Hallo verehrte Captain-Huk-Leser ,
damit der erhebliche Urteilsberg mal abgebaut wird, gebe ich Euch heute auch noch ein Sachverständigenkostenurteil aus dem Schwabenländle bekannt. Der zuständige Richter der 44. Zivilabteilung des AG Stuttgart musste einmal nicht über die HUK-Coburg urteilen, sondern in diesem Fall gegen die württembergische Versicherung, die der HUK-Coburg wohl alles nach macht und dann wie jene ebenfalls Schiffbruch erleidet. Der Sachverständige klagte im vorliegenden Fall aus abgetretenem Recht die restlichen Sachverständigenkosten als Schadensersatz des Unfallopfers ein. Mit Erfolg, wie das Gericht ausführlich und zutreffend begründet. Lest aber selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Euer Willi Wacker
Aktenzeichen:
44 C 2392/11
Amtsgericht Stuttgart
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Kfz-Sachverständiger
– Kläger –
gegen
Württembergische Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand Norbert Heinen, Gutenbergstr. 30, 70176 Stuttgart
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Stuttgart
durch den Richter …
am 16.08.2011 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 304,14 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.01.2011 sowie weitere 70,20 € zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 304,14 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger macht Ansprüche aus abgetretenem Recht der Geschädigten … gegen die Beklagte aus einem Verkehrsunfall vom 21.12.2010 in Göppingen geltend. Diese Abtretung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig (§§ 3, 5 RDG iVm § 134 BGB). Die Gesetzesbegründung zum RDG weist vielmehr gerade den Fall der Abtretung von Schadensersatzansprüchen an den Sachverständigen und die Geltendmachung durch diesen als einen Fall erlaubter Nebenleistungen im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG aus. Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite bedurfte es auch keiner Aufforderung zur Zahlung an die Zedentin. Anders als bei Abtretung an ein Mietwagenunternehmen liegt nämlich bereits eine erlaubte Nebenleistung vor, so dass es auf das Vorliegen des Versicherungsfalles nicht ankommt.
Die zuletzt vorgelegte Abtretungserklärung vom 25.07.2011 steht auch in Einklang mit der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur hinreichenden Bestimmbarkeit abgetretener Forderungen (vgl. BGH VersR2011, 1008). Hierin werden nicht lediglich sämtliche Schadensersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall in Höhe der Sachverständigenkosten, sondern explizit der Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten abgetreten. Damit ist aber genau bestimmt, aufweichen Schadensposten eine Zahlung der Beklagten sich auswirken würde. Mithin ist das Erfordernis der Bestimmbarkeit gewahrt.
Trotz der Abtretung gelten für das Verhältnis Zessionar zu Schädiger / Versicherer dieselben Grundsätze, als wenn der Geschädigte selbst klagen würde.
Grundsätzlich sind die durch die Beauftragung eines Sachverständigengutachtens nach einem Verkehrsunfall entstehenden Kosten entweder als entstandener Vermögensnachteil nach § 249 Abs. 1 BGB oder im Rahmen des erforderlichen Herstellungsaufwandes nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ersatzfähig (vgl. BGH NJW 2007, 1450).
Der Sachverständige ist dabei sowohl berechtigt, eine Berechnung nach der Höhe der veranschlagten Instandsetzungskosten als auch unter Zugrundelegung einer gegenstandswertbezogenen Grundvergütung nebst Auslagen durchzuführen (vgl. AG Siegburg, zfs 2003, 237). Vorliegend hat der Kläger ein Pauschalhonorar in Relation zur Schadenshöhe zuzüglich Auslagen, wie Druck-, Foto- und Fahrtkosten, berechnet. Dies ist nicht zu beanstanden (vgl. BGH, NJW 2007, 1450).
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Forderung des Klägers mit dem Hinweis zu verweigern, die Vergütung sei überhöht. Bei der Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten kommt es in der Regel weder auf die Brauchbarkeit des Gutachtens noch auf die Höhe der Vergütung des Sachverständigen an, wenn dem Geschädigten kein Auswahlverschulden zu Last fällt oder der Geschädigte Kosten produziert, die ein vernünftig Handelnder in seiner Situation nicht verursachen würde (vgl. LG Coburg, zfs 2004, 35). Damit sind auch überhöhte Sachverständigenkosten erstattungsfähig, solange sie sich im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten, denn das Risiko einer ungeeigneten Schadensermittlung ist grundsätzlich billigerweise dem Schädiger aufzuerlegen (vgl. OLG Hamm, VersR 2001, 249).
Es lagen vorliegend keine Anhaltspunkte vor, dass der Geschädigte davon ausgehen musste, dass der Sachverständige möglicherweise zu teuer sein könnte. Dem Geschädigten ist laut herrschender Meinung auch nicht aufzuerlegen, den Markt hinsichtlich Sachverständiger zu erforschen und Preisvergleiche anzustellen (vgl. OLG Hamm, NZV 2001, 433; OLG Nürnberg OLG Rspr. 2002, 471; LG Dortmund NJW-RR 2011, 321). Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil es keine einheitliche festgelegte Gebührenordnung gibt, sondern der Sachverständige im Rahmen der üblichen Vergütung auch einen Ermessensspielraum hat. Der Sachverständige ist zuletzt auch kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten.
Dieser herrschenden Meinung schließt sich das Gericht an.
Der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer des Schädigers steht nicht ohne Rechtsmittel dagegen da, sondern er kann sich die Rechte des Geschädigten als Auftraggeber des Sachverständigen gem. §§ 315 Abs. 3, 280, 631 Abs. 1, 812 BGB analog 255 BGB abtreten lassen und die Forderung im Wege der Aufrechnung der Honorarklage entgegensetzen. Dies ist vorliegend jedoch nicht geschehen.
Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 BGB. Die Rechtsanwaltsgebühren errechnen sich aus dem Streitwert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.