AG Heidelberg entscheidet über die Erstattungsfähigkeit eines Kostenvoranschlages i.H.v. ca. 70,– € mit Urteil vom 22.6.2012 – 21 C 357/11 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

hier gebe ich Euch einmal ein typisches Beispiel, wie man aus einem Streitwert von 90 Euro für einen nicht bezahlten Kostenvoranschlag ein Vielfaches  produzieren kann – und natürlich zum Nutzen der Versicherten. Das Gericht hat hinsichtlich der Höhe des Kostenvoranschlages, weil es die Höhe nich schätzen mochte, sachverständige Hilfe, wie dies auch der BGH gutgeheißen hat, eingeholt.  Nach Angaben des Einsenders lag schon alleine das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten bei 900 Euro! Anwalts- und Gerichtskosten kommen noch oben drauf. Als Aktionär der R + V-Versicherung sollte man bei dieser Geschäftspolitik gelegentlich schon einmal über veruntreuende Verschleuderung von Versichertengeldern nachdenken. Vielleicht ist dieses Urteil Abschreckung für andere Versicherer. Lest aber selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker


Aktenzeichen:
21 C 357/11

Verkündet am
22.06.2012

Amtsgericht Heidelberg

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Klägerin

gegen

R+V Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand Dr. Norbert Rollinger, Mittlerer Pfad 4, 70499 Stuttgart

– Beklagte –

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Heidelberg
durch die Richterin am Amtsgericht …
am 22.06.2012 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 94,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.09.2011 sowie weitere 23,21 € zu bezahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf bis 300,00 € festgesetzt.

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung ihres Fahrzeugs gemäß §§ 7,18, 17 Abs. 2 StVG, 3 PflVG, 823, 249 BGB zu.

Unstreitig haftet die Beklagte für den der Klägerin entstandenen Schaden in voller Höhe.

Zu diesem Schaden gehören gemäß § 249 BGB auch grundsätzlich die Kosten, die zur Rechtsverfolgung erforderlich sind. Es handelt sich insoweit um einen Teil des materiellrechtliche Kostenerstattungsbetrages, wobei wegen der dem Geschädigten obliegenden Schadensminderungspflicht die Kosten eines Sachverständigengutachtens bei Bagatellschäden nicht zu ersetzen sind (vgl. BGH, NJW 2005, 356; Palandt/ Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 249 Rdn. 56 u. 58).

Wenn aber statt eines Sachverständigengutachtens ein Kostenvoranschlag eingeholt wird, dann sind die Kosten hierfür zu ersetzen. Sie sind als Aufwand zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als erforderlich und erstattungsfähig im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen. Würde man die Erstattung des Kostenvoranschlages ablehnen, so würde dies dazu führen, dass der Geschädigte bei einem Schaden unterhalb der Bagatellgrenze entweder nicht auf fiktiver Basis abrechnen könnte oder bei Abrechnung auf fiktiver Basis einen Teil seines Schadens, nämlich die für den Kostenvoranschlag verauslagten Kosten, nicht ersetzt bekäme (LG Hildesheim, U. v. 04.09.2012, Az. 7 S 107/09). Der Geschädigte würde in seiner Wahlfreiheit hinsichtlich der Art und Weise der Geltendmachung seines Schadensersatzanspruchs unzulässig eingeschränkt.

Vorliegend hat das Sachverständigengutachten eindeutig ergeben, dass von dem Prüfzentrum … ein Kostenvoranschlag erstellt wurde, da in diesem Aussagen eines Gutachtens, wie z.B. zur Plausibilität, zum Reparaturweg, zur Wertminderung oder Wertverbesserung oder reparierten Vorschäden fehlen. Selbst wenn diese Feststellungen bei einem Gutachten über einen Schaden von etwa 700,00 € nicht erforderlich wären, so müsste der Geschädigte doch in irgendeiner Weise seinen Schaden gegenüber der Beklagten nachweisen. Selbst wenn es sich also tatsächlich um ein Gutachten handelte, dafür aber nur Kosten eines Voranschlages in Rechnung gestellt werden, dann wären diese zu ersetzen, da der Beklagten durch die Mehrleistung eines Gutachtens zum Preis eines Kostenvoranschlages kein Nachteil entsteht.

