Das AG Nürnberg verurteilt die HUK Coburg zur Erstattung weiterer Mietwagenkosten und des restlichen Sachverständigenhonars (22 C 5907/09 vom 14.12.2009)

Mit Entscheidung vom 14.12.2009 (22 C 5907/09) hat das Amtsgericht Nürnberg die HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG dazu verurteilt, weitere Mietwagenkosten und die gekürzten Sachverständigenkosten zu erstatten. Das Gericht wendet die Schacke-Liste an und lehnt die Fraunhofer-Erhebung ab. Im Rahmen der Mietwagenkosten wurden auch die Kosten für Winterreifen, Haftungsbefreiung sowie Zustellung bzw. Abholung zugesprochen.

Aus den Gründen:

ENDURTEIL

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.571,82 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.4.2009 sowie 61,88 EUR vorgerichtliche Kosten zu bezahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.571,82 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Am 27.2.2009 kam es zwischen dem Kläger und dem Versicherungsnehmer der Beklagten zu einem Verkehrsunfall. Die alleinige Haftung aus diesem Unfall trägt der Versicherungsnehmer der Beklagten. Aufgrund dieses Unfalles sind am klägerischen Fahrzeug Schäden entstanden. Der Kläger beauftragte das Sachverständigenbüro C. mit der Erstellung eines Gutachtens zur Ermittlung der Schadenshöhe. Für dieses Gutachten wurden dem Kläger 1.571,82 EUR in Rechnung gestellt.

Am 2.3.2009 fand zwischen dem Kläger und einem Mitarbeiter der Beklagten ein Telefonat statt. Hierbei wurde über die Mietwagenproblematik gesprochen und der Kläger darauf hingewiesen, dass sein PKW in die Klasse 8 einzustufen sei. Während der Zeit der Reparatur des Pkws mietete der Kläger zunächst vom 5.3.2009 bis zum 6.3.2009 einen Mercedes E 220 CDI und vom 6.3.2009 bis zum 20.3.2009 einen Mercedes E 200 T. Hierfür wurden ihm Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 2.661,88 EUR in Rechnung gestellt. Die Beklagte bezahlte auf die Gutachterkosten 981,16 EUR und auf die Mietwagenkosten 1.218,56 EUR. Mit Schreiben vom 3.4.2009 setzte der Kläger der Beklagten eine Frist zur Zahlung bis 9.4.2009.

Der Kläger behauptet, dass ihm bei dem Telefonat am 2.3.2009 lediglich mitgeteilt worden sei, dass sein Fahrzeug nicht mehr als 68 EUR pro Tag kosten dürfe. Dem Kläger wurde von einem Mitarbeiter der Beklagten jedoch nicht die Fa.  als Mietwagenfirma genannt.

Der Kläger beantragt:

I.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 1.571,82 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Zinszinssatz seit dem 29.4.2009 sowie 61,88 EUR vorgerichtliche Kosten zu bezahlen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen,

Die Beklagte behauptet, dass in dem Telefonat dem Kläger gegenüber mitgeteilt worden sei, dass ein Mietwagen über die Fa. …  zu einem Tagespreis von 64 EUR inkl. aller Nebenkosten angeboten werden könne.

Sie ist daher der Ansicht, dass der Kläger dieses Angebot hätte berücksichtigen müssen und im Hinblick auf die Erforderlichkeit nach § 249 S. 2 BGB nun darüber hinaus gehende Mietwagenkosten nicht verlangen könne. Zudem seien die Gutachterkosten nicht vollumfänglich erstattungsfähig, da sie überhöht seien.

Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2009 verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einvernahme des Zeugen … . Bezüglich dessen Aussage wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23.11.2009 verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten sowohl die restlichen Mietwagenkosten, als auch die restlichen Gutachterkosten gemäß § 249 BGB in Höhe von 1.571, 82 EUR erstattet verlangen.

1.
Die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges sind gemäß § 249 Abs. 2 S. 1  BGB ersatzfähig, wenn und soweit sie zum erforderlichen Herstellungsaufwand gehören. Maßstab für die Erforderlichkeit ist, ob ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten die Kosten für die Anmietung für zweckmäßig und erforderlich halten darf.

Das Gericht schätzt die erforderlichen Mietwagenkosten nach § .287 ZPO auf Basis der Schwacke-Mietpreisliste 2008 des zugrundeliegenden Postleitzahlengebietes 907. Dabei ergibt sich unter Zugrundelegung des Modustarifes und der maßgeblichen Parameter (Klasse 8, 16 Tage) folgende-Berechnung:

2x Wochenpauschale                                                                1.639,00 EUR

2 x Tagespausschale                                                                   298,00 EUR

Abzügl. 3% Eigenersparnis                                                         –  58,11 EUR
___________
1.878,89 EUR

Haftungsbefreiung 2 Wochen                                                       312,00 EUR

Haftungsbefreiung 2 Tage                                                              52,00 EUR

Zustellung/Abholung                                                                       50,00 EUR

Winterreifen für 16 Tage                                                               240,00 EUR
___________
2.532,89 EUR

Abzügl. gezahlter                                                                    –  1.216,56 EUR

Rest                                                                                          1.314,33 EUR

Mehr als der eingeklagte Betrag konnte nicht zugesprochen werden (308 ZPO).

