Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
hier nun nachfolgend ein Urteil aus Bochum zur merkantilen Wertminderung. Dieses Thema ist und bleibt interessant, als diese Schadensposition auch dann anfällt, wenn das Fahrzeug vollständig und sachgerecht repariert worden ist. Die Wertminderung fällt auch dann an, wenn der Fahrzeugschaden fiktiv abgerechnet wird. Die Wertminderung ist auch dann geltend zu machen, wenn das Fahrzeug nicht veräußert wird, also das Fahrzeug nicht auf dem Gebrauchtwagenmarkt erscheint. Zu Recht hat sich die zuständige Amtsrichterin der 42. Zivilabteilung des AG Bochum auf das vorgelegte Privatgutachten des anerkannten Kfz-Sachverständigen R. gestützt. Schon der BGH hatte entschieden, dass einer sachverständigen Schätzung des Minderwertes gerubdsätzlich der Vorzug zu geben sei vor einer mathematischen Rechnungsmethode, weil alle Rechnungsmethoden zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, was schon fragwürdig erscheint. Lest das Urteil aber bitte selbst und gebt Eure Anmerkungen ab.
Viele Grüße und eine gute und erfolgreiche Woche wünscht Euch
Euer Willi Wacker
42 C 528/11 Verkündet am 02.05.2012
Amtsgericht Bochum
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
der Frau …
Klägerin
gegen
1. …
2. die Kravag-Logistic Versicherungs-AG, gesetzlich vertreten durch den Vorstand, dieser gesetzlich vertreten durch den Vorsitzenden, Herrn Norbert Rollinger, Voltastr 84, 60486 Frankfurt,
Beklagten,
hat das Amtsgericht Bochum
auf die mündliche Verhandlung vom 11.04.2012
durch die Richterin …
für Recht erkannt:
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt,
1.
an die Klägerin 780,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Beklagten zu 1) seit dem 16.12.2011, für die Beklagte zu 2) seit dem 19.12.2011 zu zahlen sowie
2.
die Klägerin von der Liquidation des Rechtsanwalts vom 17.06.2011, RE-Nr. … , über 961,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.06.2011 freizustellen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am xx. November 2010 um 13.28 Uhr auf dem Kurt-Schumacher-Platz Höhe Hauptbahnhof in Bochum ereignete.
Beteiligt waren der Kläger mit dem in seinem Eigentum stehenden PKW BMW, amtliches Kennzeichen … sowie der Beklagte zu 1) als Fahrer des PKW VW Polo mit dem amtlichen Kennzeichen … der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.
Der Unfallhergang sowie die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Klägerin ließ ihren PKW nach dem Verkehrsunfall in der KfZ-Werkstatt reparieren, Hierfür wandte sie Reparaturkosten in Höhe von 18.506,06 Euro auf.
Die Beklagte zu 2) hat den Schaden der Klägerin inzwischen überwiegend ausgeglichen.
Streit besteht zwischen den Parteien jedoch zum einen um die Verpflichtung der Beklagten die Kosten für vorgerichtliche Regulierung des Schadens bei der Kaskoversicherung zu übernehmen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte vorprozessual die entstandenen Haftpflichtschäden zunächst gegenüber der Beklagten zu 2) geltend gemacht. Nachdem nach Anmeldung des Schadens und diversen Zahlungsaufforderungen eine Abrechnung des Schadens unter Verweis auf die noch ungeklärte Haftungsfrage nicht erfolgte, rechnete der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die entsprechenden Schadensersatzansprüche gegenüber dem eigenen Kaskoversicher der Klägerin ab. Unter dem 17. Januar 2011 teilte der Kaskoversicherer Zahlung von 18.206,06 Euro mit.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellte für die Geltendmachung des Kaskoschadens 961,28 Euro in Rechnung (vgl. Blatt 62 der Akte) Er forderte die Beklagte zu 2) wiederholt, unter anderem auch am 27.06.2011, zur Begleichung der Rechnung auf.
