LG Dresden weist Berufung der beteiligten Versicherung gegen Verurteilung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten zurück (4 S 121/09 vom 20.11.2009)

Mit Urteil vom 20.11.2009 (4 S 121/09) hat das LG Dresden die Berufung der beteiligten Versicherung gegen das Urteil des AG Meißen vom 19.03.2009 (4 C 1420/08), mit der diese zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.041,60 € zzgl. Zinsen verurteilt wurde,  zurückgewiesen. Das Gericht hat die Anwendung der Schwacke-Liste bestätigt ebenso wie die Ablehnung der Fraunhofer Tabelle. Weiter spricht das Gericht den Geschädigten von einer Verpflichtung zur Annahme von Mietwagenangeboten durch die gegnerischen Haftpflichtversicherung frei.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Das Amtsgericht hat zu Recht der Klägerin weitere Mietwagenkosten in Höhe von 1.041,60 EUR zuerkannt.

Dabei hat es den Tagespreis von 99,- EUR brutto des Normaltarifs des Modus des Schwacke-Automietpreisspiegels 2007 für das Postleitzahlengebiet 016, in dem die Anmietung er­folgt ist, zugrunde gelegt. Es ist nicht zu beanstanden, auf diese Weise den nach § 249 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand hinsichtlich der Mietwagenkosten zu ermitteln. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Klägerin auch nicht auf die günstigere Anmietmöglichkeit im Schreiben der Beklagten vom 23.05.2008 zu verweisen.

a)  Die Klägerin hat nicht dadurch gegen ihre Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB ver­stoßen, dass sie nicht auf das Angebot der Beklagten in deren Schreiben vom 23.05.2008 ein­ gegangen ist. Dabei kann dahinstehen, ob dieses Schreiben die Klägerin noch vor der Anmietung am 26.05.2008 erreicht hat. Gleiches gilt für das von der Beklagten behauptete Telefon­gespräch ihres Mitarbeiters X. mit der Klägerin, indem er diese am xx.xx.2008 noch vor erfolgter Anmietung auf das günstigere Angebot hingewiesen haben will.

Zum einen ist in diesem Schreiben keine konkrete örtliche Anmietstation genannt. Zum ande­ren ist der von der Beklagten pauschal angeführte Tarif für die Anmietung eines gleichwertigen Fahrzeuges zu einem Tagespreis von brutto 38,- EUR offensichtlich davon abhängig, dass sich die Klägerin der Vermittlungsdienste der Beklagten bedient, was diese in ihrem Schreiben auch ausdrücklich anbietet.

Auf eine derartige Direktvermittlung braucht sich der Unfallgegner nicht einzulassen. Eine Direktvermittlung durch die Beklagte würde nämlich dazu führen, dass sich der Geschädigte oh­ne vorbehaltlose Regulierungszusage „in die Hände“ des Unfallgegners bzw. seines Haft-Pflichtversicherers begibt. Darin liegt die Gefahr, dass bei der Schadensregulierung im Übri­gen wegen des Entgegenkommens und der Inanspruchnahme des Schadensservice versucht werden könnte, Einfluss auf den Geschädigten zu nehmen.

Nach dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes ist der Geschädigte Herr des Restituti­onsgeschehens. Deshalb darf ihm nicht aufgezwungen werden, wo, bei wem und zu welchen Konditionen er einen Mietwagen anmietet (vgl. BGH, Urteil vom 30.11.1999, Az.: VI ZR 219/98, Rn, 26, zitiert nach Juris).

b)  Bei der Ermittlung der nach § 249 BGB erforderlichen Mietwagenkosten konnte das Amts­gericht im Rahmen seines gemäß § 287 ZPO eingeräumten tatrichterlichen Ermessens auf den Schwacke-Automietpreisspiegel 2007 als Schätzgrundlage zurückgreifen.

