Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nachfolgend gebe ich Euch ein Restsachverständigenkosten-Urteil aus Würzburg bekannt. Der Sachverständige klagt aus abgetretenem recht gem. § 398 BGB. Beklagte ist die HUK-Coburg Haftpflicht-unterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. in Würzburg. Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Das Gericht hat das von der Beklagten vorgelegte „Gesprächsergebnis der HUK mit dem BVSK als nicht anwendbar verworfen. Dabei hat das AG Würzburg auch kartellrechtliche Bedenken gegen die Anwendbarkeit und Zulässigkeit einer derartigen „Absprache“. Es befremdet auch, wenn eine Kfz-Haftpflichtversicherung mit einem Berufsverband für Dritte bindend Preisabsprachen treffen will. Äußerst bedenklich, meine ich. Daher kann und darf das Gesprächsergebnis oder das Nachfolgemodell „Honorartableau“ keine Schätzgrundlage sein. Was meint ihr?
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht Würzburg
Az.: 15 C 955/12
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
Kfz-Sachverständiger
– Kläger –
gegen
HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G., vertreten durch d. Vorstand, Ludwigstraße 20, 97070 Würzburg
– Beklagte –
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht Würzburg durch die Richterin am Amtsgericht … am 01.08.2012 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2012 folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 133,95 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.04.2012 sowie weitere 39,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 06.04.2012 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 136,67 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung begründet.
I.
Der Kläger hat Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung restlicher Sachverständigenkosten in Höhe von 133,95 EUR aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG, 115 VVG, 398 BGB.
1.
Der Kläger ist aktiv legitimiert. Im Verlauf des Verfahrens wurde zu den der Abtretung zugrunde liegenden Tatsachen und zur abgetretenen Forderung schlüssig vorgetragen, woraufhin die Beklagte die Abtretung und deren Wirksamkeit unstreitig stellten konnte.
2.
Die 100%ige Haftung der Beklagten für die Folgen des Unfallereignisses steht dem Grunde nach außer Streit.
3.
Der Höhe nach hat der Kläger als Zessionar einen Anspruch auf Erstattung von Gutachterkosten in Höhe von 899,95 EUR. Bereits erstattet wurden 766 EUR, sodass der tenorierte Betrag von 133,95 EUR verbleibt.
Gemäß § 249 BGB hat die Beklagte den Geldbetrag zu ersetzen, der zur Herstellung des ohne das schädigende Ereignis bestehenden Zustands erforderlich ist. Hierzu zählen auch die Kosten der Rechtsverfolgung, also auch eines Gutachtens, sofern ein über einen Bagatellschaden hinausgehender Schaden vorliegt. Dies ist bei einem Sachschaden von 5591,11 EUR netto sowie Wertminderung von 225 EUR der Fall.
a)
Das Gericht schätzt die erforderlichen Kosten für die Erstellung des Gutachtens anhand der Honorarerhebung der BVSK 2010/2011, § 287 ZPO.
Diese stellt eine geeignete Schätzgrundlage dar (AG Nürnberg, Urteil vom 3.1.12, Az. 18 C 8926/11 m.w.N.).
Nicht abzustellen ist hingegen auf das beklagtenseits angegebene BVSK-Gesprächsergebnis, Welche „Vereinbarungen“ speziell die Beklagte mit dem BVSK geschlossen haben mag, spielt für die Frage der üblichen Vergütung keine Rolle, unabhängig von kartellrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Berufsverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen mit einem Haftpflichtversicherer für Dritte bindende Preisabsprachen treffen will.
Ob diese Honorarerhebung rechtlich erst bei der Frage herangezogen wird, ob tatsächlich vereinbarte Kosten schadensrechtlich erstattungsfähig sind oder bereits bei der Frage des üblichen Werklohns nach § 632 Abs. 2 BGB spielt im Ergebnis keine Rolle. Dementsprechend kann die Problematik, ob der Geschädigte noch im Nachhinein, bei nachträglich vorgelegter Abtretungserklärung mit Honorartabelle, eine wirksame Preisabsprache mit dem Kläger treffen konnte oder ihn seine Ehefrau gar bereits bei ursprünglicher Auftragserteilung wirksam vertreten hat, dahinstehen.
b)
Als erforderlicher Herstellungsaufwand kann noch der höchste des bei der Befragung festgestellten Wertes, soweit er im Honorarkorridor zwischen 50 % und 60 % der befragten Mitglieder liegt, Berücksichtigung finden (AG Nürnberg, a.a.O).
