Mit Urteil vom 24.06.2009 (8 S 1170/09) hat das LG Nürnberg-Fürth das erstinstanzliche Urteil des AG Nürnberg (13 C 6598/08) vom 09.01.2009 aufgehoben und die AXA Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.258,16 € zzgl. Zinsen sowie weiterer vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht setzt sich detailliert mit Schwacke und Fraunhofer auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass die Schwacke-Liste anzuwenden ist.
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Amtsgericht hat der Klage auf Erstattung restlicher Mietwagenkosten aufgrund eines Verkehrsunfalls, für den die Beklagte unstreitig zu 100 % haftet, abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag auf Zahlung von 1.258,16 Euro zzgl. vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten weiter. In tatsächlicher Hinsicht wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
Die zulässige Berufung hat in vollem Umfang Erfolg.
I. Nach der st. Rspr. des BGH kann die Klägerin als Geschädigte nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH NJW 2009, 58 = VersR 2008, 1706). Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (BGH NJW 2009, 58 = VersR 2008, 1706). Zur Zugänglichkeit eines sog. Normaltarifs ist es Sache des Geschädigten darzulegen und zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (st. Rspr. z.B. BGH NJW 2006, 2693 = VersR 2006, 1425). Zur Überprüfung der Erforderlichkeit der geltend gemachten Mietwagenkosten sind diese zunächst mit dem Normaltarif zu vergleichen (vgl. etwa BGH VersR 2009, 801). Dieser spiegelt die durchschnittlichen Mietwagenkosten nach Region und Fahrzeug wider. Ob für die Beurteilung der Erforderlichkeit auch ein unterhalb des örtlichen Normaltarifs liegender „Haustarif“ des Haftpflichtversicherers (Rahmenvertrag mit einem „großen“ Vermieter) überhaupt zu berücksichtigen ist, hat der BGH bislang offen gelassen (BGH VersR 2009, 801).
II. Die Klägerin begehrt die Erstattung ihrer Mietwagenkosten nicht auf der Grundlage der ihr von ihrem Vermieter in Rechnung gestellten, sondern auf der Grundlage der Schwacke-Liste 2007. Die Klägerin gesteht damit zu, dass für sie Mietwagen kosten lediglich in Höhe der auf der Grundlage der Schwacke-Liste ermittelten Kosten erforderlich waren. Dies ist ihr im Grundsatz unbenommen. Die Frage eines Zuschlags auf den auf der Grundlage der Schwacke-Liste ermittelten Normaltarifs stellt sich im Streitfall nicht, da die Klägerin einen solchen ausdrücklich nicht geltend macht.
III. Zur Frage der Anwendbarkeit der „richtigen“ Schätzgrundlage zur Ermittlung des Normaltarifs – insbesondere im Hinblick auf die sog. Fraunhofer-Liste – bleibt die Kammer bei der Anwendung der Schwacke-Liste. Generell gilt nach der einschlägigen Rechtsprechung des BGH insoweit folgendes:
Der BGH hat auch in jüngster Zeit die Anwendung der Schwackeliste im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens des § 287 ZPO ausdrücklich gebilligt (z.B. BGH VersR 2009, 801; BGH NJW2008, 2910 = VersR 2008, 1370), ggf. mit Modifikationen (BGH NJW2009, 58 = VersR 2008, 1706: Anwendung einer älteren Liste mit Inflationsausgleich). Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO allerdings nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. Auch darf nicht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse verzichtet werden. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden. Sie müssen es aber nicht; insbesondere, wenn das Gericht berechtigte Zweifel an ihrer Eignung hat, kann es die Heranziehung einer bestimmten Liste ablehnen (BGH NJW2009, 58 = VersR 2008, 1706). Lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage muss das Gericht nicht nachgehen. So etwa, wenn pauschal darauf verwiesen wird, dass der Schwackeliste lediglich eine Sammlung schriftlicher Angebotspreise der Autovermieter zugrunde gelegt und nicht auf Ergebnisse von Marktuntersuchungen über die tatsächlich gezahlten Mietpreise abgestellt wird (BGH NJW2008, 2910 = VersR 2008, 1370). Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH NJW2009, 58 = VersR 2008, 1706; BGH NJW 2008, 2910 = VersR 2008, 1370).