Weiter streiten die Parteien um die Erstattung des merkantilen Minderwertes durch die unfallkausalen Schäden am klägerischen PKW. Ursprünglich hatte die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2) auf Grundlage eines Gutachtens des Kaskoversicherers vom 07 Dezember 2010 (Blatt 5 ff der Akte) eine merkantile Wertminderung in Höhe von 1.250,00 Euro geltend gemacht Hierauf zahlte die Beklagte zu 2) nach mehrmaliger Aufforderung insgesamt 920,00 Euro. Nach Verweigerung weiterer Zahlungen beauftragte die Klägerin den Sachverständigen Dipl.-Ing, R. . Dieser stellte mit Gutachten vom 26 Juni 2011 (Blatt 5 ff. der Akte) eine Wertminderung in Höhe von 1.700,00 Euro fest.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen,
1.
an sie 780,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.08.2011 zu zahlen sowie
2.
sie von der Liquidation des Rechtsanwalts vom 1706.2011, RE-Nr. … , über 961,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.06.2011 freizustellen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, die Wertminderung sei vollständig reguliert worden und nehmen Bezug auf vorgelegten Berechnungen der Beklagten zu 2) (Blatt 64 f. der Akte). Weiter sind sie der Ansicht, ein Anspruch auf Ausgleich der Rechtsanwaltskosten bestünde nicht.
Die Klage ist dem Beklagten zu 1) am 16. Dezember 2011, der Beklagten zu 2) am 19. Dezember 2011 zugestellt worden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung eines weiteren merkantilen Minderwertes in Höhe von 780,00 Euro gemäß §§ 7, 17 StVG, gegen die Beklagte zu 2) in Verbindung mit § 115 VG.
Das Gericht ist auf Grund der überzeugenden Ausführungen des Privatsachverständigen Dipl.-Ing. R. im Privatgutachten vom 26 Juli 2011 davon überzeugt, dass die unfallkausale Wertminderung des klägerischen PKW auf 1.700,00 Euro zu schätzen ist. Auf diesen gerechtfertigten Anspruch der Klägerin hat die Beklagte zu 2) bereits einen Betrag in Höhe von insgesamt 920,00 Euro geleistet, so dass der Klägerin noch ein Anspruch in Hohe der Klageforderung geltend machen kann.
Der von der Klägerin beauftragte Sachverständige ermittelte ausgehend von den tatsächlich angefallenen Reparaturkosten in Höhe von 18.506,06 Euro unter Berücksichtigung der erheblichen Beschädigungen durch das Unfallereignis den obigen Minderwert. Er erläutert im Gutachten nachvollziehbar und plausibel, dass dies der Betrag sei, um dem der Fahrzeugwert herabgesetzt werden müsste, damit das Unfallfahrzeug bei Unterstellung einer vollständigen und ordnungsgemäßen Reparatur am Gebrauchtwagenmarkt wieder gleichermaßen veräußerbar sein würde, wie ein vergleichbares unfallfreies Fahrzeug.
Das Gericht schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen an. Angesichts der zu berücksichtigenden Randbedingungen wie Fahrzeugtyp oder Baujahr sowie insbesondere der Tatsache, dass Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs an einem breit gefächerten Gebrauchtwagenmarkt noch in erheblichen Umfang gehandelt werden und daher von Interessenten ein besonders makelloser Zustand erwartet wird, erscheint der von dem Sachverständigen dargelegte Betrag dem Gericht nach Prüfung des Gutachtens schlüssig und plausibel dargelegt und berechnet. Der Sachverständige ist von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und hat die Konsequenzen logisch und widerspruchsfrei dargestellt. Dass dieses Fahrzeug durch einen Unfallschaden des vorliegenden Ausmaßes die merkantile Wertminderung in Höhe von 1.700,00 Euro erlitten hat, bezweifelt das Gericht daher nicht.