Auszugehen ist dabei von der netto-Schadenshöhe von insgesamt 5.816,11 EUR (Sachschaden + Wertminderung). Angesichts dieser üblichen Staffelung anhand der Schadenshöhe spielt es keine Rolle, weichen zeitlichen Aufwand die Erstellung des Gutachtens tatsächlich verursacht hat.
Der HB V Korridor liegt für einen Schaden dieser Größenordnung zwischen 557 EUR und 616 EUR netto. Das klägerseits geltend gemachte Grundhonorar von 580 EUR netto liegt innerhalb dieses Rahmens.
c)
Auch die Nebenkosten liegen weitestgehend innerhalb des HB V Korridors.
Für die Fotokosten des ersten Fotosatzes bewegen liegt der Korridor zwischen 2,06 EUR und 2,57 EUR; der Kläger berechnet 2,50 EUR.
Gleiches gilt für den zweiten Fotosatz: Hier setzt der Kläger 1 EUR pro Foto an und liegt damit unterhalb der Werte des Honorarkorridors zwischen 1,25 EUR und 1,80 EUR.
Schreibkosten können je Seite bis zu 3,75 EUR angesetzt werden; der Kläger setzt hier 3 EUR an.
Für Fahrtkosten können pro km bis zu 1,08 EUR angesetzt werden laut HB V Korridor; der Kläger berechnet insgesamt 18 EUR, ohne km-Angabe, allerdings unter Angabe in der Honorarvereinbarung, dass pro km 1,10 EUR angesetzt werden. Ausgehend von einer Fahrleistung von 16 km (18 EUR geteilt durch 1,10 EUR) hätte er bei maximalen 1,08 EUR pro km insgesamt 17,28 EUR ansetzen können. Da laut der BVSK Honorarbefragung sogar 95% der befragten Sachverständigen nicht mehr als 1,08 EUR pro km verlangen (HB III), kürzt das Gericht den Erstattungsanspruch entsprechend um 72 cent.
Eine Erstattungsfähigkeit dieser Kosten scheitert nicht an § 138 BGB oder an einer AGB-Inhaltskontrolle. Zwar mögen die Fahrtkosten laut JVEG geringer sein als die von privat beauftragten Sachverständigen angesetzten. Ein privat beauftragter Sachverständiger unterfällt aber nicht dem direkten Anwendungsbereich des JVEG; eine entsprechende Anwendung liefe auf die Einführung einer Honorarordnung für Privatgutachter hinaus.
Für Porto und Telefon kann pauschal bis zu 18,88 EUR angesetzt werden; der Kläger setzt 3,75 EUR + 0,45 EUR = 4,20 EUR an.
Die Kosten der Kopien liegen mit 0,75 EUR unter den Schreibkosten je Kopie des Honorarkorridors, der hierfür tatsächlich ca. 2,80 EUR vorsieht.
Der Kläger kann Erstattung der Kosten für einen Vorabbericht an die Werkstatt in Höhe von 4 EUR verlangen. Dass ein solcher Vorabbericht vereinbart war, ergibt sich aus der Aussage des hierfür im Termin benannten Zeugen S. . Dieser gab ausdrücklich an, dass die Erstellung eines solchen Berichts bereits in der Werkstatt mit seiner Ehefrau besprochen wurde und er damit einverstanden war, dass sich seine Ehefrau um die Angelegenheit kümmert. Dass tatsächlich ein Vorabbericht an die Werkstatt geschickt wurde, ergibt sich wiederum aus dem klägerseits vorgelegten Faxbericht und dem vorgelegten Vorabbericht. Woraus sich allerdings die Kosten in Höhe von 6 EUR hierfür ergehen sollen, erschließt sich dem Gericht nicht. Insbesondere hat das Gericht mehrmals daraufhingewiesen, dass es diese Kosten der Honorarvereinbarung nicht speziell entnehmen kann. Das Gericht setzt dementsprechend die Kosten laut Honorarvereinbarung an für eine Seite Schreibarbeiten (= 3 EUR) + 1 x Fax (= 1 EUR).
4.
Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 288, 286 BGB (Verzug).
Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 39 EUR aus §§ 280, 286 BGB. Der Höhe nach handelt es sich um ejne 1,3-Gebühr aus dem berechtigten Gegenstandswert von 133,95 EUR zzgl. 20 % Telekommunikationspauschale. Gründe für ein Abweichen von der Regelgebühr, insbesondere ein besonderer Umfang oder eine besondere Schwierigkeit der Angelegenheit sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.
Man kann ja inzwischen fast schon froh sein, wenn ein Gericht die BVSK-Honorarumfrage als der Weisheit letzter Schluss zur Schätzungsgrundlage kürt. Aber die Hinterfrage nach der Berechtigung sollte schon noch gestellt werden.
Das Gericht stellt diese Erhebung als Maß der Dinge dar, dies ist in dieser Absolutheit jedoch nicht zutreffend. Das Maß der Dinge bei der Beauftragung des Sachverständigen ist die Erkenntnis bzw. die Erkenntnisfähigkeit des Geschädigten, der im Zweifel den BVSK für ein kommunales Nahverkehrsunternehmen hält.
Das Gericht dekliniert das durch, wogegen sich hier immer wieder vehemment gewandt wird. Es prüft die einzelnen Rechnungspositionen, obwohl das Postulat heißen muss: Das Gericht steigt in eine Einzelprüfung eben NICHT ein, weil beispielsweise der SV Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist.
Es gibt noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten! Auch bei den Gerichten, die guten Willens sind!
Hallo, Willi Wacker,
obsiegende Urteile mögen zwar erfreulich sein, wichtiger erscheint mir jedoch, dass mit rechtlich tragfähigen Entscheidungsgründen ein stabiles Gebäude errichtet wird.
In dem Urteil des AG Würzburg ist sicher interessant, dass der Richter das Gesprächsergebnis verworfen hat. Dann aber fängt wieder entgegen der BGH-Rechtsprechung die unselige und schadenersatzrechtlich verfehlte Rechnerei an und auch die Schätzung der erforderlichen Gutachterkosten ist insoweit verfehlt. Ich schlage vor, dass solch ein bröckelndes Beiwerk zukünftig unberücksichtigt bleibt und nur der interessante Kern, also „Aus den Entscheidungsgründen“ veröffentlicht wird, denn alles Andere ist in der Tat überflüssig.
Mit freundlichem Gruß
K.L.H.
Hallo K.L.H,
vom Rosinenpicken halte ich gar nichts. Ich will schon wissen, was mich am jeweiligen Gericht alles erwartet.
Nichts schlimmeres, als zuversichtlich einen Prozess anzustoßen, der sich dann im Verlauf unerwartet in eine Richtung entwickelt, die man vorher nicht absehen konnte. Oder noch schlimmer. Man führt vielleicht einen Prozess, der bei dem derzeitigen Richter gar nicht zu gewinnen ist.
Deshalb bin ich auch dafür, weiterhin alles einzustellen. Selbst negative Urteile.
Nur so ist es möglich, die Fehler der jeweiligen Gerichte zu analysieren und im nächsten Prozess die erkannten Fehler mit der richtigen Strategie gezielt an- bzw. aufzugreifen.
Hallo Rüdiger,
so sehe ich das auch, denn aus Fehlern lernt man. An diesen alten Weisheitsspruch, der viel Wahres beinhaltet, sollten wir uns auch weiterhin halten. Auf die Fehler und Mängel in einer Entscheidung wird regelmäßig schon in den Kommentaren hingewiesen.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
@ Rüdiger
Hallo, Rüdiger,
es ging mir nicht um´s Rosinenpicken, sondern um eine Zusammenstellung tragfähiger Entscheidungsgründe. Allerdings ist auch die von Dir angestellte Betrachtung interessant und einleuchtend.Du führst weiter aus:
„Deshalb bin ich auch dafür, weiterhin alles einzustellen. Selbst negative Urteile.“
In diesem Punkt bin ich übrigens ganz Deiner Meinung.
@ Willi Wacker
„Auf die Fehler und Mängel in einer Entscheidung wird regelmäßig schon in den Kommentaren hingewiesen.“
Vielfach so in Übereinstimmung festgestellt. Beim Kommentar zum Urteil des AG Würzburg kann ich das nicht feststellen, was allerdings nicht als Kritik gewertet werden sollte.
Gruß
K.L.H.