Bestehen solche Zweifel an der Schwackeliste, wird teilweise der „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation zugrunde legt (so etwa OLG München NJW-Spezial 2008, 585; OLG Köln RuS 2008, 528; OLG Thüringen NZV2009, 181; str. ausdrücklich a.A z.B. LG Dortmund, Urteil vom 05.02.2009, Az. 4 S 115/08). Wird eine andere (geeignete) Schätzungsgrundlage zugrunde gelegt, ist die Zuziehung eines Sachverständigen nicht erforderlich (BGH NJW 2009, 58 = VersR 2008, 1706). Revisionsrechtlich ist allerdings ein begründetes Festhalten an der Schwackeliste nicht zu beanstanden (BGH NJW 2009, 58 = VersR 2008, 1706).
IV. Da das Rad auch im Bereich der Abfassung von Urteilsgründen nicht neu erfunden werden kann, sei zunächst aus dem Kammerurteil vom 29.04.2009 (Az. 8 S 5308/08) zitiert:
„1. Der Kammer sind die gegen die Schwacke-Liste geführten Angriffe bekannt, insbesondere soweit sie -wie auch von der hiesigen Berufung- mit den (vermeintlichen) Vorzügen der sogenannten Fraunhofer-Liste untermauert werden (vgl. zuletzt etwa Quaisser NZV 2009, 121 ff.). Die Kammer ist sich bewusst und hat dies auch bereits im Hinweisbeschluss zum Ausdruck gebracht, dass die „offene“ Erhebungsmethode der Schwacke-Liste nicht unbedenklich ist. Insofern erscheint die Vorgehensweise der sogenannten Fraunhofer-Liste in der Tat überlegen. Auf der anderen Seite ist auch die Fraunhofer-Liste nicht frei von Unzulänglichkeiten. Ein gewichtiger Grund für eine kritische Betrachtung der Fraunhofer-Liste ist der Umstand, dass diese die Mietwagenkosten lediglich auf der Basis von zweistelligen Postleitzahlen abbildet. Sofern zu diesem Punkt vorgebracht wird, dass dies zur Darstellung einer statistisch aussagekräftigen Basis geboten sei (Quaiser NZV 2009, 121, 123) ist dazu anzumerken, dass maßgeblich letztlich doch die sich dem Geschädigten konkret darstellende und regional verfügbare Vergleichsbasis ist. Ermöglicht eine Erhebung keine statistisch-mathematischen Anforderungen genügende Vergleichsbasis in einem regional maßgeblichen Gebiet, rechtfertigt dies nicht, zulasten des Geschädigten die Datenbasis zu verbreitern.
2. Die Kammer ist sich bewusst, dass eine auf offenkundigen Unzulänglichkeiten beruhende Erhebung keine Basis für eine Schätzung nach § 287 ZPO bieten kann. Auch die weiteren von der Berufung gegen die Schwacke-Liste geführten Angriffe, zum Beispiel „vergleichbare“ Internetangebote vermögen eine Ablehnung wegen derartig gravierender Mängel der Schwacke-Liste nicht zu begründen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es nicht etwa so ist, dass sich die Haftpflichtversicherer mit gleichsam gebundenen Händen der Abrechnung der Mietwagenkosten auf der Basis der Schwacke-Liste gegenüber sehen. Die Versicherer haben es ohne weiteres in der Hand, dem Geschädigten eines der von ihnen ins Feld geführten günstigen Angebote zu unterbreiten. Die Kammer hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass es dann, wenn der Haftpflichtversicherer alles dafür tut, dass der Geschädigte ohne für ihn unzumutbaren weiteren Aufwand in der Lage ist, auf ein solches günstigeres, hinreichend konkret belegtes Angebot zurückzugreifen, dem Geschädigten im Rahmen des § 254 BGB eine Abrechnung seiner Mietwagenkosten lediglich auf der Grundlage eines solchen konkret annahmefähigen und günstigeren Mietwagenangebotes möglich wäre. Berücksichtigt man weiter, dass zumindest in Fällen wie dem hiesigen, in denen der Geschädigte völlig unverschuldet in die Situation gebracht wurde einen Mietwagen in Anspruch nehmen zu müssen, keine Veranlassung besteht, sich bei der Abrechnung auftuende Unsicherheiten zu seinen Lasten auswirken zu lassen.
