwendigen Preisvergleich anstellt. Einem Geschädigten ist es – anders als bei der Inanspruchnahme eines Mietfahrzeugs – im Vorhinein auch praktisch kaum möglich, Preisvergleiche zwischen verschiedenen Sachverständigen anzustellen. Allgemein zugängliche Tarifübersichten gibt es nicht; die Mehrzahl der Sachverständigen trifft keine Honorarvereinbarungen. Die Höhe der Sachverständigenvergütung hängt üblicherweise von der Höhe des Fahrzeugschadens ab und wird ebenso wie letzterer vom Sachverständigen erst nach der Begutachtung beziffert. Ob der Sachverständige ein eindeutig überhöhtes Honorar berechnet, ist für den Geschädigten im allgemeinen daher nicht erkennbar; dieser darf mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgehen, dass der Sachverständige sich bei der Berechnung seines Honorars im Rahmen des Üblichen hält.
Auch vorliegend lässt sich nicht feststellen, dass ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Klägers anders als dieser gehandelt hätte. Aus diesen Gründen kommt es auf die Frage, ob der Gutachter ein überhöhtes Honorar berechnet hat, nicht an.
Des Weiteren steht dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der restlichen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten jn Höhe von 31,66 € zu. Die Erhöhung der 1,3-fachen Regelgebühr auf eine 1,5-fache Gebühr ist vorliegend einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Für Rahmengebühren entspricht es allgemeiner Meinung, dass dem Rechtsanwalt bei der Festlegung der konkreten Gebühr ein Spielraum von 20 % zusteht. Hält sich der Anwalt innerhalb dieser Grenze, ist die von ihm festgelegte Gebühr jedenfalls nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und daher von dem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen. Mit der Erhöhung der in jedem Fall angemessenen Regelgebühr um 0,2 haben die Rechtsanwälte des Klägers die Toleranzgrenze eingehalten.
Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Der Beklagte befindet sich mit der Zahlung der berechtigten Klageforderung aufgrund der mit Schreiben vom 17.05.2011 erfolgten Zahlungsaufforderung unter Fristsetzung jedenfalls seit dem 01.06.2011 in Verzug.
Die Klage ist ebenfalls begründet, soweit der Kläger Feststellung eines Zinsanspruches, bezogen auf die verauslagten Gerichtkosten, begehrt (§ 256 ZPO). Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich insoweit ebenfalls aus dem Gesichtspunkt des Verzuges. Die Vorschrift des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO, wonach die Verzinsung ab Eingang des Kostenfestsetzungsgesuches stattfindet, schließt einen weitergehenden Schadensersatzanspruch nicht aus.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten allerdings unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung der restlichen Reparaturkosten in Höhe von 101,86 € zu. Zu Recht hat die hinter dem Beklagten stehende Haftpflichtversicherung die Reparaturkosten um die Ersatzteil- und UPE-Aufschläge sowie um die Verbringungskosten in Höhe von insgesamt 101,86 € gekürzt. Diese Schadenspostionen sind nur dann zu ersetzen, wenn sie tatsächlich angefallen sind (Palandt/Grüneberg § 249 BGB Rn. 14 m.w.N). Die weiteren von der hinter dem Beklagten stehende Haftpflichtversicherung vorgenommenen Kürzungen der Reparaturkosten stehen vorliegend nicht im Streit.
Auch einen Anspruch auf Auskunftsgebühren in Höhe von 5,10 € steht dem Kläger gegen den Beklagten nicht zu. Der Kläger hat im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten, er hätte diese Informationen kostenlos über den Zentralruf der Autoversicherer erhalten können, nicht schlüssig vorgetragen, dass diese Kosten im Rahmen der Rechtsverfolgung erforderlich waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.
Streitwert: 245,57 €
Urteilsliste “Fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>
AG Koblenz verurteilt VN der HUK-Coburg zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten und zur Verzinsung der Gerichtskosten mit Urteil vom 16.3.2012 – 131 C 2901/11 -.
