AG Darmstadt entscheidet mit fast perfekter Begründung gegen HUK-Coburg Allg. Vers. AG wegen restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 30.8.2012 -311 C 132/12-.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

unsere Urteilsreise geht weiter nach Südhessen. Hier ein (fast) perfektes Sachverständigenkostenurteil aus Darmstadt. Wieder musste ein Gericht über die unberechtigten Sachverständigenkostenkürzungen der HUK-Coburg entscheiden. Zutreffend hat der erkennende Vizepräsident des AG Darmstadt als entscheidender Amtsrichter auf BGH VI ZR 67/06 ( = BGH DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann = NJW 2007, 1450 f.) abgestellt. Zutrefffend hat das erkennende Gericht auch den von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung vorgebrachten Verweis auf die umstrittene Entscheidung des LG Saarbrücken vom 10.2.2011, mit der die HUK jetzt bezüglich der Nebenkosten immer hausieren geht, zurückgewiesen. Zum einen ist die Entscheidung der Berufungskammer des LG Saarbrücken kritisch zu betrachten und allenfalls als Einzelfallentscheidung zu bewerten. Zum anderen sind die Überprüfungen der einzelnen Posten der Nebenkosten gerade im Lichte der BGH-Entscheidung vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – aus schadensersatzrechtlicher Sicht nicht geboten. Letztlich steckt auch bereits ein versteckter Hinweis des Vizepräsidenten in dem Urteil, dass das Urteil aus Saarbrücken kritikfähig ist. Den Schwenk zu den Lebenshaltungskosten halte ich im Schadensersatzprozess für entbehrlich.

Als Argumentationshilfe gegen LG Saarbrücken aber durchaus vertretbar. Auf BVSK-Honorarbefragung und Gesprächsergebnis sowie Honorartableau kommt es nicht an.  Ein ordentlich begründetes Urteil bedarf derartiger Messlatten nicht, denn es kommt im Schadensersatzprozess nur auf die Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten an. Wenn der Geschädigte nicht alleine den Schaden beziffern kann, darf er ein Gutachten in Auftrag geben und die dann anfallenden Kosten sind erforderlich. Sollte der Schädiger der Ansicht sein, die Kosten seien überhöht, so ist er auf den Vorteilsausgleich verwiesen. Aber lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker

Amtsgericht Darmstadt
Aktenzeichen: 311 C 132/12

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Kfz-Sachverständiger

Klägerin

gegen

HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG vertreten d. d. Vorstand Dr. Wolfgang Weiler u. a., Bahnhofsplatz 1, 96443 Coburg

Beklagte

hat das Amtsgericht Darmstadt durch den Vizepräsidenten des Amtsgerichts … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.08.2012 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 113,13 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.05.2012 sowie € 2,50 Mahnspesen zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Auf die Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist, bis auf einen Teil der Mahnkosten, begründet.

Der Klägerin steht der gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Restzahlung der Sachverständigengebühren in Höhe von € 113,13 zu. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der geschädigten Frau … den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen (§ 249 Abs. 2 BGB). Dabei hat der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags zu befriedigen. Der tatsächliche Aufwand bildet allerdings bei der Schadensschätzung (§ 287 ZPO) in der Regel den Anknüpfungspunkt zur Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrags im Sinne von § 249 BGB. Der tatsächlich aufgewendete Betrag ist aber nicht zwingend mit dem zu ersetzenden Schaden identisch. Insbesondere deshalb kann die Berechnung des Schadens grundsätzlich nicht von etwaigen rechtlichen Mängeln der zu seiner Beseitigung tatsächlich eingegangenen Verbindlichkeiten (z.B. einer überhöhten Honorarforderung des Sachverständigen) abhängig gemacht werden (BGHZ 61, 346). Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind aber weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen, gerade auch in Bezug auf die Höhe des Sachverständigenhonorars (BGH in NJW2007, 1450, 1451).

Nach den vorstehenden Grundsätzen kommt es maßgeblich darauf an, ob sich die an den Sachverständigen gezahlten Kosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten. Dabei kann ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar als erforderlicher Herstellungsaufwand gem. § 249 BGB verlangt werden (BGH in NJW2007, 1450, 1451 mwN.). Denn der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei und darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint, so dass er im Regelfall berechtigt ist, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen.

Der Geschädigte kann allerdings vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen und ist im Rahmen des ihm Zumutbaren gehalten, den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Der Geschädigte ist allerdings grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (BGH in NJW2007, 1450, 1451 mwN.).

Diesen Anforderungen ist die geschädigte Frau … gerecht geworden in dem sie die Klägerin beauftragt hat. Dem stehen auch die Ausführungen der Beklagten in der Klageerwiderung entgegen. Vielmehr weichen deren ermittelten Durchschnittswerte in Bezug auf die Erstellung eines Sachverständigengutachtens nicht so stark von den von der Klägerin vorgelegten ab, dass die insoweit eine Reduzierung gerechtfertigt wäre, zumal eine Markterforschungspflicht seitens des Geschädigten nicht besteht und die Beklagte somit mit einer gewissen Schwankungsbreite der Sachverständigenhonorare zu rechnen hat.

Die Beklagte kann sich auch in Bezug auf die Nebenkosten nicht auf die Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken vom 10.02.2011 (AZ.: 13 S 26/11) berufen, um deren Reduzierung herbeizuführen. Auch insoweit liegt die Abrechnung im Rahmen des billigen Ermessens des Sachverständigen, zumal die Lebenshaltungskosten in Saarbrücken bekanntermaßen günstiger sind als im Rhein-Main-Gebiet. Weder die Fahrt-, noch die Schreib-, noch die Portokosten erscheinen ungewöhnlich und nicht zu rechtfertigend hoch.

Der Klägerin steht darüber hinaus ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich angefallenen Mahnkosten nur in Höhe von € 2,50 für ein Mahnschreiben und der Zinsen aus Verzug zu (§§ 286, 288 BGB).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen (§ 511 Abs. 4 ZPO).

So das Urteil des Vizepräsidenten des AG Darmstadt. Und nun bitte Eure Kommentare.

Urteilsliste “ SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. Alois Aigner sagt:

    Grüß Gott Willi Wacker,
    mit deinem Vorwort ist eigentlich schon alles zum fast perfekten Urteil des Vizepräsidenten des AG (!!)gesagt. Man stelle sich vor, dass der Vizepräsident des AG (immerhin!) sich mit dieser Entscheidung auch noch befleißigt gefühlt hat, der HUK-Coburg mit einem seitenhieb das von ihr doch so hoch gelobte Urteil des LG Saarbrücken madig zu machen, wobei er durchaus Recht hat.
    Mehr Worte braucht es eigentlich nicht mehr.
    Servus
    Dein Aigner Alois

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