3. In der Gesamtschau der Argumente für und gegen die beiden vorgenannten Schätzlisten kommt die Kammer -wie im Übrigen .auch die 2. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth als zuständige Spezialkammer für Verkehrssachen- zu dem Ergebnis, dass die Fraunhofer-Liste jedenfalls keine überlegene Schätzgrundlage darstellt. Im Rahmen des dem Gericht zur Verfügung gestellten Schätzungsermessen des § 287 ZPO ist deshalb kein überzeugender Anlass erkennbar, die Schätzgrundlage zu wechseln und durch eine sich ähnlichen Angriffen, lediglich von der Gegenseite geführt, ausgesetzt sehende Liste zu ersetzen. Dies gilt nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund einer im Massengeschäft der Regulierung von Mietwagenkosten in erhöhtem Maße erforderlichen Rechtssicherheit. Im Ergebnis hat es damit bei der Anwendung der Schwacke-Liste 2007 zur Ermittlung des sogenannten Normaltarifs zu verbleiben.“
Gestützt werden diese Erwägungen durch ein neueres Urteil des OLG Köln (Urteil vom 11.02.2009, Az. 2 U 102/08; abrufbar unter
http://www.iurion.de/newsletter.isp?vid=3K202890&mref=s1206200920004614). Dort heißt es u.a.:
„Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht allein für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den Ersatz des günstigeren Mietpreises verlangen (BGH NJW 2006, 1506, 2107, 2621; 2007, 2758, 3782, 2915; NJW-RR 2008, 470, 689; NJW 2008, 1519). Dem folgend hat das Landgericht seiner Entscheidung den jeweiligen Normaltarif zugrunde gelegt. Dass dieser dem sogenannten Modus der Schwacke-Liste „Automietpreisspiegel 20062 entnommen worden ist, hält der Senat für unbedenklich. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO der „Normaltarif“ auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermittelt werden kann ( BGH NJW 2006, 2106; 2007, 1124, 2693, 2758, 2916, 3782,; 2008, 1519; ebenso OLG Köln – 19. Zivilsenat – NZV 2007, 199; OLG Köln – 15. Zivilsenat – SP2008, 220; OLG Karlsruhe VersR 2008, 92; SP 2008, 218; OLG Hamm SP 2008, 220; LG Bielefeld NJW 2008, 1601; vgl. auch Vuia NJW 2008, 2369, 2362). Dem schließt sich der Senat an.
Die im Gutachten des Dr. A. vom 27. Juni 2007 geübte Kritik an der Methodik der Schwacke-Liste als solche bietet demnach keinen Anlass, von der Anwendung des Automietpreisspiegels abzusehen. Das gilt gleichfalls für den inzwischen von der Beklagten vorgelegten „Mietpreisspiegel Mietwagen“ des Fraunhofer Instituts. Das A.Gutachten belegt nach Auffassung des Senats auch nicht, dass sich etwaige Mängel der Schwacke-Liste auf den Streitfall auswirken. Die Erhebungen von A. dürften weniger repräsentativ sein als die dem Mietpreisspiegel zugrunde liegenden Ermittlungen, weil das Gutachten lediglich auf Telefonanrufen in der Zeit von April bis Juni 2007 basiert, mit denen aktuelle Angebote abgefragt worden und die zum Teil ergebnislos geblieben sind. Darüber hinaus habe sich die Anfragen auf in der Stadt C. ansässige Anbieter beschränkt, obwohl die Tarife für dasjenige Postleitzahlengebiet heranzuziehen sind, in dem das Fahrzeug jeweils angemietet worden ist (BGH NJW 2008, 1519). Davon abgesehen ist die von A. für seine Liste „Der Stand der Mietwagenpreise in Deutschland im Sommer 2007″ [Anm. der Kammer: Dabei dürfte es sich um die ansonsten unter dem Verfasser Holger Zinn zitierte Abhandlung handeln.] angewendete Erhebungsmethode im Schrifttum auf grundsätzlich Bedenken gestoßen (vgl. Vuia a.a.O.).In seiner – soweit ersichtlich – jüngsten Entscheidung zur Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten (Urteil vom 11. März 2008 – VI ZR 164/07 – NJW 2008, 1519) hat der Bundesgerichtshof betont, es sei nicht Aufgabe des Gerichts, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzungsgrundlage nachzugehen. Deshalb bedürfe die Eignung von Listen oder Tabellen, die – wie der Schwacke-Marktpreisspiegel – bei der Schadensschätzung Verwendung finden könnten, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt werde, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken würden; ohne Bezug zur konkreten Schadensschätzung sei das Gericht aufgrund allgemeiner Einwendungen daher nicht verpflichtet, die Methode der Erfassung der einzelnen Mietpreise und die Ermittlung des gewichteten Mittels im Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 zu klären.