Das Gericht durfte seine Entscheidung auch auf das vorgelegte Privatgutachten stützen. Es bedurfte insbesondere nicht der Einholung eines Gerichtsgutachtens, um die zwischen den Parteien streitige Frage der Höhe des merkantilen Mindenwertes weiter aufzuklären. Grundsätzlich bestehen keine Bedenken gegen die Berücksichtigung von Privatgutachten (vgl. Zöller, 27. Auflage 2009, § 402 ZPO, Rn. 2, mwN). Da es sich jedoch nur um urkundlich belegten Parteivorbringen handelt, macht ein vorgelegtes Privatgutachten die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nur dann entbehrlich, wenn das Gericht das Privatgutachten für ausreichend hält, um die Beweisfrage zuverlässig zu beantworten (vgl. BGH, NJW 1982, 2874). Das ist dann der Fall, wenn das Gutachten einer kritischen Würdigung standhält und damit geeignet ist, tragfähige Grundlage richterlicher Überzeugung zu sein.
Dies ist – wie oben dargelegt – vorliegend der Fall. Die Beklagten haben die überzeugenden Feststellungen des Privatgutachters nicht substantiiert angegriffen, sondern sich darauf beschränkt, den ermittelten Minderwert der Höhe nach zu bestreiten. Auch die vorgelegten eigenen Berechnungen des Minderwertes durch die Beklagten zu 2) (vgl. Blatt 64 der Akte) können das Vertrauen in die durch das Privatgutachten vermittelte Sachkunde nicht erschüttern Die Berechnungsmodelle basieren auf Brutto-Reparaturkosten in Höhe von 13.858,31 Euro und einem unterstellten Wiederbeschaffungswert in Höhe von 14.900,00 Euro. Angesichts der unbestrittenen Tatsache, dass nach erfolgter Reparatur der Firma … vom 17. Dezember 2010 (Blatt 85 der Akte) Reparaturkosten in Höhe von 18.506,06 Euro angefallen sind, sind die Berechnungen der Beklagten zu 2) nicht nachvollziehbar und daher nicht geeignet, gegen die Ausführungen im Privatgutachten begründete Zweifel hervorzurufen. Weiter steht der Verwertung des Privatgutachtens nicht entgegen, dass das Gutachten des Kaskoversicherers der Klägerin vom 07. Dezember 2010 (Blatt 5 ff. der Akte) einen niedrigeren Minderwert von ca. 1.250,00 Euro ermittelt hat, da auch dieses nicht auf den tatsächlichen Reparaturkosten basierte.
Auch auf den Hinweis des Gerichts gemäß § 139 ZPO ist in der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2012, dass bislang keine erheblichen Einwendungen gegen das Privatgutachten vorgebracht worden seien und dies plausibel sei, ist kein weiterer Sachvortrag der Beklagten erfolgt.
Die Beklagten haben demgemäß keine Gründe vorgetragen, die einer Verwertung widersprechen würden.
Ein Anspruch auf Zinszahlung besteht gemäß § 288 BGB ab Rechtshängigkeit. Ein Zinsanspruch vor diesem Zeitpunkt ist von der Klägerin nicht dargelegt worden. Es ist nicht ersichtlich, wann nach Einholung des Privatgutachtens eine verzugsbegründende Mahnung erfolgt ist.
II.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten zudem einen Anspruch auf Freistellung von der Gebührenrechnung ihres Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Regulierung des Kaskoschadens gemäß §§7, 17 StVG, gegen die Beklagte zu 2) in Verbindung mit § 115 VVG.
Die Klageforderung ist schlüssig, insbesondere sind die Regulierung über die Kaskoversicherung sowie die Geltend machung von Schadensersatzansprüchen gegen den Versicherer des Schädigers unterschiedliche Angelegenheiten im Sinne des RVG. Es wird gegen verschiedene Anspruchsgegner vorgegangen, Des Weiteren werden gegenüber der Haftpflichtversicherung deliktische Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Die Haftung des Kaskoversicherers basiert auf vertraglicher Grundlage. Demgemäß liegen zwei selbstständige Gebührenangelegenheiten vor, die gesondert abzurechnen sind (vgl. Mayer/Kroiß, RVG. 5. Auflage 2012, Anh. 1, Rn. 463).
