Mit Entscheidung vom 30.09.2009 (61 C 234/09) wurde die Haftpflichtversicherung des Schadenverursachers durch das Amtsgericht Bergisch Gladbach zur Erstattung der Kosten einer markengebundenen Fachwerkstatt verurteilt. Wieder ein kurzes und knappes Urteil zur fiktiven Abrechnung.
Aus den Gründen:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 145,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.9.2009 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und gemäß §§ 7,17, StVG, 3 PflichtVG in Höhe von 145,50 € begründet.
Das Gericht hat das vereinfachte Verfahren nach § 495 ZPO angeordnet und der Beklagtenseite Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen zu der Klagebegründung Stellung zu nehmen. Innerhalb der Frist ist eine Stellungnahme nicht eingegangen, so dass gemäß § 138 Abs. 3 ZPO die von der Klägerseite vorgebrachten Tatsachen als zugestanden und damit unstreitig anzusehen sind. Das bedeutet, dass das Gericht bei seiner Entscheidung von dem einseitigen Klägervortrag auszugehen hat.
Hieraus ergibt sich, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch in voller Höhe zusteht. Die Beklagte hat unstreitig als Versicherer den Schaden, den sein Versicherungsnehmer bei dem Verkehrsunfall am 18.6.2009 verursachte, in vollem Umfang auszugleichen. lm Rahmen eines Verkehrsunfalles kann der Geschädigte den ihm entstandenen Schaden auch fiktiv, auf Basis eines Sachverständigengutachtens abrechnen. Selbst wenn der Beklagte seinen Pkw nicht reparieren lässt, darf er im Rahmen der fiktiven Abrechnung die Preise einer Fachwerkstatt zu Grunde legen. Dies gilt selbst dann, wenn diese höher sind als die einer vergleichbaren nicht markengebundenen, so genannten freien Werkstatt. Die Beklagte hat deshalb die Berechnung des Sachverständigen zu Unrecht gekürzt.
Die Entscheidung über die Zinsen und vorgerichtlichen Kosten ergibt sich aus §§ 280 Abs.1, 2, 286 Abs.1, 288 Abs. 1 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr.11, 713 ZPO.
Streitwert: 145,00 €
Hallo Hans Dampf,
das ist wirklich ein kurzes und knappes Urteil mit Stundenverrechnungssätzen bei fiktiver Abrechnung. Nach dem neuen BGH-Urteil werden die Urteile nicht mehr so kurz sein können.
Irgendwo war doch zu lesen, dass das neue BGH-Urteil sooo positiv sei und alles wäre nun besser?
Warum werden die künftigen Instanzurteile wohl länger ausfallen?
Von wegen mehr Rechtsklarheit……
Hallo Hunter,
weil die Instanzgerichte nunmehr die von den beklagten Versicherungen unter Beweis gestellten gleichwertigen Werkstätten würdigen muss. Die Instanzrichter müssen daher Ausführungen zur Gleichwertigkeit und im nächsten Schritt zu der Unzumutbarkeit trotz Gleichhwertigkeit machen.
Aber warten wir noch etwa drei Wochen ab.
Hallo Hunter,
der BGH hat den entschiedenen Revisionsrechtstreit bekanntlich an das LG Würzburg Zivilkammer zurückverwiesen, weil noch Aufklärung betrieben werden muss. Dementsprechend müssen zukünftig die Richter an Amts- und Landgerichten die Gleichwertigkeit und Zumutbarkeit prüfen und ggfls darüber Beweis erheben. Schon von daher werden die Urteile länger.
Noch ein schönes Wochenende
Werkstatt-Freund
Also kurze Urteile und preiswerte Prozesse ade?
In Zukunft nur noch prüfen, prüfen, prüfen…..und Beweis erheben……
Ist natürlich ein gewaltiger Schritt nach vorn – insbesondere unter Betrachtung der künftigen Prozessdauer sowie der Kosten für die erforderlichen Gerichtsgutachten zur Überprüfung der „Gleichwertigkeit“ usw.