Dass der „Marktpreisspiegel Mietwagen“ des Fraunhofer Instituts die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste [wohl: „in Frage“; Anm. der Kammer] stellen müsste, vermag der Senat gegenwärtig nicht zu erkennen, zumal dieser Preisspiegel das Jahr 2008 betrifft.“
Diese Ausführungen macht sich die Kammer in argumentativer Hinsicht zu eigen. Ergänzend sei nur noch folgendes angemerkt:
Die Benennung von Internetangeboten, wie sie auch die Beklagte vorlegt, ist zum „Nachweis“ eines (vermeintlich) günstigeren Normaltarifs von vornherein nicht geeignet. Zum einen besteht bei der Buchung über das Internet aufgrund des Umstandes, dass hierzu i.d.R. die Eingabe von Kreditkartendaten erforderlich ist, ein nicht unerhebliches Sicherheitsrisiko, das dem Geschädigten nicht ohne Weiteres zugemutete werden kann (LG Karlsruhe NZV 2009, 230); zum anderen ist das Internet zumindest zur Abwicklung von Rechtsgeschäften nicht bei allen Teilen der Bevölkerung so weit verbreitet, dass sich mit Online-Angeboten repräsentative Aussagen zu allen Unfallgeschädigten zugänglichen Angeboten erlangen ließen.
Hinzu kommt ein Weiteres: Die Kammer verfügt als Spezialkammer für Verkehrsunfallsachen über hinreichend Erfahrung und weiß aus anderen Verfahren – dort aus eigenem Vortrag der (streitverkündeten) Vermieter -, dass über das Internet in der Regel nur besonders günstige Tarife angeboten werden, die aus einem Überangebot an Mietwagen resultieren und deshalb nicht nach üblichen (markt)wirtschaftlichen Erwägungen gebildet werden. Hinsichtlich der tatsächlichen Verfügbarkeit des konkret angebotenen Wagens stellen solche Internettarife lediglich eine Momentaufnahme dar. Die Anbieter, die über eine entsprechende Internetpräsenz verfügen, nutzen diese, um damit auf kurzfristige Schwankungen in der (Nicht)Auslastung ihres Fuhrparks reagieren zu können. Somit ist es in keiner Weise gesichert, dass der dort angebotene Wagen nicht gerade wenige Minuten vor einer potentiellen Buchung durch den Geschädigten doch noch am Schalter im regulären Geschäft angemietet und vom Hof gefahren wurde. Dann wird er automatisch binnen Sekunden als vermietet aus dem System genommen und steht für eine tatsächlich Anmietung durch den Geschädigten zu einem günstigen Internetsondertarif nicht mehr zur Verfügung.
Die Kammer sieht sich deshalb nicht in der Lage, solchen Angeboten maßgebliche Bedeutung für die Bestimmung des Normaltarifs oder auch nur das In-Zweifel-Ziehen eines anderweitig ermittelten Normaltarifs zuzumessen.
Mit dieser – im Übrigen nicht tragenden – Erwägung setzt sich die Kammer nicht in Widerspruch zur Entscheidung des BGH in BGH NJW2006, 1726 = VersR 2006, 853. Soweit dort der BGH ausgeführt hat, dass zum Bestreiten der Erforderlichkeit konkreter Mietwagenkosten z.B. der Vortrag des Schädigers reicht, ein Ersatzfahrzeug hätte vom Geschädigten zu einem ihm mitgeteilten, über das Internet ermittelten Normaltarif wesentlich günstiger angemietet werden können, ist lediglich anzumerken, dass nach den obigen Ausführungen Internettarife Sondertarife sind. Sie sind deshalb keine hier allein relevanten Normaltarife, also solche, die dem Selbstzahler normalerweise angeboten werden und unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet werden (BGH NJW 2007, 3782 = VersR 2007, 1577).
V. Die Beklagte kann sich schließlich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht ein ihr zuvor genanntes günstigeres Mietwagenangebot der Beklagten nicht angenommen habe. Dass es zu einem entsprechenden Telefonat gekommen ist, ist unstreitig. Unstreitig ist aber insoweit nur, dass der Klägerin darin mitgeteilt wurde, dass sie ein „vergleichbares Fahrzeug für 61 EUR netto täglich incl. aller Nebenkosten erhalten kann“.
