Das Landgericht Nürnberg Fürth hatte am 22.01.2008 (3 0 2880/07) dem beklagten Sachverständigen die Kosten einer negativen Feststellungsklage auferlegt. Der Sachverständige wollte die HUK außergerichtlich auf Unterlassung in Anspruch nehmen, da die Lichtbilder des Schadensgutachtens ohne Zustimmung des Sachverständigen seitens der Versicherung in eine Restwertbörse eingestellt wurden. Die HUK hatte die Abgabe einer Unterlassungserklärung verweigert und ihrerseits, nach Beantragung einer einstweiligen Verfügung beim LG Hamburg durch den Sachverständigen, negative Feststellungsklage beim LG Nürnberg-Fürth eingereicht. Das LG Nürnberg-Fürth war der Auffassung, die Versicherung des Schädigers sei u.a. aufgrund einer „Verkehrssitte“ berechtigt, die Lichtbilder des Sachverständigen, ohne dessen Zustimmung, in eine Restwertbörse einzustellen. Dies stelle nach Ansicht des LG Nürnberg-Fürth keinen Verstoß gegen das Urheberrecht des Sachverständigen dar. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den rechtlichen Grundlagen zum Thema Urheberrecht kann dem Urteil nicht entnommen werden.
Der beklagte Sachverständige hatte daraufhin beim OLG Nürnberg Beschwerde gegen den Beschluss des Langerichts Nürnberg-Fürth eingelegt und dort auch Recht bekommen. Das OLG Nürnberg bestätigte die Rechtsauffassung des Sachverständigen und bezog sich in seiner Begründung vollumfänglich auf das Unterlassungs-Urteil des OLG Hamburg (5 U 242/07 vom 02.04.2008), das der Sachverständige zu dem gegenständlichen Fall parallel gegen die HUK beim Urheberrechtssenat in Hamburg erstritten hatte. Das OLG Nürnberg läuft in seiner Rechtsauffassung völlig synchron zu der Entscheidung des OLG Hamburg (5 U 242/07 vom 02.04.2008 = Berufungsurteil zu LG Hamburg 3 O 730/06 vom 14.03.2007) und hat die Kosten des Verfahrens – im Gegensatz zum LG Nürnberg-Fürth – der klagenden Versicherung auferlegt.
Anm.: Die Entscheidung des OLG Hamburg (5 U 242/07 vom 02.04.2008) ist noch nicht rechtskräftig. Die HUK sowie der Sachverständige haben gegen das Urteil Revision eingelegt.
Obwohl die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth durch das OLG Nürnberg aufgehoben wurde, verwenden einige Versicherer das LG-Urteil weiterhin, wenn es um die Abwehr von Unterlassungsansprüchen aus Urheberrechtsverletzungen geht. Deshalb werden wir beide Urteile nun hier veröffentlichen. Zuerst die aufgehobene LG Entscheidung, die rechtskräftige OLG Entscheidung (3 W 616/08 vom 22.03.2008) folgt im nächsten Beitrag. Interessanterweise wurde der Beschluss des OLG Nürnberg – im Gegensatz zu dem aufgehobenen LG-Beschluss (z.B. SP 05/08, 195 ff.) – bisher an keiner bekannten Stelle publiziert. Das OLG-Urteil schien nie zu existieren, weshalb das LG-Urteil auch heute noch in der einen oder anderen fachlichen Publikation Erwähnung findet. Siehe auch CH-Beitrag vom 25.11.2009, bei dem die Entscheidung des OLG Nürnberg inzwischen redaktionell ergänzt wurde.
Hier nun die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth.
Beschluss:
I. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits-
II. Der Streitwert wird bis zur übereinstimmenden Erledigterklärung vom 31.1.2008 auf 30.000,00 EUR und ab der Erledigterklärung zwischen 4.000,00 EUR und 4.500,oo EUR festgesetzt.
Gründe:
Nach übereinstimmender Erledigungserklärung hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreite zu tragen, da er ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich. unterlegen wäre, S 91 a ZPO.
I.