Daher sind die Anwaltskosten bei Verzug vom Haftpflichtversicherer zu übernehmen, soweit er – wie vorliegend unstreitig – dem Grunde nach haftet, da es sich um eine adäquate Schadensfolge handelt (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 5 Auflage 2012. Anh. 1, Rn. 463). Die Forderung ist der Höhe nach üblich und angemessen.
Die Beklagten haben bis auf das pauschale Bestreiten des Bestehens der Forderung keine erheblichen Einwendungen gegen die Forderung vorgebracht.
Der Anspruch auf Zinszahlung folgt aus §§ 286, 288 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Der Streitwert wird auf 1.741,28 Euro festgesetzt.
@ willi wacker,
..“Schon der BGH hatte entschieden, dass einer sachverständigen Schätzung des Minderwertes grundsätzlich der Vorzug zu geben sei vor einer mathematischen Rechnungsmethode, weil alle Rechnungsmethoden zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, was schon fragwürdig erscheint.“
ich habe gegenwärtig einen fall, in dem ich genau so wie der bgh argumentierte, wie in dem bgh-urteil ausgeführt wurde.
deshalb hätte ich gerne gewußt, in welchem verfahren der bgh so entschieden hatte.
danke im voraus
eberhard planner
Hallo Herr Planner,
ich habe jetzt sofort auch nicht die BGH-Entscheidung im Kopf, kann Sie aber auf Wortmann DS 2009, 253, 257 m.w.N. verweisen.
Mit freundl. Grüßen
Willi Wacker
BGH NJW1961,2253 = BGH Z 35,369
Jede Berechnungsmethode ist ungeeignet,denn sie muss die Situation auf dem Gebrauchtwagenmarkt unberücksichtigt lassen,die der Sachverständige aber kennt.
Oft nachgefragte,aber selten angebotene Fahrzeuge müssen eine niedrigere Wertminderung erhalten,als im umgekehrten Fall.
Die Auffassung von Herrn Planner ist Allgemeinwissen!
@Versicherungsanwalt
Dienstag, 15.05.2012 um 14:08
„Oft nachgefragte,aber selten angebotene Fahrzeuge müssen eine niedrigere Wertminderung erhalten,als im umgekehrten Fall…..Die Auffassung von Herrn Planner ist Allgemeinwissen!“
Ganz wichtig und nicht weniger wertminderungsbildend ist auch die Situation am Neuwagenmarkt, wo man schon aufgrund der Lieferzeiten, gesetzlicher Veränderungen überhaupt und bei der Besteuerung der Rabatte oder Hauspreise weis , wie sich der Gebrauchtwagenpreis entwickeln wird.
Prognose der Preisentwicklung nennt man so etwas, fragen Sie Herrn Planner, der weis das neben seinem Allgeminwissen.
@
„Ganz wichtig und nicht weniger wertminderungsbildend ist auch die Situation am Neuwagenmarkt, wo man schon aufgrund der Lieferzeiten, gesetzlicher Veränderungen überhaupt und bei der Besteuerung der Rabatte oder Hauspreise weis , wie sich der Gebrauchtwagenpreis entwickeln wird.“
so muss es heissen. Sorry
es ist nicht gemeint dass die Rabatte/Hauspreise besteuert werden .
Ganz wichtig und nicht weniger wertminderungsbildend ist auch die Situation am Neuwagenmarkt, wo man schon aufgrund der Lieferzeiten, gesetzlicher Veränderungen überhaupt, bei der Fahrzeugbesteuerung, sowie der gewährten Rabatte bzw. Hauspreise weis , wie sich der Gebrauchtwagenpreis entwickeln wird.