Dem BGH sei Dank.
Hallo Hunter,
wenn das Urteil des BGH so aussieht wie es die Pressemitteilung vermuten lässt, dann ist das einfach die konsequente Fortsetzung der „Porsche“-Rechtsprechung.
Früher hieß es: „Auf Gleichwertiges muss der Geschädigte bei fiktiver Abrechnung verweisen lassen.“ Das war sehr dehnfähig.
Jetzt präzisiert der BGH, was nicht gleichwertig sein kann (das ist schonmal ein erheblicher Schritt nach vorne!)
Alles andere, was in der „BGH-Liste der Nicht-Gleichwertigkeit“ nicht auftaucht, muss vom zuständigen Gericht geprüft werden. Das musste es aber auch schon vorher!
Die Gleichwertigkeit muss der Schädiger (bzw. dessen Versicherung) beweisen (und nicht behaupten). Und gegebenenfalls können mit Hilfe des Sachverständigen des Geschädigten oder seines Anwalts schon vor dem eigentlichen Beweisantritt Fakten vorgelegt werden, die es dem Schädiger bzw. seiner Versicherung unmöglich machen, die Gleichwertigkeit zu beweisen.
Aber das ist doch der status quo! Vielfach Tag für Tag in der ganzen Republik angewandt. Nur um einen Teil der Schäden müssen uns jetzt Gott sei Dank nicht mehr kümmern.
Grüße
Andreas
„Jetzt präzisiert der BGH, was nicht gleichwertig sein kann (das ist schonmal ein erheblicher Schritt nach vorne!)“
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Wo präzisiert der BGH gemäß Pressemitteilung was nicht gleichwertig sein kann?
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„Alles andere, was in der “BGH-Liste der Nicht-Gleichwertigkeit” nicht auftaucht, muss vom zuständigen Gericht geprüft werden. Das musste es aber auch schon vorher!“
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Seit wann musste vor dieser Entscheidung geprüft werden, ob sich das Fahrzeug innerhalb der Garantie befindet bzw. ob das Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet wurde?
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Und eine wesentliche Frage bleibt weiterhin offen:
Welche Stundenverrechnungssätze hat der Sachverständige künftig einzusetzen, wenn das Fahrzeug nicht in die neuen Anspruchsvoraussetzungen für die Verrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt fällt? Also keine Garantie oder Wartung in einer markengebundenen Fachwerkstatt vorliegt?
Mittlere Stundenverrechnungssätze, Verrechnungsätze der örtlichen Partnerwerkstatt der jeweiligen Versicherung, Karosseriebauer um die Ecke, freihändige Schätzung…..
Hallo Andreas,
auch zu diesem Urteil des AG Bergisch-Gladbach (Nordrhein-Westfalen) will ich abschließend nur noch anmerken, dass das jetzt viel diskutierte BGH-Urteil die Fortführung des Porsche-Urteils ( BGHZ 155, 1 ) ist. Der BGH hat in seinem neuen Urteil eindeutig festgehalten, dass das Porsche-Urteil weiter gilt. Auf Grund des Porsche-Urteils und des darin enthaltenen Hinweises auf „ohne weitere Mühen“ erreichbare anderweitige Reparaturmöglichkeiten kamen die Versicherer ja auf den Trichter, derartige Reparaturwerkstätten zu benennen, deren Löhne geringer waren als die Stundenverrechnungssätze der Markenfachwerkstatt. Nachdem diese „Referenzwerkstätten“ oder später „Partnerwerkstätten“ genannt immer häufiger auch in Rechtstreite eingebracht wurden, mußten sich auch die Instanzgerichte mit diesen Alternativen im Rahmen der Gleichwertigkeit beschäftigen. Jetzt hat der BGH für die Gleichwertigkeit und die darin zu prüfende Zumutbarkeit der alternativen Werkstatt Kriterien aufgestellt, die für die Instanzgerichte zu beachten sind. Dabei ist besonders wichtig der Hinweis, dass die Darlegungs- und Beweislast bei dem Schädiger und dessen Versicherer liegt. Der Schädiger muss die Gleichwertigkeit beweisen, und zwar bereits im vorgerichtlichen Verfahren, nicht erst im Prozeß. Mit der Behauptung, die Fa. „Wagenbau“ sei mit der Markenfirma „Autohaus“ gleichwertig, muss der Schädiger diese Behauptung nunmehr auch bereits beweisen. Er muß Bescheinungen der Mitarbeiter vorlegen, wonach diese die gleichen Qualifikationen der Markenfirma haben, er muss beweisen, dass Originalersatzteile verwandt werden, er muss die Herstellergarantie bestätigen etc, alles das, was in der Markenfachwerkstatt vorausgesetzt wird. Sämtliche für die Gleichwertigkeit bedeutende Punkte sind bereits mit der Behauptung auch zu beweisen. Insoweit hat das BGH-Urteil eindeutig Klarheit verschafft.