Die Klägerin ist ein Vereicherungsunternehmen. Der Beklagte ist KFZ-Sachverständiger. Er ist regelmäßig mit Schadensgutachten befasst, für welche die Klägerin als Versicherungsgeberin einzustehen hat. Der Beklagte war nach einem Verkehrsunfall von der Geschädigten W. mit der Begutachtung des Unfallschadens an ihrem PKW Renault Twingo beauftragt worden. Der Unfallgegner war Versicherungsnehmer bei der Klägerin. Nach Fertigung des Gutachtens, welches mit Lichtbildern versehen war, übersandte der Beklagte eine Abschrift des Gutachtens an die Auftraggeberin Frau W. sowie an die Klägerin zur Begleichung des Schadens.
Es ist üblich, dass bei nach Überlassung eines Gutachtens an eine Versicherung zur Begleichung des Unfallschadens die Fotos aus dem Gutachten entnommen und in so genannte Restwertbörsen im Internet eingestellt werden. So stellte auch die Klägerin die Bilder aus dem Schadensgutachten des Beklagten auf den Seiten der Restwertbörse „AutoOnline“ ins Internet. Der Zweck der Einstellung war die Überprüfung des vom Beklagten veranschlagten Restwertes des verunfallten Fahrzeuges.
Der Beklagte nahm daraufhin die Klägerin außergerichtlich auf Unterlassung und Schadenersatz wegen Verletzung von Urheberrechten in Anspruch. Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage vor der Kammer die Feststellung, dass der Beklagte nicht berechtigt sei, der Klägerin zu untersagen, Lichtbilder, welche der Beklagte bzw. seine Mitarbeiter im Rahmen eines Schadensgutachtens gefertigt und der Klägerin zum Zwecke der Regulierung des Haftpflichtschadens überlassen haben, in Restwertbörsen im Internet einzustellen und dort zu veröffentlichen. Weiterhin begehrt die Klägerin die Feststellung, dass dem Beklagten gegenüber der Klägerin aus der eben beschriebenen Handlung keine Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz entstanden seien.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass mit der Übersendung des Gutachtens auch Nutzungs- und Verwertungsrechte im Hinblick auf die Einstellung der Lichtbilder in Restwertbörsen übertragen wurden. Diese Praxis sei seit Jahren verkehrsüblich und dem Beklagten auch bekannt.
Nutzungsbeschränkungen seien zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Auch im Lichte der Zweckübertragungstheorie müsse davon ausgegangen werden, dass der Klägerin Nutzungs- und Verwertungsrechte im Hinblick auf die streitgegenständliche Nutzung eingeräumt worden seien. Da verunfallte Fahrzeuge häufig verkauft oder repariert würden, stelle die Nutzung der Lichtbilder aus dem Schadensgutachten in Restwertbörsen im Internet die einzige Überprüfungsmöglichkeit der Versicherung dar.
Der Beklagte ist dagegen der Auffassung, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dem Geschädigten nicht die Pflicht auferlegt werde, das Fahrzeug in Onlinebörsen anzubieten. Es genüge, wenn der Sachverständige den Restwert auf dem regionalen Markt ermittle und im Abzug bringe. Die Nutzung der Lichtbilder aus dem Gutachten sei nicht notwendig, da es der Versicherung unbenommen sei, ein Gegengutachten erstellen zu lassen. Daher seien Nutzungs- und Verwertungsrechte an den streitgegenständlichen Lichtbildern nicht übertragen worden.
Nach Erhebung der Leistungsklage durch den Beklagten vor dem Landgericht Hamburg erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, sodass nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden war, § 91 a ZPO. Die Parteien stellen gegenseitige Kostenanträge.
II.
Die Klägerin hätte in dem vorliegenden Rechtsstreit obsiegt, sofern kein erledigendes Ereignis eingetreten wäre. Durch die Übersendung des Gutachtens mitsamt der Lichtbilder hat der Beklagte der Klägerin Nutzungs- und Verwertungsrechte im Hinblick auf die Einstellung der Lichtbilder in so genannten Restwertbörsen eingeräumt.