1. Die insoweit relevante Rechtsprechung der Kammer hat der Klägervertreter bereits in erster Instanz zutreffend zitiert:
„Haben Geschädigte und gegnerischer Haftpflichtversicherer vor der Anmietung Kontakt und weist der Versicherer den Geschädigten auf Probleme bei der Anmietung hin und stellt in diesem Zusammenhang ein günstigeres als das tatsächlich in Anspruch genommene Mietwagenangebot in Aussicht, dann darf der Geschädigte dies nicht ignorieren. Nimmt der Geschädigte dann vor der tatsächlichen Anmietung nicht Kontakt mit dem Haftpflichtversicherer auf, verstößt er grundsätzlich. gegen seine Schadensminderungspflicht: Ein Anruf, der den Schaden (u.U.) nicht unerheblich verringern helfen könnte, ist dem Geschädigten in jedem Fall zuzumuten. Kommt der Geschädigte dann aber doch nicht auf den Haftpflichtversicherer zurück, muss dieser beweisen, dass der grundsätzliche Verstoß des Klägers gegen die Schadensminderungspflicht („Verweigern“ der – weiteren- Kontaktaufnahme) für einen höheren Schaden in Gestalt eines erhöhten Miettarifs überhaupt kausal geworden ist (vgl. BGH NJW 1994, 3102, 3105). Dies ist nur dann der Fall, wenn der Haftpflichtversicherer bei einem Rückruf des Geschädigten im Zeitraum bis zur („eigenmächtigen“) Anmietung wirklich ein konkret annahmefähiges Mietwagenangebot hätte vorlegen können. Gelingt der Beklagten dieser Nachweis, kann der Geschädigte nur die Mietwagenkosten ersetzt verlangen, die bei der Inanspruchnahme des Angebots der Beklagten angefallen wären. Eine Verweisung auf die Abrechnung nach der Schwackeliste ist dann nicht vorzunehmen.“ (LG Nürnberg-Fürth Urt. v. 22.10.2008 – 8 S 3010/08).
Ergänzend ist noch auszuführen: Diese Rechtsprechung bewegt sich auf einer Linie mit der BGH-Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Ausgestaltung eines Restwertangebotes. In der Entscheidung BGH NJW 2000, 800 heißt es dazu u.a.:
„Nach dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes ist der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens. … Insbesondere dürfen ihm bei der Schadensbehebung die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten nicht aufgezwungen werden. … Zwar kann dem Berufungsgericht im Ansatz durchaus in der Auffassung beigetreten werden, daß der Geschädigte, der mühelos einen höheren Erlös zu erzielen vermag oder wenn der Schädiger ihm eine ohne weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit nachweist, sich den höheren, ihm möglichen Erlös im Rahmen des Zumutbaren zurechnen lassen muß. … Der bloße Hinweis auf eine preisgünstigere Möglichkeit der Verwertung, um deren Realisierung sich die Klägerin erst noch hätte bemühen müssen, genügte nicht, um deren Schadensminderungsobliegenheiten auszulösen. Da ein bindendes Angebot … bisher nicht vorlag, hätte sich diese erst noch selbst an die Firma R. wenden müssen.“
Die Kammer hält die Konstellation „Restwertangebot“ grundsätzlich mit der streitgegenständlichen für vergleichbar. Während dort die Erzielung eines (verbindlichen) höheren Restwerts wahrgenommen werden muss, kann im Fall der Mietwagenkosten vom Geschädigten die Wahrnehmung eines verbindlichen günstigeren Angebotes gefordert werden (für das Erfordernis eines konkreten und annahmefähigen günstigeren Angebotes auch AG Bonn NZV 2008, 39). Dies bedeutet zwar nicht, dass der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer schon im Zeitpunkt des ersten Kontakts mit dem Geschädigten ein konkretes und annahmefähiges Mietwagenangebot parat haben muss; der Geschädigte darf sich aber einem ihm angebotenen oder in Aussicht gestellten „zweiten Kontakt“ mit dem Schädiger nicht entziehen. Kommt es aus in der Sphäre des Geschädigten liegenden Gründen letztlich nicht zu einem konkreten Mietwagenangebot, so kann der Schädiger den Beweis dafür antreten, dass er -wohl gemerkt für den damaligen Mietzeitraum – in der Lage gewesen wäre, dem Geschädigten ein annahmefähiges Angebot zu unterbreiten.