Wenn Gleichartigkeit bewiesen ist, ist zu prüfen, ob der Verweis auf die anderweitige Firma „Wagenbau“ und ihre Preise für den Geschädigten im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung zumutbar ist. Sodann sind die vom BGH aufgeführten Unzumutbarkeitskriterien zu prüfen, ob es dem Geschädigten unzumutbar ist, an Stelle der Fa. „Autohaus“ die Fa. „Wagenbau“ aufzusuchen und die mögliche Reparatur dort durchführen zu lassen. Immer mit dem Gedanken, es handelt sich um eine Fiktivabrechnung. Ich will jetzt nicht mehr die vom BGH aufgestellten Unzumutbarkeitskriterien aufzählen. Das war aber auch schon bisher im Rahmen der Gleichwertigkeit incidenter geprüft worden.
Im Übrigen kann ich Deine Auffassung nur bestätigen. Aber warten wir die schriftlichen Urteilsgründe ab.
Ein schönes Wochenende
Willi Wacker
Hallo Willi, Wacker
Zu Deinem Kommentar Freitag 23.10.2009 20:25
Der Schädiger muss die Gleichwertigkeit beweisen, und zwar bereits im vorgerichtlichen Verfahren, nicht erst im Prozeß. Mit der Behauptung, die Fa. “Wagenbau” sei mit der Markenfirma “Autohaus” gleichwertig, muss der Schädiger diese Behauptung nunmehr auch bereits beweisen.
Er muß Bescheinigungen der Mitarbeiter vorlegen, wonach diese die gleichen Qualifikationen der Markenfirma haben, er muss beweisen, dass Originalersatzteile verwandt werden, er muss die Herstellergarantie bestätigen etc, alles das, was in der Markenfachwerkstatt vorausgesetzt wird. Sämtliche für die Gleichwertigkeit bedeutende Punkte sind bereits mit der Behauptung auch zu beweisen.
Das alleine dürfte m.E. nicht ausreichen um die Gleichwertigkeit zu beweisen.
Siehe (CH 13.10.2008) KG Berlin 30.06.2008, Az.: 22 U 13/08
Selbst wenn in der freien Werkstatt eine qualitativ gleichwertige Reparatur durchgeführt würde, so läge im schadensrechtlichen Sinne keine wirtschaftliche Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit vor.
Dabei unterstellt der Senat die bestrittene Behauptung der Beklagten als wahr, dass es sich bei der als Referenzwerkstatt angegebebenen freien Werkstatt um einen BMW – versierten Meisterbetrieb handelt, der technisch und fachlich dazu in der Lage sei, die Reparatur qualitativ gleichwertig durchzuführen wie eine BMW – Vertragswerkstatt.
