Mit Urteil vom 26.11.2009 (102 C 78/09) hat das AG Kerpen die DEVK Allgemeine Versicherungs-AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 539,19 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht wendet die Schwacke-Liste an und lehnt die Anwendung der Fraunhofer Tabelle ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist vollumfänglich begründet.
Der Klägerin steht über die bereits erhaltene Summe hinaus ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 5391,19 € gemäß §§ 7, 17,18 StVG, Art. 1 Abs. 1 EGWG i. V. m. § 3 Nr. 1 PflVG a. F./§ 115 VVG n. F. sowie § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V, m. §§ 398, 535 Abs. 2 BGB zu.
Die Klägerin ist aufgrund der Abtretungsvereinbarung vom 23.10.2008 aktivlegitimiert. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
Die Beklagte hat als Haftpflichtversicherung des Schädigers den nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand zu ersetzen. Dazu zählen auch die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs für die Dauer der Reparatur des Unfallfahrzeugs beziehungsweise der Ersatzbeschaffung (OLG Köln, Urt v. 2.3.2007 -19 U 181/06 = NZV 2007, 199 ff).
Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (st. Rspr. BGH, vgl. Beschl. v. 13.01.2009 –VI ZR 134/08 – Schaden-Praxis 2009, 147 m. w. N.). Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann.
Dieser Mietpreis kann durch den Richter gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage des so genannten gewichteten Normaltarifs nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel für das jeweilige Postleitzahlengebiet des Geschädigten geschätzt werden (BGH, Urteil v. 4.7.2006 – VI ZR 237/05, BGH NJW 2006, 2693 ff; Urteil v. 9.10.2007 – VI ZR 27/07, BGH NJW 2007, 3782 = Juris, Rdn. 8). Das Gericht sieht trotz des Vortrags der Beklagten keine Veranlassung, von der insoweit bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen, wonach der Schwacke-Automietpreisspiegel als eine geeignete Schätzgrundlage anerkannt ist. Der BGH hat erst durch Urteil vom 11. März 2008 (Aktenzeichen VI ZR 164/07 – NJW 2008, 1519; vgl. auch BGH, Beschl. v. 13.01.2009 – VI ZR 134/08 = Schaden-Praxis 2009, 170) bestätigt, dass die Schwacke-Liste als Schätzungsgrundlage herangezogen werden kann, obwohl in der Praxis wiederholt Angriffe gegen sie vorgebracht wurden. Eine weitere Marktbetrachtung und -analyse war auch deshalb nicht angezeigt, weil das Gericht aufgrund des ihm durch § 287 ZPO eingeräumten Ermessens berechtigt war, allein auf den Schwacke-Automietpreisspiegel abzustellen.
Zu berücksichtigen ist zunächst, dass die Schadensschätzung im Rahmen von § 287 ZPO dem Tatrichter ein besonders freies Ermessen einräumt, wodurch auch dem Gesichtspunkt der Praktikabilität Rechnung getragen werden soll. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 11.3.2008 –VI ZR 164/07, a. a. O.), der sich das Gericht anschließt, bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können (speziell der Schwacke-Liste), daher nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachte Mängel auf den zu entscheidenden Fall ausgewirkt haben. Gelingt einer Partei, diese Mängel konkret aufzuzeigen, ist es dem Richter nicht verwehrt, sich diesen Bedenken anzuschließen und eine andere Schätzgrundlage heranzuziehen (BGH, Urt. v. 14.10.2008 – VI ZR 308/07 = NJW 2009, 58).
Erhebliche Tatsachen mit konkretem Bezug zum Rechtsstreit, die Zweifel an der Eignung der Schwacke-Liste wecken, sind indes nicht von der Beklagten aufgezeigt worden. Dass die Erhebung des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation mit dem Titel „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008″ zu anderen Ergebnissen gelangt und ihr deswegen der Vorzug zu geben sei, genügt aus Sicht des Gerichts in Kenntnis anderweitiger obergerichtlicher Rechtsprechung allein nicht, um – derzeit – durchgreifende Zweifel an der Nutzbarkeit der Schwacke-Liste zu begründen. Letztlich wird nicht anhand eines konkreten Beispiels durch die Beklagtenseite aufgezeigt, dass die von ihr gerügten Mängel der Schwacke-Liste sich auf den hier interessierenden Schätzpreis ausgewirkt haben. Allein mit den Unterschieden im Preis kann es nicht getan sein, denn andernfalls wäre die Schätzgrundlage stets in Frage gestellt, sobald eine andere Erhebung zu einem anderen Preis kommt. Es ist vielmehr notwendig, auf andere Weise konkret zu belegen, dass die hier angegriffene Schätzgrundlage nicht zur Anwendung taugt. Dies kann zum Beispiel durch Vorlage entsprechender Angebote anderer Autovermieter geschehen, die in zeitlicher Nähe zum Unfall erstellt wurden. Entsprechende Darlegungen fehlen allerdings im zu entscheidenden Fall gänzlich.