2. In erster Instanz hat die Beklagte hierzu keinen Beweis angetreten. Aus dem unstreitigen Sachverhalt ergibt sich hierzu nichts. Die im Schriftsatz vom 08.05.2009 (Berufungserwiderung) genannten Beweisangebote sind indes nicht zu berücksichtigen. Sie sind neu i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO und mangels Ausnahmetatbestand nicht zuzulassen, worauf die Kammer – insoweit nicht protokolliert – in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat und was vom Klägervertreter auch so gerügt wurde.
a) Für die Zulassungsvoraussetzungen der § 531 Abs. 2 S. 2 Nrn. 2 und 3 ZPO ist nichts vorgetragen und auch sonst kein Anhaltspunkt ersichtlich. Aber auch die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 ZPO sind nicht erfüllt. Die Anwendung dieser Norm setzt voraus, dass die betreffende – von der Berufungsinstanz dann nicht geteilte – Rechtsansicht des Erstgerichts den erstinstanzlichen Vortrag der Partei auch beeinflusst haben und (mit-)ursächlich dafür geworden sein muss, dass sich Parteivorbringen in das Berufungsverfahren
verlagert (BGH NJW-RR 2007, 774; BGH NJW-RR 2004, 927). Ein solcher Ursachenzusammenhang ist im Streitfall aber weder vorgetragen, noch sonst erkennbar: Nach Zustellung der Klage hat die Beklagte in der Klageerwiderung die Tatsache des Telefonats und die Nennung eines niedrigeren Preises vorgetragen. Hierauf geht die Replik ausdrücklich ein und rügt, dass kein Vortrag zu einem annahmefähigen Mietwagenangebot erfolgt sei. Im Anschluss daran hat das Amtsgericht ohne weiteren Hinweis terminiert. Im erstinstanzlich nachgelassenen Schriftsatz vom 23.12.2008 bringt die Beklagte hierzu keinen weiteren Vortrag; der Hinweis, dass bereits in der Klageerwiderung vorgetragen
worden sei, dass die dort genannten Angebote auch zum streitgegenständlichen Anmietzeitraum möglich gewesen seien, ist nicht zutreffend und wäre im Übrigen auch nicht ausreichend. Im anschließenden Urteil befasst sich das Amtsgericht sodann u.a. mit der Problematik des vorgenannten Telefonates im Zusammenhang mit der Schadensminderungspflicht der Klägerin.
Nach alledem ist keinerlei Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass Gegenstand des nunmehr erbrachten Beweisangebotes Angriffsmittel sind, die einen Gesichtspunkt betreffen, den das Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat.
b) Ob in der Vermittlung/Angebot eines Mietwagens eine Rechtsbesorgung i.S.d. RDG/RBerG liegt (so AG Bonn NZV 2008, 39; LG Nürnberg-Fürth VersR 2007, 81; anders wohl BGH NJW2000, 2108), kann nach alledem dahinstehen.
3. Nachdem die Beklagte also keinen Beweis für ein von ihr der Klägerin unterbreitetes günstigeres, konkretes und annahmefähiges Mietwagenangebot erbracht hat, ist der Klägerin ein ihren Ersatzanspruch mindernder Mitverschuldensvorwurf (§ 254 Abs. 1 BGB) nicht zu machen.
VI. Damit kann die Klägerin ihre erforderlichen Mietwagen kosten in voller Höhe auf der Grundlage der Schwackeliste 2007 abrechnen. Der entsprechenden Berechnung in der Klageschrift ist die Beklagte lediglich hinsichtlich der Positionen Zustellkosten und Winterreifenzuschlag entgegengetreten.
- Kosten der Zustellung und Abholung des Ersatzfahrzeugs können – je nach den Umständen des Einzelfalls – erforderlich sein. Allerdings ist hierzu zumindest bei Anmietung „im Stadtgebiet“ substantiierter Vortrag erforderlich (BGH NJW 2006, 360 = VersR 2006, 133). Solchen hat die Klägerin im Schriftsatz vom 18.11.2008 gebracht: Si hat dargelegt, dass der Mietwagen ihrer Reparaturwerkstatt zugestellt und auch von dort wieder abgeholt wurde. Dem ist die Beklagte nicht weiter entgegengetreten. Gegen den Ansatz der Zustellungskosten bestehen deshalb keine Bedenken.
