Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
es ist leider nichts Ungewöhnliches, dass auch einmal „Schrotturteile“ ergehen, weil sich die erkennenden Richterinnen oder Richter nicht intensiv mit der Materie beschäftigen und meinen, einen simplen Sachverständigenkostenrechtsstreit mal so eben mit links entscheiden zu können oder blindlings den irrigen Argumenten der HUK-Anwälte folgen. Ein solches Urteil stellen wir Euch heute vor. Hier hat die erkennende Amtsrichterin werkvertragliche Gesichtspunkte im Rahmen des Schadensersatzprozesses geprüft. Darin liegt schon ein gravierender Fehler. Im Übrigen setzt sich die Richterin damit auch in Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung. Auch wenn die Schadensersatzforderung abgetreten ist, bleibt es ein Anspruch aus dem Schadensersatz. Durch die Abtretung verändert sich der Charakter der Forderung nicht (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, Kommentar 71. Aufl. 2012, § 398 Rn. 2). Auch wenn der Sachverständige nunmehr nach der Abtretung die Forderung geltend macht, bleibt es ein Schadensersatzprozess.
Dementsprechend ist zu prüfen, ob die Beauftragung des Sachverständigen erforderlich war (vgl. BGH DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann; Imhof/Wortmann DS 2011, 149, 150; BGH DS 2012, 167, 168 m. zustimmender Anm. Imhof jeweils m.w. N.). Wenn der Geschädigte nicht in der Lage ist, den Schaden von sich aus zu beziffern, ist die Einschaltung eines qualifizierten Sachverständigen erforderlich (BGH DS 2012, 167 f.). Eine Prüfung, ob dann auch die Sachverständigenkosten der Höhe nach erforderlich sind, findet nicht statt (BGH NJW 2004, 3326; BGH DS 2012, 167 f). Es war daher der Amtsrichterin verwehrt, die Nebenkosten der Sachverständigenkostenrechnung, wie geschehen, im Einzelnen zu überprüfen, es sei denn, es lägen gravierende, sofort ins Auge springende Fehler der Kostenrechnung vor. Das war aber nicht der Fall. Deshalb kann das Urteil nur als Negativbeispiel der verfehlten Prozesstaktik der HUK-Coburg angesehen werden, denn immer häufiger werden nunmehr die Nebenkosten – ausgehend von dem Urteil des AG Halle vom 19.12.2011 – 104 C 2173/11 – von der HUK-Coburg angegriffen. Das Urteil des AG Halle begegnet aber ebenso wie das nachfolgende Urteil der Kritik. Kritische Anmerkungen gegen das Urteil des AG Halle sind daher bereits in der Veröffentlichungsphase. Wir werden darüber berichten. Das Urteil wurde erstritten und übermittelt durch Herrn Rechtsanwalt Taube von der Kanzlei Lehmann und Partner aus Burgwedel. Lest selbst und gebt bitte Eure Meinungen bekannt.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht Erlassen am 03.02.2012
Hannover
Geschäfts-Nr.:
554 C 8944/11
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin
gegen
Firma HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG, vertr. d. d. Vorst. Dr. Weiler, Flaßhoff, Gronbach, Heitmann, Dr. Heroy, Sandig, Lange Laube 20, 30691 Hannover
Beklagte
hat das Amtsgericht Hannover – Abt: 554 –
auf die bis 25.01.2012 eingegangenen Schriftsätze
im schriftlichen Verfahren gem. § 495 a ZPO
durch die Richterin am Amtsgericht ….
für Recht erkannt:
1.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 119,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2011 zuzahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2.) Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 72 %; die Klägerin trägt 28 %.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage auf Zahlung restlicher Sachverständigenkosten (164,92 €) aus abgetretenem Recht der durch den Verkehrsunfall vom 06.06.2011 geschädigten Frau… ist überwiegend aus §§ 7 StVG, 823 Abs, 1, 398, 249 BGB, 115 VVG begründet.
Das klagende Sachverständigenbüro ist aktivlegitimiert aufgrund der unwidersprochenen Abtretungserklärung vom 19.09.2011 (Bl. 86 d. A.), die durch Spezifizierung der abgetretenen Schadensposition („Gutachterkosten“) und Bezifferung derselben („546,75 €“) den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Bestimmtheit der abgetretenen Forderung genügt.