Die von der Beklagten vorgetragenen allgemeinen Bedenken im Hinblick auf die Repräsentanz der der Schwacke Liste zugrunde liegenden Erhebungen teilt das Gericht im Übrigen nicht. Zwar ist diese Liste derzeit nicht unumstritten, dennoch ist -wie bislang auch – die jeweils im Zeitpunkt des Schadensfalles geltende Schwacke-Liste als Grundlage der Schätzung der Mietwagenkosten heranzuziehen. Es ist nicht ersichtlich, dass die von den Versicherern in Auftrag gegebene Untersuchung des Fraunhofer-Instituts auf überzeugendere Weise zu verlässlicheren Schätzungsgrundlagen gekommen ist. Soweit ersichtlich, vertritt im Bezirk des OLG Köln bislang nur der 6. Senat des OLG Köln eine andere Auffassung (z. B. Urt. v. 10.10.2008 – 6 U 115/08, a. A.: OLG Köln, Urt. v. 18.03.2008 – 15 U 145/07 – Schaden-Praxis 2008, 545; Beschl. v. 15.07.2008 – 4 U 1/08 = Juris; Urt. v. 03.03.2009 – 24 U 6/08 = NZV 2009, 447; Urt. v. 11.02.2009 – 2 U 102/08 = NRWE (online); Beschl. v. 20.04.2009 – 13 U 6/09, n. v.; Urt. v. 12.05.2009 – 11 U 219/08, n. v.; vgl. a. LG Köln, Urt. v. 19.08.2009 – 13 S 59/09, n. v.), wobei das der Senat in diesem Urteil dem vom Frauenhofer-Institut entwickelten „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008″ nicht den generellen Vorzug einräumt, sondern lediglich ein Schätzung auf diese Grundlage auch für möglich erachtet. Die Beklagte hatte nach Ansicht des Senats substantiierte und – in der im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu fordernden Weise – auf die konkreten Schadenfälle bezogene Einwendungen vorgebracht, welche geeignet erschienen, Bedenken gegen die Heranziehung der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage in den dort streitgegenständlichen 12 Einzelfällen zu wecken. Zur Begründung weist der Senat im Wesentlichen darauf hin, dass die Recherchen bei den Autovermietern ohne Offenlegung des Zwecks der Abfrage durchgeführt worden und zu durchgehend niedrigeren Werten gekommen seien.
Die Gründe sind allerdings nicht so überzeugend, dass sie zur Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung mit Anlehnung an die Schwacke-Liste nötigen. Denn entscheidend für die richterliche Schätzung mit Anlehnung an die Schwacke-Liste spricht, dass die Untersuchungen mit Differenzierung nach zwei Ziffern der PLZ bei dem vom Frauenhofer-Institut entwickelten „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008″ bei weitem nicht so breit gestreut waren, wie sie es bei den nach drei PLZ-Gebieten strukturierten Ermittlungen von Schwacke sind. Das Argument, dass für eine derart engmaschige Untersuchung zu wenige Daten zu ermitteln seien, und daher die Untersuchungen zur SchwackeListe nicht transparent genug seien, überzeugt das Gericht nicht. Denn Preise bestimmen sich durch Angebot und Nachfrage. Auch wenn also eine bestimmte Datendichte nicht gegeben ist, kann der Preis abweichen. So kann davon ausgegangen werden, dass ländlichen Gebieten die Nachfrage geringer ist als in Ballungsräumen und daher die Kosten zur Bereithaltung für Unfallersatzfahrzeuge deutlich höher sind, sodass auch die Miete teurer ist, als in Ballungsgebieten. Diesem Umstand trägt aber die Schwacke-Liste mit der nach drei PLZ-Gebieten strukturierten Ermittlungen Rechnung. Darüber hinaus geben die Fraunhofer-Untersuchungen zum weit überwiegenden Teil nur Auskunft über 6 Internetanbieter. Dass diese auch 2/3 des Marktes darstellen mögen, ändert nicht, dass gerade diese Internetanbieter mit ihren Preisen nicht jedermann zugänglich sind und den Geschädigten im Regelfall auch keine Verpflichtung trifft, sich über das Internet einen Preisüberblick zu verschaffen.