2.
Das Gericht schätzt nach der Schwackemietpreisliste 2008. Dies stellt eine geeignete Schätzgrundlage dar. Die hiergegen vorgebrachten Einwände überzeugen nicht.

Die Fraunhofer-Liste ist nicht am örtlich relevanten Markt erhoben. Die Auffassung einiger Gerichte (wie beispielsweise das Oberlandesgericht München im Urteil vom 25.07.2008) kann diesseits nicht geteilt werden. Basis einer Schätzgrundlage ist der örtlich relevante Markt. Die Fraunhofer-Liste enthält im einstelligen Postleitzahlenbereich weite Gebiete der Bundesländer Bayern, Thüringen und Baden-Württemberg. Der 2-stellige Postleitzahlenbereich ist ein Sondermarkt, da er im Internet erhoben wurde. Auf diesen Sondermarkt „Internet“ muss sich der Geschädigte nicht verweisen lassen (st. Respr. vgl. BGH Urteil vom 10.07.2007, Az VI ZR 217/06, Rn. 9 nach juris = NJW 2007, Seite 2918 ff zur Restwertproblematik). Zudem wurden weniger örtliche Anbieter, im Vergleich zur Schwacke-Mietpreisliste, berücksichtigt. Dem Gericht ist aus zahlreichen Verfahren bekannt, dass alleine im Raum Nürnberg-Fürth-Erlangen die örtlichen Mietpreise erheblich differieren. Wie in einer Liste, welche drei Bundesländer umfasst, ein örtlich relevanter Markt dargestellt werden kann, lässt sich hieraus nicht erschließen; hierzu nimmt auch nicht das oben zitierte Urteil des Oberlandesgerichtes München Stellung.

Auch eine Schätzung auf Basis der Liste nach Zinn kann nicht erfolgen. Auch diese Untersuchung trifft nicht den örtlich relevanten Markt. Die einschlägige Gruppe „Süd“ umfasst neben dem Postleitzahlenbereich 90 bis 96   auch   die   Postleitzahlenbereiche 8 und 7. Bezüglich den   Erfordernissen der Schätzgrundlage an dem örtlich relevanten Markt wird auf oben Gesagtes zur Fraunhofer-Liste verwiesen.

Auch das Gutachten von Professor Klein erschüttert die Schwacke-Mietpreisliste nicht als Schätzgrundlage. Dieses Gutachten ist zur Schwackeliste 2006 erhoben. Überdies kommt das Gutachten nicht zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Schwackeliste 2006 als Schätzgrundlage unbrauchbar ist; so wird sogar ausgeführt, dass sich die methodische Erhebung im Vergleich zur Vorliste (Schwackeliste 2003) verbessert hat. Vorliegend ist eine neuere Schwackeliste anwendbar. Allein schon aus diesem Grunde ist hier das Gutachten des Professors Klein unbehelflich.

Abschließend ist auszuführen, dass die Schwacke-Mietpreisliste, nach Auffassung des Gerichts, eine tatrichterliche Schätzgrundlage (§ 287 ZPO) darstellt. Die von der beklagten Partei vorgebrachten Argumente gegen diese Schätzgrundlage überzeugen das Gericht nicht. Somit wird auf Basis der jeweiligen Liste nach Schwacke zum Anmietzeitraum geschätzt.

3.
Der Einwand der Beklagten, dass weitere Mietwagenkosten nicht erforderlich i.S. des § 249 BGB seien, wenn der Unfallgeschädigte einen Wagen zu einem höheren Tagespreis mietete, obwohl ihm von der Beklagten ein Mietwagen zu einem geringeren Tagespreis angeboten wurde, kann vorliegend aufgrund der Rechtsprechung des Landgerichts Nürnberg-Fürth nicht (Urteil vom 6.5.2009, 8 S 735/09) durchgreifen. Ein solches Angebot der Beklagten war bereits aufgrund fehlender Spezifizierung nicht annahmefähig. So muss ein annahmefähiges Angebot nach dieser Rechtsprechung bestimmt sein, dass es zumindest die wesentlichen Vertragsbestandteile enthält und somit die Annahme durch ein einfaches „Ja“ erfolgen kann. Vorliegend hat die Beklagte zwar unstreitig einen Tagespreis genannt, wobei sich insoweit die Wiedergabe des Klägers, der einen Betrag von 68 EUR und die Aussage des Zeugen … , des Mitarbeiters der Beklagten, der einen Preis von 64 EUR nennt, unterscheiden. Die Beweisaufnahme konnte jedoch nicht ergeben, dass weitere Details, insbesondere die Mietwagenfirma, sowie weitere Vertragsbedingungen genannt worden sind. Insoweit widersprechen sich die Aussagen der am Telefonat beteiligten Personen, nämlich des Klägers und des Zeugen … .

