Mit Entscheidung vom 22.02.2010 (7 C 1142/09) wurde die HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG, Schadenaußenstelle Stuttgart, durch das Amtsgericht Waiblingen dazu verurteilt, weitere Sachverständigenkosten zu erstatten.
Aus den Gründen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, zugunsten des Klägers an den Kfz-Sachverständigen … 172,38 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.04.2009 zu bezahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Streitwert: bis 300,- EUR.
Von der Abfassung eines Tatbestandes wurde gem. § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte aufgrund des Verkehrsunfallereignisses vom 20.03.2009 in … einen Anspruch auf restlichen Schadenersatz gemäß den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 VVG.
1. Die Haftung der Beklagten für die Schäden aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis vom 22.03.2009 ist dem Grunde nach unstreitig, die Beklagte hat insoweit ihre Eintrittspflicht nicht in Abrede gestellt. Zu Unrecht jedoch hat sie den vollständigen Ersatz der dem Kläger entstandenen Sachverständigenkosten verweigert.
Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls hat Anspruch auf Erstattung der Kosten eines Sachverständigengutachtens, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Vorliegend sind keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht erforderlich gewesen wäre. Dies wird von der Beklagten auch nicht behauptet.
2. Wahrt der schadenersatzberechtigte Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung des ohne das schädigende Ereignis bestehenden Zustands Erforderlichen, so findet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der das erkennende Gericht folgt, eine gerichtliche Preiskontrolle auch hinsichtlich der Höhe des Sachverständigenhonorars nicht statt. Grundsätzlich kann der Geschädigte daher auch überhöhte Gutachterkosten ersetzt verlangen; anders ist erst dann zu entscheiden, wenn auch für einen Laien erkennbar sein musste, dass die Preisvorstellung des Sachverständigen übersetzt sind. Dann, und nur dann, kann er nicht den Ersatz des vollen für das Gutachten aufgewendeten Betrages verlangen.
Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass der Kläger irgendeinen Anhaltspunkt für eine übersetzte Rechnung hatte; die Preise bewegten sich zudem, wie noch auszuführen sein wird, im Rahmen des Üblichen. Der beklagtenseits erhobene Vorwurf der Obliegenheitsverletzung ist daher gänzlich abwegig, zumal es einem Laien auch überhaupt nicht möglich ist, die Marktüblichkeit und Angemessenheit von Sachverständigenhonoraren zu überprüfen. Ein Geschädigter muss sich daher nicht von einem Haftpflichtversicherer darauf verweisen lassen, vor Bestellung eines – für eine zweckmäßige Rechtsverfolgung offenkundig erforderlichen – Sachverständigengutachtens hinsichtlich des regionalen Preisniveaus Marktforschung zu betreiben.
3. Ein wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch darf Kosten in einer Größenordnung für erforderlich halten, die von der Mehrzahl der Kfz-Sachverständigen für vergleichbare Gutachten berechnet werden. Es ist folglich aus Sicht des Geschädigten jedenfalls ein solcher Betrag als „erforderlich“ anzuerkennen, der von der überwiegenden Anzahl der Sachverständigen für die einzelnen Rechnungspositionen berechnet wird (so auch AG Arnsberg, Urt. v. 17.06.2009, 3 C 99/09).
Einen geeigneten Orientierungspunkt bildet insoweit die vom Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e. V. (BVSK) regelmäßig durchgeführte Honorarbefragung unter den im BVSK organisierten Sachverständigen, ein größerer Berufsverband von Kraftfahrzeugsachverständigen, der eine qualitativ bessere Grundlage für die Bestimmung üblicher Sachverständigenhonorare liefern könnte, existiert soweit ersichtlich nicht. Die BVSK-Honorarbefragung ist eine geeignete Schätzgrundlage, aufgrund derer die Sachverständigenkosten berechnet werden können (AG Nürnberg, Urt. v. 02.05.2008, 34 C 1589/08).