Die Eignung von Listen und Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden kön­nen, bedarf nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass gel­tend gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH, Urteil vom 11.03.2008, Az.: VI ZR 164/07, Leitsatz 1, zitiert nach Juris). Die Schadenshöhe darf nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden Es ist jedoch nicht Sache des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nachzugehen.

aa) Soweit die Beklagte auf den „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ des Fraun­hofer Institutes Arbeitswirtschaft und Organisation verweist, ist zu berücksichtigen, dass sich diese Erhebung zu einem Großteil auf sog. „Internetpreise“ stützt und damit mindestens teil­weise Tarife erfaßt, die eine Vorbuchzeit voraussetzen, was bei sog. „Vor-Ort-Tarifen“ regel­mäßig nicht der Fall ist. Darüber hinaus weist der „Fraunhofer Marktpreisspiegel“ selbst darauf hin, dass die Datenbereitstellung der Studie ohne Anspruch auf Richtigkeit, Aktualität und Voll­ständigkeit erfolgt ist. Des weiteren ist festzustellen, dass dieser Marktpreisspiegel Durch­schnittspreise für sehr viel weiträumigere Postleitzahlengebiete zusammenfaßt, als dies bei der Schwacke-Liste 2007 der Fall ist, die nach den ersten drei Ziffern differenziert. Daraus folgt, dass vorliegend mit dem Verweis auf den „Fraunhofer Mietpreisspiegel“ keine tauglichen Tatsachen für Mängel der konkret entscheidenden Schätzgrundlage aufgezeigt werden (LG Dresden, Urteil vom 08.10.2008, Az.: 4 S 247/08).

bb) Das von der Beklagten vorgelegte Gutachten des Ingenieurbüros XXX vom 30.07.2007 betrifft nur den Raum Chemnitz. Ohne konkrete Zahlen aus dem Bereich Dresden/Meißen ist es auf diesen Raum nicht übertragbar.

Gleiches gilt auch für das DEKRA-Gutachten vom 05.06.2009 (Anlage BK 1), das lediglich den Postleitzahlenbereich 02625 Bautzen betrifft.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 11.03.2009, a.a.O.) muss sich der Tatrichter nicht mit allgemein gehaltenen Angriffen gegen die Schätzgrundlage auseinander­setzen.

2. Das Amtsgericht hat der Klägerin zu Recht keinen über den Normaltarif hinausgehenden pauschalen Aufschlag wegen unfallbedingter Mehrleistungen zugebilligt.

a) Die von der Streithelferin vorgelegte Mietpreiskalkulation sowie die allgemeine Auflistung der für einen höheren Unfallersatztarif sprechenden Gesichtspunkte sind nicht geeignet, die be­triebswirtschaftliche Notwendigkeit eines Aufschlags auf den Normaltarif im konkreten Fall zu begründen. Hinzu kommt, dass aufgrund der erfolgten Reservierung keine typische Anmietsituation nach einem Unfall vorliegt.

b) Es kann nicht festgestellt werden, dass der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer individuel­len Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für sie bestehenden Schwierigkei­ten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in ihrer Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2005, NJW 2005, 1933 ff.).

Der bei Abschluss des Mietvertrages der Klägerin von der Streithelferin angebote Tagespreis von 115,- EUR netto liegt knapp 40 % über dem vom Amtsgericht zugebilligten Modus des Normaltarifs der Schwacke-Liste 2007. Im Übrigen übersteigt er ausweislich des vorgelegten Fragebogens zur Mietwagennutzung vom 26.05.2008 auch die dort angebenen Mietpreise von zwei anderen Autovermietern. Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin nach ihren eige­nen Angaben im Fragebogen über einen Zugang zum Internet verfügte und die Anmietung nicht in einer Eil- oder Notsituation, sondern erst 4 Tage nach dem Unfall erfolgte, war es für die Klägerin zumutbar, sich anderweitig nach günstigeren Tarifen zu erkundigen.

Danach verbleibt es bei dem vom Amtsgericht zuerkannten Tagespreis von 99,- EUR brutto.

….

Die Revision war nicht zuzulassen. Denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeu­tung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichtes zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO). Eine Abwei­chung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt nicht vor, vielmehr ist diese auf den vorliegenden Einzelfall angewandt worden.

Soweit das LG Dresden.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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Eine Antwort zu LG Dresden weist Berufung der beteiligten Versicherung gegen Verurteilung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten zurück (4 S 121/09 vom 20.11.2009)

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Babelfisch,
    das Berufungsurteil des LG Dresden überzeugt besonders hinsichtlich der Ausführungen des Gerichtes zur Schadensgeringhaltungspflicht des Geschädigten gem. § 254 BGB bei der Anmietung des Ersatzfahrzeuges bezüglich der Vermittlungsangebote des Haftpflichtversicherers des Schädigers (vgl. Absatz 1 a) der Urteilsbegründung).
    Mit freundl. koll. Grüßen
    Willi Wacker

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