Grundsätzliche Kritik an der Auffassung der Beklagtenseite scheint angebracht, soweit der Schwacke-Liste vorgehalten wird, dass deren Daten in Kenntnis der Befragten vom Untersuchungszweck von den Autovermietern abgefragt wurden. Es mag sein, dass der menschlichen Versuchung und Raffgier weniger Spielraum geboten wird, wenn die Preisnachfrage anonym erfolgt. Gleichwohl kann damit nicht jede nicht anonym erhobene Studie aus diesem Grund disqualifiziert und von vornherein als untauglich abgetan werden. Einerseits ist dies keine Methode, die nur bei der Erstellung der Schwacke-Liste Anwendung finden würde. Auch andere namhafte Testinstitute kündigen nach Kenntnis des Gerichts Testdurchführungen zuvor an, ohne dass dadurch deren Legitimität in Zweifel gezogen würde. Zudem – und entscheidend – stellt diese Argumentationsweise den Befragten grundsätzlich unter den Generalverdacht, zum eigenen Vorteil die eigenen Preise falsch angegeben zu haben. Dies mag im Einzelfall zutreffen; dass hierdurch signfikante Änderungen in der Schwacke-Liste auftraten, hält das Gericht nicht für erwiesen. Die Beklagtenseite beruft sich hierzu auch nur auf eine allgemeine Vermutung; einen einzigen Fall, in dem ein Autovermieter so unredlich vorgegangen sei, legt sie nicht dar. Aus diesem Grund ist auch nicht ersichtlich, dass den Preisen, die Schwacke von Mietwagenorganisationen nach dem Vortrag der Beklagtenseite ungeprüft übernommen hat, nicht zu vertrauen sei. Auch hier fehlt es an konkretem Vortrag, dass diese Preise nicht zutreffend erstellt wurden.
Geeigneter Anknüpfungspunkt für die Ermittlung eines angemessenen Normaltarifs bleibt deshalb – noch – der Schwacke-Automietpreisspiegel für das jeweilige Postleitzahlengebiet.
Unter Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze ergibt sich im Einzelnen auf der Grundlage der Schwackeliste 2008 folgende Rechnung. Bei dem Fahrzeug der Klägerin handelt es sich um ein Fahrzeug des Typs Volvo V 50, der sowohl in der Schwackeerhebung 2006 als auch in der für das Jahr 2008 in der Klasse 6 geführt wird. Zugrunde zu legen war unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen der Klägerseite die Abrechnung für ein klassentieferes Fahrzeug der Klasse 5. Dies ergibt;
1 x Wochenpauschale á 544,50 € = 544,50 €,
2 x Tages-Pauschale á 99,00 € 198,00 €,
Kaskoschutz insgesamt 207,00 €,
19% Mehrwertsteuer 180.41 €
Zwischensumme 1.129,91 €,
abzüglich geleisteter Zahlung – 493,41 €,
Zwischensumme 636,50 €,
Kappung gemäß § 308 ZPO auf 539.19 €.
Gesamt 539.19 €.
Soweit – ohne dass es nach der obigen Berechnung noch darauf ankäme – die Klägerin die Kosten der Zustellung und Abholung (pauschal) verlangt, fehlt es hierfür an konkretem Tatsachenvortrag. Es ist nicht ersichtlich, dass die Geschädigte auf die Zustellung/Abholung des Fahrzeugs angewiesen war, nachdem sich der Unfall in K. ereignete und das Fahrzeug auch in K. angemietet wurde. Für die Abholung gilt entsprechendes. Die Zustellkosten sind keine selbstverständliche ersatzfähige Position; soweit sie im Einzelfall geltend gemacht werden, bedarf es hierfür konkreten Tatsachenvortrages. Dieser fehlt vorliegend.
Die Berufung wird nicht zugelassen. Diese ist nicht im Sinn der Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die interessierende Rechtsfrage, unter welchen Gesichtspunkten die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage der Überprüfung bedarf, ist spätestens mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.03.2008 – VI ZR 164/07, a. a. 0. – entschieden. Soweit die Gerichte hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten, rührt dies aus den Umständen der Einzelfälle her, ob die entscheidenden Gerichte den Vortrag der Gegenseite hinsichtlich der Tauglichkeit der Schwacke-Liste als zureichend ansahen, ohne dass hierdurch die Rechtsfrage abweichend beurteilt worden wäre. Insoweit geht auch die Bedeutung des zu entscheidenden Falles nicht über diesen hinaus.
Soweit das AG Kerpen.