Auch der Höhe nach sind die mit Rechnung vom 07.06.2011 (Bl. 43 d. A.) geltend gemachten Sachverständigenkosten überwiegend angemessen und daher ersatzfähig. Die Beklage schuldet gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den zum Ausgleich des Schadens erforderlichen Geldbetrag. Dieser ist einer Schätzung durch das Gericht gemäß § 287 ZPO zugänglich. Als Schätzungsgrundlage eignet sich die BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 (Bl. 53 ff d. A.). Für die vorliegend relevante Schadenshöhe von bis 1.785,00 € brutto ergibt sich aus der Auswertung ein Grundhonorarkorridor von 273,00 € bis 304,00 €. Das vorliegend geltend gemachte Grundhonorar von 297,00 € liegt in diesem Korridor. Dasselbe gilt für die als Nebenkosten abgerechneten Fotokosten für Originale.
Die weiteren geltend gemachten Nebenkosten erweisen sich als leicht überhöht und zwar wie folgt:
Fahrtkosten (44,84 € – 41,04 € =) Überhöhung um 3,80 € netto,
Fotokosten für Kopien (24,84 € – 21,60 € =) Überhöhung um 3,24 € netto,
Porto/Telefon/Schreibgebühren (38,35 € – 32,15 € =) Überhöhung um 6.01 € netto. Es ergibt sich somit eine Überhöhung von insgesamt 13,14 € netto.
Nebenkosten für die Restwertermittlung sind in der der Schätzung zugrunde liegenden Erhebung nicht aufgeführt. Die konsequente Anwendung der Schätzungsgrundlage erfordert es nach Auffassung des Gerichts, weitere Nebenkosten als dort aufgeführt, nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch in Anbetracht des Umstandes, dass in der Schätzungsgrundlage, welche die Beklagte zur Ermittlung des von ihr bezahlten Betrages (381,83 €) angewendet hat (Gesprächsergebnis BVSK 2009-Huk-Coburg), die Nebenkostenposition „Restwertbörse“ mit 20,83 € veranschlagt ist. Es sind daher von der Rechnung der Klägerin weitere 25,00 € netto für die Position Restwertermittlung abzusetzen, so dass insgesamt noch (421,31 € netto entsprechend 501,35 € brutto abzüglich gezahlter 381,83 € =) 119,52 € zu zahlen sind.
Das Gesprächsergebnis BVSK 2009/HUK-Coburg ist gegenüber der vom Gericht gewählten Schätzungsgrundlage nicht vorzugswürdig. Es entfaltet – soweit ersichtlich – keine verpflichtende Wirkung zwischen den Parteien und gibt nicht mehr als eine Honorarempfehlung (ohne Bezug zu den üblichen Kosten und ohne statistische Aussagekraft) wieder. Demgegenüber gibt die auf einer Erhebung der tatsächlich geforderten Honorare beruhende BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 mit der Angabe des Honorarkorridors die Marge wieder, in der 50 % bis 60 % der 635 BVSK-Mitglieder (Sachverständigenbüros entsprechend über 90 % der Einzelmitglieder), welche an der Befragung teilgenommen haben, abrechnen. Zwar ist die statistische Aussagekraft wegen der Beschränkung auf die BVSK-Mitglieder eingeschränkt, für die Verwendung als Schätzungsgrundlage bis auf weiteres nach der Rechtsüberzeugung des Gerichts aber ausreichend.
Die nach der gerichtlichen Schätzung von der Sachverständigenrechnung vorzunehmenden Abzüge haben auch nicht etwa deshalb zu unterbleiben, weil die unfallgeschädigte Zedentin die von dem Zessionar angesetzten Kosten für erforderlich halten durfte. Wie bei anderen Kosten auslösenden Maßnahmen, für die nicht der Geschädigte selbst aufzukommen hat (z B. Mietwagenkosten nach Verkehrsuhfall), ist auch im vorliegenden Zusammenhang zur Begründung der über den üblichen Preis hinausgehende Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB ein kurzer Preisvergleich zu fordern, der allerdings hier wie dort nicht in eine Marktanalyse ausufern darf. Da über Preisvergleiche der Geschädigten nichts vorgetragen ist, bleibt es bei dem geschätzten Betrag als dem erforderlichen Herstellungsaufwand.
Die ausgeurteilten Zinsen sind gemäß § 286, 288 BGB als Verzugsschadensersatz zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die weitere Nebenentscheidung auf §§ 708 Ziff. 11, 713 ZPO.