- Kosten für Winterreifen sind i.d.R. nicht in den Mietpreisen enthalten, sondern extra zu vergüten. Auch in der Schwackeliste werden diese Kosten extra benannt, so dass sie in den Wintermonaten als erforderlich erstattungsfähig angesehen werden (LG Landshut Urt. v. 24.11.2008 – 13 S 1261/08 – juris). Nach a.A. ist die Ausstattung des Fahrzeugs mit Winterreifen nicht besonders zu erstatten, da ein PKW verkehrssicher übergeben werden muss (LG Detmold Urt. v. 28.03.2007 -10 S 236/06 – juris; vgl. § 36 Abs. 1 Satz 1 StVZO). Die Kammer hat in ihrer neueren Rechtsprechung die Erstattungsfähigkeit der Winterreifenkosten bejaht:
„Die Kosten für eine Ausstattung eines Mietwagens mit Winterreifen sind in den in der Schwacke-Liste genannten Preisen nicht berücksichtigt. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Umstand, dass sie als Nebenkosten im Anhang der Schwacke-Liste gesondert aufgeführt werden. Der Umstand, dass ein PKW verkehrssicher übergeben werden muss, tritt vor diesem Hintergrund als unbeachtlich zurück. Dies mag so sein, hat jedoch letztlich mit der Frage, welche durchschnittlichen Preise als Schätzungsgrundlage zugrunde gelegt werden können, nichts zu tun. Zieht man die Schwacke-Liste 2007 als Schätzgrundlage heran, so ist es nur konsequent, die dort genannten Beträge auch in ihrer gesamten Breite – und somit inklusive Winterreifenzuschlag von 15 € täglich – anzusetzen.“ (LG Nürnberg-Fürth Urt. v. 22.10.2008 – 8 S 3010/08).
3. Da die Berechnung der Mietwagen kosten durch die Klägerin auch im Übrigen keine Rechtsfehler erkennen lässt, ist mit der Berufung der Klageforderung in vollem Umfang stattzugeben. Den schlüssig auf §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB gestützten Zinsanspruch hat die Beklagte in tatsächlicher Hinsicht nicht bestritten.
VII. Schließlich hat die Klägerin Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 186,24 EUR.
Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen auch die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten, hier des eingeschalteten Rechtsanwalts (grundlegend BGH NJW 2005, 1112 m.w.N.). Dass die Rechtsverfolgungskosten durch die Klägerin an ihren Prozessbevollmächtigten bereits gezahlt worden seien, was den von der Beklagten monierten Forderungsübergang auslösen könnte (§ 86 WG), hat die Beklagte selbst nicht behauptet, sondern nur spekulativ vermutet. Im Übrigen ist dem die Klägerin entgegengetreten (Schriftsatz vom 18.11.2008 S. 10). Eine mangelnde Rechnungsstellung des Rechtsanwalts gegenüber der Klägerin kann der Schadensposition nicht entgegengehalten werden, da die Rechnungsstellung nach § 10 Abs. 1 RVG nur die Einforderbarkeit der Vergütung im Mandantenverhältnis betrifft (OLG München VersR 2007, 267).
Ebenso wenig kann die fehlende Zahlung der Rechtsverfolgungskosten durch den Geschädigten dessen Anspruch ausschließen: Zwar bestünde der Schaden insoweit zunächst in einer Belastung mit einer Verbindlichkeit gegenüber dem Rechtsanwalt, so dass nach allgemeinen Grundsätzen über § 249 BGB nur Freistellung beansprucht werden könnte. Der Freistellungsanspruch ist hier jedoch gemäß § 250 BGB in einen Zahlungsanspruch übergegangen. Einer Fristsetzung nach § 250 BGB bedurfte es nicht, da die Beklagte unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie eine Naturalrestitution ernsthaft und endgültig verweigert (BGH VersR 2007, 1539; OLG Karlsruhe NZV 2004, 42). Damit hat sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt, soweit die Klägerin Geldersatz fordert (BGH VersR 2004, 740). Die Klägerin hat also Anspruch auf- insoweit unbestrittene – 186,24 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Kammer Iässt die Revision zu, da die Frage, ob und ggf. unter welchen Umständen ein unterhalb des örtlichen Normaltarifs liegender vom Haftpflichtversicherer „angebotener“ Miettarif zu berücksichtigen ist, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist (vgl. BGH VersR 2009, 801) und sich diese Problematik in einer Vielzahl von Fällen stellt.
Soweit – ausführlich – das LG Nürnberg-Fürth.