Mit Urteil vom 17.08.2012 (914 C 277/12) hat das Amtsgericht Hamburg-St. Georg den Halter des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung weiterer SV-Kosten in Höhe von 55,86 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Was auf den ersten Blick als im Ergebnis fast als eine richtige Entscheidung aussieht, entpuppt sich bei Durchsicht der Begründung als schlichtweg schlecht begründetes Urteil. Das Gericht schätzt die Erforderlichkeit der Höhe der Kosten auf der Basis der von der HUK-Coburg vorgelegten Sondervereinbarung (=Honorarbefragung 2012). Dies ist unzulässig. Das Honorartableau der HUK stellt keine Honorarbefragung dar. Weiter verlangt das Gericht für die Gewährung von Zinsen den Verzug des Schädigers bzw. dessen Versicherers. Dies ist jedoch nicht Voraussetzung. Schließlich lehnt das Gericht die Kostenerstattung für eine Halteranfrage ab mit dem Hinweis, der Geschädigte hätte über diese Daten bereits verfügt. Auch dies ist falsch. Dem Geschädigten war der VERSICHERUNGSNEHMER bekannt, der nicht notwendig identisch mit dem Halter ist. Das Gesetz gewährt dem Geschädigten keinen Direktanspruch gegen einen Versicherungsnehmer.
Aus den Entscheidungsgründen:
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf weitere Zahlung von Sachverständigenkosten im tenorierten Umfang gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht gem. §§ 7 StVG; 398 BGB.
Durch Vorlage der Abtretungserklärung (Anl. K1) hat der Kläger seine Aktivlegitimation hinreichend substantiiert dargelegt. Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 31.1.2012, Az: VI ZR 143/11 sowie Urteil vom 7.6.2011, Az: VI ZR 260/10) ist die Abtretung durch den Geschädigten X. wirksam erfolgt.
Die Sachverständigenkosten waren in Höhe von insgesamt 552,86 € erforderlich gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der individuellen Lage des Geschädigten durfte diese Kosten für zweckmäßig und notwendig erachten.
Es lagen keine Anhaltspunkte für den Geschädigten vor, dass der Kläger eine nach § 632 Abs. 2 BGB unübliche Vergütung in Rechnung gestellt hat. Der Kläger befindet sich mit dem veranschlagten Grundhonorar und den geltend gemachten Nebenkosten bei ermittelten Reparaturkosten einschließlich Wertminderung in Höhe von 2.168,47 € netto zwar ca. 11 % über dem Betrag, den die beklagtenseits eingereichte BVSK-Honorarbefragung für die Jahre 2010/2011 ausweist. Vom Geschädigten – und an dessen Situation ist der Schadensersatz gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ausgerichtet – kann jedoch nicht erwartet werden, dass er eine vergleichende Marktanalyse hinsichtlich Sachverständigenkosten durchführt, soweit die Kosten nicht offensichtlich überhöht sind. Dies ist bei einem Aufschlag von 11 % auf den Mittelwert der durchgeführten Befragung nicht der Fall.
Der Kläger hat zudem einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Zinsen im tenorierten Umfang gem. §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. Mit Schreiben vom 21.03.2012 hat die Nebenintervenientin, der Haftpflichtsversicherer des Beklagten, den Ausgleich der restlichen Sachverständigenkosten ernsthaft und endgültig verweigert. Ein darüber hinausgehender Zinszahlungsanspruch ab dem 07.03.2012 besteht nicht, da eine Inverzugsetzung erforderlich ist im Sinne des § 286 BGB, die durch die Versendung der Rechnung über die Gutachterkosten an die Nebenintervenientin ohne Fristbestimmung zur Zahlung nicht einsetzt. Eine Verzinsung ab dem Zeitpunkt des Unfallereignisses ist bei Sachverständigenkosten abzulehnen gem. § 849 BGB, da nach dieser Regelung nur der Wert einer Entziehung der Sache und eine Wertminderung zu verzinsen ist.
Ein Ausgleich auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegen den Beklagten ist gem. §§ 7 StVG, 398 BGB begründet, da der Geschädigte vor der Abtretung der Sachverständigenkosten diesbezüglich einen Rechtsanwalt nicht beauftragt hat und somit das Risiko einer mehrfachen Beauftragung nicht gegeben ist.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Kosten für die Halteranfrage in Höhe von 5,10 €, da der Beklagte dem Kläger als Versicherungsnehmer der Nebenintervenientin bereits bei Gutachtenerstellung bekannt war. Nach § 1 PflVG ist eine Haftpflichtversicherung durch den Halter abzuschließen, so dass eine Auskunft über die Haltereigenschaft nicht erforderlich war zur Rechtsverfolgung.
Eine Zulassung der Berufung im Sinne des § 511 Abs. 4 ZPO ist nicht angezeigt.
Soweit das AG HH-St. Georg.
Hallo Babelfisch,
hinsichtlich der Begründung krankt das Urteil ganz gewaltig. Der erkennende Richter der 914. Zivilabteilung des AG Hamburg-St. Georg verkennt gänzlich die Rechtsprechung des BGH. Der VI: Zivilsenat des BGH hat mit dem grundlegenden Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – ( = DS 2007, 144 = ZfS 2007, 507 = VersR 2007, 560 )entschieden, dass, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt, wozu auch die Beauftragung eine qualifizierten Kfz-Sachverständigen seiner Wahl gehört, weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt ist, eine Preiskontrolle durchzuführen (vgl. auch BGH Urt. v. 29.6.2004 – VI ZR 211/03 = VersR 2004, 1189, 1190 ff). Das gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars. (vgl. hierzu auch: Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, 1. Aufl. 2012, § 8 Rdnr. 10, Seite 207). Im Schadensersatzprozess hat das Gericht daher gar keine Preiskontrolle vorzunehmen. Deshalb hat die Rechtsprechung auch zutreffenderweise geurteilt, dass auch überhöhte Sachverständigenkosten vom Schädiger zu erstatten sind, wenn kein Auswahlverschulden vorliegt. Wenn der Schädiger meint, das Honorar sei überhöht, dann muss er sich die vermeintlichen Bereicherungsansprüche abtreten lassen und selbst gegen den Sachverständigen geltend machen. Dem Geschädigten gegenüber sind im Schadensersatzprozess die Einwände der Überhöhung der Kosten quasi abgeschnitten, weil unerheblich. Auch überhöhte Sachverständigenkostenrechnungen sind dem Geschädigten grundsätzlich zu erstatten ( Himmelreich-Halm Handbuch des Fachanwaltes Verkehrsrecht, 4. Aufl. 2012, Kap. 6 Rdnr. 226 unter Verweis auf BGH VI ZR 67/06: OLG München NJW 2010, 1462; OLG Düsseldorf SP 2008, 267; AG Gronau ZfS 2007, 310; AG Nürnberg NZV 2010, 627; AG Bochum SP 2008, 267; AG Hamburg-St. Georg Urt. v. 18.5.2007 – 915 C 628/06 – in der Kfz-Sachverst. 2007, Heft 4, 33). Der erkennende Richter sollte sich daher einmal bei seinem Kollegen aus der 915. Zivilabteilung informieren. Vom Ergebnis ist das Urteil daher richtig, aber in der Begründung grottenfalsch. Es sollte auf keinen Fall als Textbaustein verwandt werden.
Mit freundl. Grüßen
Willi Wacker