Da der Sachverständige weiter festgestellt hat, dass der von dem Prüfzentrum … angesetzte Stundenbetrag nicht wesentlich von den Kosten eines Kostenvoranschlages in Werkstätten abweicht, handelt es sich um eindeutig angemessene und nicht überhöhte Kosten. Die Kosten in Höhe von 60,00 € nebst Auslagen für Fotos, Fahrten und Schreiben zuzüglich der Mehrwertsteuer sind daher von der Beklagten zu ersetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Siehe auch: CH-Beitrag vom 08.01.2014

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5 Antworten zu AG Heidelberg entscheidet über die Erstattungsfähigkeit eines Kostenvoranschlages i.H.v. ca. 70,– € mit Urteil vom 22.6.2012 – 21 C 357/11 -.

  1. G.Gladenbach sagt:

    Da hat die R+V-Versicherung ja richtig in die Kloschüssel gepackt. Für ca. 70 Euro Kosten des KV ca. 1000 Euro Gerichtskosten produzieren. Das nennt man unwirtschaftliches Handeln zu Lasten der Versichertengemeinschaft. Die BaFin sollte über solche Geldverschleuderungen ruhig einmal informiert werden.
    Grüße
    G. Gladenbach

  2. RA Kampmann sagt:

    … da in diesem Aussagen eines Gutachtens, wie z.B. zur Plausibilität, zum Reparaturweg, zur Wertminderung oder Wertverbesserung oder reparierten Vorschäden fehlen. Selbst wenn diese Feststellungen bei einem Gutachten über einen Schaden von etwa 700,00 € nicht erforderlich wären, so müsste der Geschädigte doch in irgendeiner Weise seinen Schaden gegenüber der Beklagten nachweisen.

    Und das Gericht liefert Gründe und Argumente, warum es eine „Bagatellgrenze“ eigentlich nicht geben kann.

  3. Willi Wacker sagt:

    Hallo Herr Kollege Kampmann,
    völlig richtig. Eine Bagatellschadensgrenze kann es eigentlich auch nicht geben. Wie soll der Geschädigte, wenn er sein verbeultes Auto sieht, als Laie feststellen, ob der Wiederherstellungsaufwand bei 705,– € oder 760,– € liegt? Im ersteren Fall dürfte er kein Gutachten einholen und im letzteren Fall doch, obwohl nur 55,- € Unterschied vorliegt. Nicht nachvollziehbar.

  4. RA Kampmann sagt:

    @ Willi Wacker
    Genau, der Schaden muss aus der subjektiven Sicht des Geschädigten und vor allem VOR Gutachtenauftrag betrachtet werden. Wenn er die Vorstellung hat (und haben darf, weil er Laie ist), der Heckschaden kostet 2000,- € und holt ein Gutachten ein, welches nur 500,- Kosten ausweist, wird er die Kosten des Gutachtens verlangen dürfen. An wen soll er sich sonst wenden, wenn er es selbst nicht einschätzen kann? So verstehe ich die Rechtsprechung.

  5. Dipl.-Ing. Andreas Hoppe sagt:

    Es ist doch heute sogar schon für einen Sachverständigen teilweise sehr schwierig einen Schaden vorab in der richtigen Größenordnung zu schätzen.

    Nehmen wir einen einfachen Schaden an einer Stoßfängerverkleidung von BMW:

    Nur lackieren?

    Instandsetzen und lackieren?

    Ersetzen gegen ein unlackiertes Neuteil und lackieren desselbigen?

    Ersetzen gegen ein lackiertes Neuteil?

    Ein harmloser Schaden kann möglicherweise 4 Alternativbetrachtungen erfordern, um einen technisch angemessenen und dennoch wirtschaftlichen Reparaturweg zu finden.

    Soll das der Laie können? Weiß der überhaupt, dass unlackierte und lackierte Neuteile gibt? Weiß er was Verbrinungskosten sind? Kennt er die verschiedenen Verrechnungssätze?

    Viele Grüße

    Andreas

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