AG Weinheim/Baden-Württemberg bestätigt Fachwerkstattlöhne auch bei fiktiver Schadensabrechnung

Die Amtsrichterin der 4. Zivilabteilung des AG Weinheim hat mit Urteil vom 29.09.2009 – 4 C 57/09 – die VHV Allgemeine Versicherungs AG verurteilt, an den Kläger als geschädigten Kraftfahrzeugeigentümer 212,98 € restlichen Schadensersatz zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Nachfolgend gebe ich das Urteil im Volltext bekannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 212,98 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich seit 10.04.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

(ohne Tatbestand gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und im zugesprochenen Umfang auch begründet.

Unstreitig haftet die Beklagte dem Kläger im Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom15.03.09 dem Grunde nach zu 100 %.

Gemäß § 249 Abs. 2 S.1 BGB kann der Kläger von der Beklagten den zur Herstellung des vor dem Unfallereignis bestehenden Zustandes erforderlichen Geldbetrag verlangen.

Dabei ist er allerdings unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Rahmen des Ihm Zumutbaren bei mehreren Alternativen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.

Der Kläger hat seinen Schaden aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Z. (Anla­ge K1) errechnet. Dieses Gutachten ist ausführlich und lässt das Bemühen erkennendem Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden.

Damit hat der Kläger grundsätzlich seiner Schadensminderungspflicht Genüge getan (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2003, Az. VI ZR 398/02).

Er muss sich nach Auffassung des Amtsgerichtes auch nicht darauf verweisen lassen, dass die Reparatur außerhalb einer Vertragswerkstatt in einer freien Fachwerkstatt kostengünstiger er­folgen könnte.

Es mag sein, dass der Reparaturerfolg in einer der seitens der Beklagten genannten freien Fachwerkstätten objektiv demjenigen einer Markenwerkstatt gleichkommen würde.

Bei der Prüfung, ob sich der Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen hält, ist jedoch eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen (BGH, a.a.O.).

Bei einer Markenwerkstatt weiß der Geschädigte, dass der Markenhersteller schon in eigenem Interesse eine ständige Qualitätsprüfung durchführt.

Mit den Markenwerkstätten wird deshalb allgemein eine hohe technische Kompetenz und beson­dere Werthaltigkeit verbunden. Nur aus diesem Grund können sich diese trotz höherer Kosten am Markt behaupten.

Wenn eine Vielzahl von „Selbstzahlern“ sich unter diesem Gesichtspunkt für die teurere Repara­tur in einer Markenwerkstatt entscheidet, muss dies auch einem Geschädigten zugebilligt wer­den, es darf ihm nicht wirtschaftliche Unvernunft ungehalten werden.

Auch die Rechtsprechung, die den Geschädigten auf freie Werkstätten verweist, gibt zu erkennen, dass sie Markenwerkstätten und freie Werkstätten nicht per se als gleichwertig ansieht. Bei letzteren verlangt sie vom Versicherer den Nachweis, dass es sich um zertifizierte Werkstätten handelt, dass Original-Ersatzteile verwandt werden und welche Erfahrungen in der Unfallreparatur bestehen.

Der durchschnittliche Geschädigte dürfte mit der Prüfung solcher Behauptungen überfordert sein, außerdem verlangt die ernsthafte Prüfung Initiativen und Recherchen, welche vom Geschä­digten gerade nicht geschuldet werden.

Insbesondere bei nur geringfügiger Kostenabweichung wie im vorliegenden Fall erscheint es dem Gericht für den Geschädigten nicht zumutbar, solche Prüfungen der Mitteilungen des Versi­cherers vorzunehmen.

Vielmehr darf er die Werkstatt seines Vertrauens aufsuchen.

Die Beklagte selbst hat angedeutet, dass Sie im Falle einer tatsächlichen Reparatur durchaus bereit gewesen wäre, den entsprechenden Mehrbetrag zu erstatten.

Es ist jedoch in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ausdrücklich festgelegt, dass bei der fiktiven Schadensberechnung der Betrag zu erstatten ist, der bei der Herstellung angefallen wäre.

Die Frage, ob die Reparatur In einer Markenwerkstatt angemessen ist, kann deshalb im Rah­men des § 249 Abs. 1 BGB nicht anders beantwortet werden als im Rahmen des § 249 Abs. i S. 1 BGB,

Unstreitig wären im vorliegenden Fall bei der Reparatur in ein er Markenwerkstatt 1.863,85 net­to aufzuwenden gewesen, ebenso unstreitig hat die Beklagte lediglich € 1.650,87 bezahlt, so dass ein Restbetrag von € 212,98 noch von ihr zu erstatten ist.

Die klägerische Forderung ist gemäß § 286 Abs. 1 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Dagegen kann der Kläger die geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten nicht verlan­gen.

Der Kläger hat nicht bestritten, von der Beklagten € 368,66 für Anwaltskosten erhalten zu haben. Er selbst gibt den außergerichtlichen Streitwert unter Einschluss der nicht regulierten € 212,93 mit € 2.581,12 an.

Dies ergibt folgende Gebührenberechnung:

1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV            € 245,70

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV              €   20,00

19% MwSt. Nr. 7008 VV                           €   50,18

insgesamt                                                € 316,18

Damit sind die außergerichtlichen Gebühren mit der Zahlung der Beklagten abgegolten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92II ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11,711.713 ZPO.

Das Gericht hat davon abgesehen, eine Berufung zuzulassen, Es existiert bereite eine Vielzahl von erst- und zweitinstanzlichen Entscheidungen, die zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen gelängen. Eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung kann nur durch eine höchstrichterliche Ent­scheidung erfolgen, die auch bei Zulassung der Berufung nicht herbeigeführt würde.

So die Amtsrichterin des AG Weinheim.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

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3 Antworten zu AG Weinheim/Baden-Württemberg bestätigt Fachwerkstattlöhne auch bei fiktiver Schadensabrechnung

  1. Werkstatt-Freund sagt:

    Hallo Willi Wacker,
    dieses Urteil ist noch vor der BGH-Entscheidung ergangen, kann also nicht als künftige Richtschnur angesehen werden.
    Aber trotzdem ein schönes Urteil.
    MfG
    Werkstatt-Freund

  2. Jurastudentin sagt:

    Hallo Willi Wacker,
    gerade in der Diskussion um das zu erwartende BGH-Urteil als Fortsetzung des Porsche-Urteils (BGHZ 155,1 = NJW 2003, 286) ist das von Dir eingestellte Urteil des AG Weinheim/Baden-Württemberg instruktiv, kann doch der Senat durchhaus Argumente auch für die Beurteilung der Gleichwertigkeit herauslesen und vielleicht sogar verarbeiten.
    MfG
    Jurastudentin

  3. Willi Wacker sagt:

    Hallo Werkstatt-Freund, hallo Jurastudentin,
    warten wir jetzt den Urteilstext des Urteils vom 20.10.2009 ab. Alles weitere wäre zur Zeit Spekulation, obwohl ich der Ansicht bin, dass das Porsche-Urteil in wesentlichen Zügen bestätigt wird.
    Mit freundlichen Grüßen
    Euer Willi Wacker

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