Mittwoch, 11.04.2012 um 16:16 von Willi Wacker
Sehr geehrter Herr Willi Wacker,
in diesem Fall komme ich gern Ihrem Wusch bezüglich einer Kommentierung nach, da ich dieses Urteil doch in vielerlei Hinsicht für bemerkenswert halte.
„Erforderlich im Sinne von § 249 Satz 2 BGB sind solche Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde.“
Der zur korrekten Schadenregulierung verpflichtete Haftpflichtversicherer ist aber nicht in der Lage des Geschädigten und mit welchen Begründungen sollte einem Geschädigten denn wohl aus einer Sicht ex post abgesprochen werden, dass er kein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch ist ?
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„Mithin ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d. h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen.“
Diese entscheidungserheblichen Kriterien werden oft unbeachtet gelassen bzw. ignoriert.
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„Ob der Sachverständige ein eindeutig überhöhtes Honorar berechnet, ist für den Geschädigten im allgemeinen daher nicht erkennbar; dieser darf mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgehen, dass der Sachverständige sich bei der Berechnung seines Honorars im Rahmen des Üblichen hält.“
Es gibt nach der Definition keine Üblichkeit, wie es auch keine übliche Leistungserbringung gibt.
Es gibt auch keine übliche Qualifikation, Unabhängigkeit und Üblichkeit in der Art und Weise der Gutachtenerstellung.
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„Ob der Sachverständige ein eindeutig überhöhtes Honorar berechnet, ist für den Geschädigten im allgemeinen daher nicht erkennbar; dieser darf mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgehen, dass der Sachverständige sich bei der Berechnung seines Honorars im Rahmen des Üblichen hält.“
Hier wird der Geschädigte sogar von der „Verpflichtung“ frei gestellt, ein eindeutig überhöhtes
Honorar, was immer das sein mag, erkennen zu müssen. Dazu Zitat aus einem Schriftsatz der HUK-Anwälte: „Dies hätte die Geschädigtenseite sehr wohl erkennen können und müssen,…..
Gemeint war damit der erforderliche Aufwand zur Schadenbeseitigung i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB.
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„Auch vorliegend lässt sich nicht feststellen, dass ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Klägers anders als dieser gehandelt hätte. Aus diesen Gründen kommt es auf die Frage, ob der Gutachter ein überhöhtes Honorar berechnet hat, nicht an.“
Hier wir zutreffend erkennbar, dass der Streitpunkt „überhöhtes Honorar“ schadenersatzrechtlich überhaupt kein Streitpunkt sein kann, wenn insoweit die entscheidungserhebliche Ausgangslage
beachtet und respektiert wird. Vor gleichem Hintergrund ist deshalb auch die Überlegung des BGH
selbst für einen juristischen Laien verständlich, dass eine Überprüfung der Honorarhöhe nicht geboten ist.
Es ist immer wieder verständlich ausschließlich von der Lage und der Situation des Geschädigten richtungsweisend die Rede, also von einer Sicht „ex ante“. An keiner Stelle findet sich hingegen
die Entscheidungserheblichkeit einer Sicht „ex post“, bei der es sich in der Regel um eine normative
Interpretation bezüglich der zu erbringenden Schadenersatzleistung handelt, die allerdings dem Inhalt des § 249 BGB krass entgegen gestellt wird. Dass ist dann aber nicht mehr die zu respektierende Lage des Geschädigten zu einem viel früheren Zeitpunkt, sondern die Sicht“weite“ des eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherers nach dessen Bedürfnissen zu einem ganz anderen Zeitpunkt
Auch dieses Urteil ist ohne Bezugnahme auf eine Honorartabelle ausgekommen und vielleicht der Anfang einer neuen Denkrichtung, die schadenersatzrechtlich keine Bedenken erwachsen lassen kann.
Hier hat die Richterin des AG Koblenz einmal mehr deutlich gemacht, dass die Beschäftigung mit Einzelpositionen einer Rechnung schadenersatzrechtlich nicht veranlasst ist und sich damit strikt
an der beurteilungsrelevanten BGH-Rechtsprechung orientiert. Dies ist hochachtungsvoll herauszustellen.
Mit freundlichem Gruß
R.G.