Auch dann, wenn die genannte Referenzwerkstatt ein technisch ordnungsgemäßes Reparaturergebnis abliefern kann, liegt im schadensrechtlichen Sinne keine wirtschaftliche Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit vor.
So auch:
AG Esses-Borbeck, Urteil vom 16.04.2009 (5 C 152/08)
AG Bad Oeynhausen, Urteil vom 03.02.2009, Az.: 11 C 93/08
Landgericht Dortmund, Urteil vom 30.01.2009, Az.: 4 S 166/08
AG Nürnberg, Urteil vom 20.01.2009 (31 C 5330/08)
Hallo Hunter,
nicht nur Du hast berechtigte Bedenken zur BGH Entscheidung vom 20.10.2009.
Hier eine DAV Mitteilung
(Berlin/Karlsruhe) – Der Bundesgerichtshof hat am 20. Oktober 2009 zu der in den Instanzgerichten heftig umstrittenen Frage Stellung genommen, ob ein Geschädigter bei der so genannten „fiktiven Abrechnung“ Werkstattkosten in der Höhe berechnen kann, wie eine Hersteller Markenwerkstatt sie berechnet oder ob ein Versicherer den Geschädigten auf geringere Preise anderer Werkstätten verweisen kann.
Der BGH hat diese Frage mit einem klaren „Jein“ beantwortet (AZ: VI ZR 53/09): Es kommt auf das Alter des Fahrzeuges, auf die Werkstattgewohnheiten des Geschädigten und auf sonstige Umstände an.
Mit dieser Entscheidung wird die Schadenregulierung für den Laien noch unüberschaubarer. Im Interesse der Geschädigten hätte die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) begrüßt, dass generell die Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Werkstätten zugrunde gelegt werden. Der Versicherer spart bei dieser Abrechnungsart immerhin schon die Mehrwertsteuer gegenüber einer tatsächlich durchgeführten Reparatur. Nach den schwierigen Entscheidungen zu den Mietwagentarifen wird die Schadenregulierung weiter kompliziert. Ein Geschädigter kann sich im Abrechnungsdschungel ohne Anwalt nicht mehr zurecht finden.
Quelle:Deutscher Anwaltverein e.V.(DAV)
MfG.
K.-H.W.
Hallo Willi, Wacker
noch weitere Urteile mit gleichem Tenor zur Gleichwertigkeit:
LG Dotmund Beschluss vom 30.01.2009 4 S 166/08
LG Heidelberg 30.07.2009 2 S 11/09
LG Münster 30.04.2009 08 S 10/09
MfG.
K.-H.W.
Vielen Dank K.-H.W. für die Hinweise.
Ist schon bemerkenswert, dass auch der DAV so schnell ein Statement zu dem „Wischi-Waschi-Urteil“ abgegeben hat und die Zukunftsprobleme aus der Hunter`schen Sichtweise betrachtet. Auch die Verärgerung des DAV über das versicherungsgeneigte Urteil ist unschwer herauszulesen.
Man muss den Tatsachen eben rational ins Auge sehen und die zusätzlichen Probleme, die künftig auf die Parteien der Geschädigtenseite zukommen, bereits heute dikutieren sowie entsprechende Strategien entwickeln – und nicht erst, wenn das „Kind im Brunnen“ liegt. Ein Urteil „schönreden“ führt zu nichts.
in meiner stadt werden versicherungsfreie karosseriefirmen schon lange mit den billigstundensätzen von versicherungswerkstätten konfrontiert. unsere kunden erhalten briefe wo firmen die nicht zur versicherung gehören mit wucherern verglichen werden. das das unsere kunden abschreckt ist klar. obendrein hat sich unser zdk-vorsitzende erst von den versicherungen getrennt und nun ist er von allianz wieder irgendwie gefangen worden und geht als fairplay-werkstatt wieder in die andere richtung – ein skandal. und wir karosseriefirmen bezahlen mit unserm beitrag auch noch dafür