Die Klägerin kann sich auf ein vertragliches Nutzungs- und Verwertungsrecht berufen. Bei der Übertragung von solchen Nutzungs- und Verwertungsrechten ist es nicht erforderlich, dass ein schriftlicher oder mündlicher Vertrag geschlossen wird. Entsprechende Verträge können selbstverständlich, wie alle anderen formfreien Verträge, auch durch schlüssiges Handeln geschlossen werden. Dem steht keinesfalls die Zweckübertragungslehre entgegen. Diese begründet kein Formerfordernis, sondern ist lediglich eine Auslegungsregel, wonach im Zweifel der Urheber keine weitergehenden Rechte übertragt, als es der Zweck der Verfügung erfordert (BGH GRUR 2003, 234, 236 – EROC III). Somit ist das Handeln der Parteien nach dem objektiven Empfängerhorizontes auszulegen. Dabei ist auch auf Verkehrsarten Rücksicht zu nehmen, die in der jeweiligen Branche üblich sind (BGH GRUR 2004, 938, 933 – Comic-Übersetzungen III).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze der Vertragsauslegung kommt die Kammer im vorliegen Fall zu dem Ergebnis, dass ein Nutzungsrecht übertragen wurde. Entscheidend ist der Umstand, dass es unstreitig seit Jahren üblich ist, dass Lichtbilder aus Schadensgutachten in diese Börsen eingestellt werden. Damit hat sich eine Verkehrssitte herausgebildet, welche dem Beklagten bei Übersendung des Gutachtens bekannt war, ebenso wie der Klägerin bei Empfang des Gutachtens. Daher kann die Übersendung des Gutachtens aus Sicht eines objektiven Empfängers nur so verstanden werden, dass der Beklagte als Urheber oder Inhaber der Nutzungs- und Verwertungsrechte auch die Einräumung des streitgegenständlichen Nutzungsrechtes anbot. Eine ausdrückliche Annahme dieses Angebots war nicht zu erwarten, sodass der Vertrag über die Einräumung von Nutzungs- und Verwertungsrechten bereits mit Übersendung der Gutachten und Lichtbilder geschlossen wurde, § 151 S. 1 BGB.
Dagegen kommt es nicht darauf an, wann nach der Rechtsprechung im Einzelnen ein Versicherungsgeber den vom Sachverständigen veranschlagten Restwert mit Hilfe von Internetplattformen überprüfen und dem Geschädigten ein entsprechendes Angebote aus dem Internet entgegenhalten kann. Es genügt, dass eine solche Überprüfung unter Verwendung der Lichtbilder verkehrsüblich und allen Parteien bekannt ist. Zudem muss sich der Geschädigte jedenfalls ein konkretes Angebot aus einer Restwertbörse entgegenhalten lassen, das er annehmen könnte. Ein solches Angebot kann die Versicherung aber aus praktischen Gründen nur im Internet ermitteln, wo die Wiedergabe der Kaufsache durch Lichtbilder üblich ist.
Der Hinweis des Beklagten, dass die Versicherung ein Gegengutachten erstellen lassen könne, greift nach Ansicht der Kammer zu kurz. Zum einen würden vollkommen überflüssige neue Kosten entstehen die möglicherweise in keinem Verhältnis zu der Differenz stehen, welche sich aus dem Vergleich von ursprünglichem Gutachten und Gegengutachten im Hinblick auf den Restwert ergeben. Zum anderen trifft es nach der Lebenserfahrung tatsächlich zu, dass verunfallte Fahrzeuge nach Begutachtung durch den vom Geschädigten beauftragten Gutachter rasch verkauft oder wieder in Stand gesetzt werden, sodass ein Gegengutachten gar nicht möglich ist.
Soweit das Urteil des LG Nürnberg-Fürth
Siehe auch:
OLG Nürnberg Az.: 3 W 616/08 vom 22.04.2008
LG Hamburg Az.: 308 O 730/06 vom 14.03.2007
OLG Hamburg Az.: 5 U 242/07 vom 02.04.2008