Die Abrechnung des Sachverständigen ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, die sich das Gericht zu eigen macht. Die Ausführungen im Gutachten sowie im Ergänzungsgutachten sind schlüssig und nachvollziehbar, irgendwelche Anhaltspunkte für eine unvollständige oder fehlerhafte Begutachtung sind nicht ersichtlich.
Der Sachverständige hat dargelegt, dass die Rechnungshöhe im üblichen Rahmen liegt. Zwar ist die Position „EDV-Gebühr“ üblicherweise in der Gutachtengrundgebühr enthalten, diese lag vorliegend jedoch um ca. 11 % unterhalb des aus der BVSK-Umfrage resultierenden Wertes, so dass im Ergebnis keine überhöhte Abrechnung vorliegt. Auch die geltend gemachten Fahrtkosten liegen unterhalb des aus der BVSK-Umfrage resultierenden Wertes.
Darüber hinaus steht dem Kläger auch ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für einen zweiten Fotosatz zu. Die Bilder sind Bestandteil eines Sachverständigengutachtens. Auf dessen jederzeitige selbstständige Kontrolle hat der Geschädigte einen Anspruch. Er muss sich deshalb nicht darauf verweisen lassen, dass er im Streitfall die Möglichkeit hätte, sich auf Grund der beim Gutachter befindlichen Negative einen zweiten Fotosatz fertigen zu lassen. Es besteht insoweit keinerlei Anlass, von der bereits im Verfahren 14 C 463/07 des erkennenden Gerichts vertretenen Auffassung abzuweichen.
Für den vorliegenden Fall keine Rolle spielen auch die Ergebnisse irgendwelcher Gespräche der Beklagten mit der BVSK. Derartige Gespräche haben auf die Marktüblichkeit von Sachverständigenkosten schlicht keinen Einfluss. Die Höhe üblicher Sachverständigenvergütung wird vom Markt und nicht von einem Haftpflichtversicherer bestimmt, weder direkt noch indirekt über Gespräche mit bestimmten Sachverständigen, zumal wenn weder deren Motive für die Beteiligung an solchen Gesprächen noch deren sonstige geschäftliche Verbindungen mit dem Versicherungsunternehmen bekannt sind.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
4. Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO von der Beklagten in ihrem nicht näher begründeten Antrag nicht dargetan wurden und auch nicht ersichtlich sind. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist für die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Berufungsgerichts erforderlich.
Ist doch mal ein wirklich schönes Urteil.
Respekt an das AG Waiblingen, vorallem auch zu deren Urteilsbegründung.
„Wahrt der schadenersatzberechtigte Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung des ohne das schädigende Ereignis bestehenden Zustands Erforderlichen, so findet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der das erkennende Gericht folgt, eine gerichtliche Preiskontrolle auch hinsichtlich der Höhe des Sachverständigenhonorars nicht statt“.
Trotzdem SV zur Überprüfung der Abrechnung beauftragt?
Da wurden der HUK aber ordentlich Kosten auferlegt.
Thema BVSK auch ausführlich erläutert:
„Für den vorliegenden Fall keine Rolle spielen auch die Ergebnisse irgendwelcher Gespräche der Beklagten mit der BVSK. Derartige Gespräche haben auf die Marktüblichkeit von Sachverständigenkosten schlicht keinen Einfluss. Die Höhe üblicher Sachverständigenvergütung wird vom Markt und nicht von einem Haftpflichtversicherer bestimmt“.
Grüßle nach Coburg vom
Henna Karle
Hier sieht man schön,dass CH wirkt!
Klingelingelingelts!
Hi Hans Dampf,
mit diesem Urteil sieht man, dass dieser Blog nützt. Viel Erfolg auch weiterhin wünscht ein eifriger Mitleser.
Werkstatt-Freund
Positive Auswirkung von CH.
Offensichtlich richtiger Sachvortrag durch den Anwalt.
Letzten Endes eine klasse Leistung der Richterin/des Richters des AG Waiblingen.
Alles richtig gemacht.
Hey hey Wickie, weiter so.