Die Logik, die hinter dem Urteil steht, ist nicht zu verstehen, davon abgesehen, dass wieder einmal werkvertragliche Punkte im Schadenersatzprozess geprüft wurden:
Das, was in einer Liste nicht drin ist, gibt es nicht (ach ja?). Was aber in der Liste drin ist und nicht berechnet wurde, wird der Betrachtung nicht zugeschlagen…
Ich kann beispielsweise meine Schreibkosten an den Originalseiten orientieren und Kopien im Preis unterbringen, dann kostet eine Originalseite meinetwegen 3,50 Euro.
Ich kann aber die Kopien auch getrennt ausweisen, denn manchmal brauche ich nur ein Kopie, manchmal zwei, manchmal drei, je nachdem wer wann wie abrechnet. Bei Leasing-Fz wird beispielsweise in der Regel eine Kopie mehr benötigt, weil der Leasinggeber ja auch Bescheid wissen will…
Nun kann ich 2,50 Euro pro Originalseite und 0,50 pro Kopie abrechnen, das ergibt im Mix durchaus auch 3,50 Euro (wie oben), aber manchmal braucht der SV etwas mehr und manchmal etwas weniger Nebenkosten.
Und wenn er nun 3,50 inkl. allem berechnet, ist er plötzlich schlechter gestellt, weil vielleich nur 3,00 Euro zuerkannt werden, weil Kopien gar nicht durch die Richterin zuerkannt werden (er hat sie ja nicht extra berechnet…).
Wenn schon unbedingt eine Liste herangezogen wird (auch wenn es falsch ist!), dann aber bitte richtig und es müssen immer alle (!!) Nebenkosten berücksichtigt werden, dann ergeben sich aus HB-III (früher) bzw. HB-V (jetzt) ein Minimal- und ein Maximalwert. Nur diese Beträge sind dann überhaupt ansatzweise vergleichsfähig.
Viele Grüße
Andreas
Das Auseinanderbröseln der Nebenkosten ist grottenfalsch. Insgesamt handelt es sich tatsächlich um ein „Schrotturteil“. Das muss als Anmerkung eigentlich reichen.
„Wie bei anderen Kosten auslösenden Maßnahmen, für die nicht der Geschädigte selbst aufzukommen hat (z B. Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall), ist auch im vorliegenden Zusammenhang zur Begründung der über den üblichen Preis hinausgehende Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB ein kurzer Preisvergleich zu fordern, der allerdings hier wie dort nicht in eine Marktanalyse ausufern darf.“
…
Das ist ja eine äußerst interessante Rechtsansicht, zu der nur noch der Vorschlag fehlt, wie sich diese Forderung praktisch umsetzen ließe. Und wo bleibt der § 249 S. 1 BGB ?
Hier also mal wieder Zubilligung von normativem Schadenersatz mit der Rechfertigung einer Schätzung, die nicht erforderlich ist, aber aus einer unzulässigen Nachschau das Unfallopfer diskriminierend darstellt als einen nicht wirtschaftlichen denkenden Menschen, der als solcher bestraft werden muß mit einem Eigenanteil der ihm entstandenen Gutachterkosten. Wie hätte denn die Richerin ihre Vorstellung wohl praktisch umgesetzt ?
K.A.
@K.A.
is´ wahrscheinlich ne`Blonde.
Da fällt mir die Vorlesung „BGB für Endsemester“ von Prof.T. wieder ein:
Audimax brechend voll;Prof.T. wie immer bestens drauf,schildert einen Fall und fragt unter allen Anwesenden die in der 18.Reihe Mitte sitzende Blondine in gespielter freudiger Erwartung einer vertretbaren Lösung:“Und,Frau Kollegin,wie würden Sie das lösen?“
—Totenstille im Saal—hörbar fällt ein Bleistift zu Boden—verschämter Blick zunächst nach unten und dann der absolute Kanninchenblick etwa im 45° Winkel nach oben gepaart mit einem leisen Achselzucken und einem verschämten Lächeln—Totenstille für weitere endlos lange 5 Sekunden—–darauf Prof.T:“Ja wenn ich so aussähe wie sie,dann würde ich die Lösung auch nicht wissen.“
Ich fand das damals a little too much,Heute muss ich sagen,Prof.T.hätte noch deutlicher werden müssen!
Man kann im 2. Staatsexamen im Zivilrecht problemlos ne´Null-Punkte-Klausur abliefern und dann halt immernoch Zivilrichter werden.
Der §249 BGB is aber auch sowas von sauschwer,“do kann nich jeider met üm“(Meister Röhrich)…LOL