Das Gericht ist von der Richtigkeit bzw. Unwahrheit der einen oder anderen Darstellung nicht überzeugt, sodass nach Beweislast zu entscheiden war.

Nach alledem hat der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Mietwagenküsten in oben genannter Höhe.

II.

Darüber hinaus kann der Kläger von der Beklagten die restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 279,71 EUR erstattet verlangen. Diese Kosten zählen gemäß § 249 BGB 2um erforderlichen Herstellungsaufwand und waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Klägers erforderlich. Die Unfallfahrzeugbegutachtung dient der Wiederherstellung des Fahrzeuges, welche der Geschädigte verlangen kann (vg. BGH NJW RR 1989,956). Sachverständigenkosten sind nur dann ausnahmsweise nicht erstattungsfähig, wenn ein sog. Bagatellschadensfall vorliegt, oder wenn dem Geschädigten ein Auswahlverschulden bezüglich des Kfz-Sachverständigen trifft, oder wenn der Geschädigte die Unrichtigkeit des Sachverständigengutachtens selbst herbeigeführt hat. Um eine derartige Fallkonstellation handelt es sich vorliegend nicht. Die Höhe des vom Sachverständigen für sein Gutachten in Rechnung gestellte Vergütung allein kann grundsätzlich kein Auswahlverschulden des Klägers begründen, weil die Höhe der Sachverständigenvergütung der Sache nach ungeeignet ist, als Qualitätsmaßstab für das Gutachten und damit für den Gutachten zu dienen, zumal der Geschädigte grundsätzlich berechtigt ist, den Gutachter seines Vertrauens hinzuziehen. Im Einklang mit dem schadensrechtlichen Grundsatz, wonach die Art und Weise der Schadensbeseitigung grundsätzlich in der Dispositionsfreiheit des Geschädigten liegt, ist es allgemeine Meinung in der Rechtsprechung, dass der Schädiger dem Geschädigten die Kosten des Gutachtens selbst dann in voller Höhe erstatten muss,. wenn sie überhöht sind. Der nach dem Unfall zugezogene Sachverständige ist nämlich nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten (vgl. OLG Hamm in DAR 1997 275). Im Verhältnis zum Schädiger ist es auch nicht Aufgabe des Geschädigten, Preisvergleiche anzustellen und den billigsten Sachverständigen zu ermitteln (vgl. LG Hagen in NZV 2003, 337). Das Risiko eines überteuerten Gutachtens tragen allein der Schädiger und dessen Versicherung, nicht jedoch der Geschädigte (AG Berlin Mitte in DAR 2002, 459). Der Anspruch besteht daher in oben genannter Höhe.

Die Zinsentscheidung beruht aus §§ 286, 288 BGB.

III.

Darüber   hinaus    hat   der   Kläger   einen   Anspruch   auf   Erstattung   der vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 61.88 EUR.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1. ZPO.

V.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Urteilsliste “Mietwagenkosten u. SV-Honorar” zum Download >>>>>

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3 Antworten zu Das AG Nürnberg verurteilt die HUK Coburg zur Erstattung weiterer Mietwagenkosten und des restlichen Sachverständigenhonars (22 C 5907/09 vom 14.12.2009)

  1. Glöckchen sagt:

    Bravo
    sauber begründetes Urteil!
    Und das Gericht kommt völlig zurecht ganz ohne BVSK-Vergleich aus!
    BVSK-HUK-Sonderkonditionen sind ja seit BGH v. 20.10.2009 VI ZR 53/09 als Erforderlichkeitsmassstab ungeeignet.
    Klingelingelingelts?

  2. Willi Wacker sagt:

    Hallo Glöckchen,
    nicht nur hinsichtlich der restlichen Sachverständigenkosten überzeugt das Urteil, sondern auch hinsichtlich der restlichen Mietwagenkosten.
    Bei Sachverständigenkostenprozessen bin ich auch Deiner Meinung, dass mit der BGH-Entscheidung vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09 – ( demnächst auch im „Der Sachverständige“ veröffentlicht und mit Anmerkung versehen ) der Verweis auf jedwede Sondervereinbarung mit dem eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer nicht mehr Maßstab zur Schadensregulierung ist. Dies gilt für Restwertangebote, dies gilt für spezielle Anmietangebote und das gilt bei dem Verweis auf spezielle Honorarvereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer, wie z.B. die BVSK/HUK-Coburg Honorarvereinbarung.

    Ich habe das Klingeln deutlich vernommen. Es ist vermutlich das Totenglöckchen bezüglich der BVSK/HUK-Coburg-Honorar-Sondervereinbarung. Diese Vereinbarung, gegen die in der Literatur häufig Sturm gelaufen wurde, wird begraben.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dein Willi

  3. Jurastudentin sagt:

    Hi Hans Dampf,
    wirklich ein schönes Sachverständigenresthonorar-Urteil.
    MfG
    Jurastudentin

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